Finance im Umbruch: Wohin führt der Weg?

Wie alle Unternehmensbereiche, so sind auch die CFO-Bereiche von Veränderungen betroffen, die sich aus der Digitalisierung und anderen disruptiven Impulsen für die Geschäftsmodelle ergeben. Die Zukunft der Finanzfunktion sowie ihre Rolle und Bedeutung innerhalb eines Unternehmens wird stark davon abhängen, wie gut auf diese veränderten Rahmenbedingungen und Anforderungen reagiert werden wird und wie gut es gelingt, die Chance zum Wertbeitrag und zur Positionierung in diesem Kontext zu nutzen. 

Aus unseren Erfahrungen aus Dialogen und gemeinsamen Projekten mit Kunden in den Finanzbereichen, aber auch in anderen Funktionen, vertreten wir die These, dass diese aktuellen Veränderungen der Unternehmensumwelt ein Motor für eine weiterwachsende Verantwortung und Stärkung der Rolle der Finanzbereiche in einem Unternehmen sind. Dies gilt sowohl in der Phase der notwendigen Transformation der Unternehmen als auch in ihrem neuen Zielzustand.   

Unser Special Finance Transformation stellt einen einen Beitrag zur Diskussion sowie zur Analyse und Bewertung dieser These dar.  

Einflussfaktoren für den CFO-Bereich

Das Umfeld des CFO-Bereichs verändert sich kontinuierlich. Die Auslöser hierfür sind vielfältig. Durch das aus den Veränderungen resultierende volatile und unsichere Marktumfeld sind Organisationen zu einer erhöhten Flexibilität gezwungen, um möglichst schnell und effektiv reagieren zu können. Damit verändern sich neben der Rolle des CFO- Bereichs an sich auch die Anforderungen an die dort agierenden Mitarbeiter. 

Die politische Lage in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war ungeachtet aller Spannungen und Umbrüche weitestgehend stabil. Zwar gab es immer wieder Änderungen in der Außen- und Handelspolitik sowie Impulse durch neue Gesetzgebung, Regulierung und Änderungen in Steuerrecht und Rechnungslegung, die allerdings einen eher reformatorischen Charakter hatten. Durch die Covid-19 Pandemie war die Politik erstmals gefordert, in einem bis dahin nicht gekanntem Ausmaß in das Leben der Bürger und das Arbeits- und Wirtschaftsleben in Deutschland einzugreifen. Die damit verbundenen Regulierungen hatten Auswirkungen auf Märkte, Preise und Lieferketten. 

Aktuell erleben wir, wie sich die wirtschaftliche Lage sowie die Aussichten durch unerwartete Ereignisse wie den Russland-Ukraine-Krieg unerwartet, tiefgreifend und nachhaltig verändern kann. Durch eine erwartete Inflation von bis zu 10 Prozent und durch die entstehende Unsicherheit der zukünftigen Import-Möglichkeiten aus Krisenregionen wird sich das Konsumverhalten der Bevölkerung verändern. Dies wiederum führt zu Reaktionen an den Devisenmärkten und hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Wechselkurse und Zahlungsbilanzen der betroffenen Länder. Solche Veränderungen können somit zu einer in ihren Folgen nur schwer abschätzbaren Kettenreaktion am Markt führen, auf die Unternehmen unter den bisher bekannten stabilen Rahmenbedingungen und einem klassischen Instrumentarium nur bedingt vorbereitet sind. Disruptive Ereignisse wie die Covid-19 Pandemie haben bereits gezeigt, welche Auswirkung eine zu langsame Reaktionsfähigkeit haben kann.  

Damit stellt sich die Frage, inwiefern bisherige Geschäftsmodelle vieler Unternehmen und ihre betriebliche Implementierung die nötige Resilienz mitbringen, um den zukünftigen Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Zusätzlich erhöht sich der Druck durch neu auftretende Wettbewerber aus der Digitalisierung auf neue beziehungsweise flexiblere Geschäftsmodelle umzusteigen.  

Auch der demografische Wandel verlangt nach einem Umdenken. Es wird davon ausgegangen, dass die Gesamtbevölkerung in Deutschland bis zum Jahr 2060 um fünf Millionen (-6%) sinken wird, somit stehen langfristig weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. Doch nicht nur das, auch die Altersverteilung verändert sich, schon heute ist jede dritte Person in Deutschland älter als 58 Jahre und jede vierte älter als 62 Jahre. Das deutsche Durchschnittsalter lag 2020 bei 46 Jahren. Die damit einhergehende Reduktion der arbeitsfähigen Bevölkerung wird nicht ohne Auswirkung auf die Wirtschaftsleistung und die öffentlichen Haushalte bleiben und erhebliche Ansprüche an Mitarbeitergewinnung und Retention stellen (Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), statistisches Bundesamt).  

Das Wertesystem und die Motivatoren zukünftiger Arbeitnehmer und Kunden verändern sich entsprechend und verlangen nach einem Umdenken. Den derzeit größten Anteil der Arbeitnehmer stellt die Generation Y, geboren zwischen 1980 und etwa 1995, während die Angehörigen der Generation Z in den Arbeitsmarkt eintreten. Die Ansprüche dieser Generationen unterscheiden sich stark von denen ihrer Vorgänger. Dabei rücken klassische Statussymbole in den Hintergrund, Treiber wie eine ausgewogene Work-Life-Balance rücken an eine vordere Stelle. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, auf der einen Seite so effizient und produktiv wie möglich organisiert zu sein, auf der anderen Seite der veränderten Motivationsstruktur der Mitarbeiter Rechnung zu tragen. Chancen für Unternehmen ergeben sich aber ebenfalls durch die veränderten Wertesysteme: So eröffnet ein Aufgreifen des „Sharing“-Gedankens, also Ressourcen zu teilen statt sie zu besitzen, die Möglichkeit, Kosten zu sparen, indem zum Beispiel Büroflächen oder Firmenwagen durch diesen Ansatz reduziert werden können.    

Während innerhalb der jetzigen Generation der „Gender Shift“-Trend immer relevanter wurde, erweitern sich die Vielfaltsanforderungen durch das Eintreten der Generation Z in den Arbeitsmarkt weit über das Frauen- und Männerbild hinaus. Diversity Management wird zu einem immer wichtigeren Erfolgsfaktor der Unternehmen im Kampf um qualifizierte Fachkräfte. 

Technologien entwickeln sich mit rasender Geschwindigkeit. So wie daraus für Unternehmen durch neue Markteintritte ein Druck auf etablierte Geschäftsmodelle entsteht, so bilden sich daraus Chancen zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung. Cloud- und Edge- Services bieten die Möglichkeiten Ressourcen on-demand zu nutzen und damit insbesondere IT- Ausgaben zu reduzieren, Automatisierungs- und Blockchain-Technologien beschleunigen Prozesse und machen sie weniger ressourcenintensiv. Das „Metaverse“ auf der Basis von AR/VR Technologien steht noch ganz am Anfang seiner Entwicklung und hat das Potenzial, Unternehmen gigantische Möglichkeiten zur Umsatz- und Effizienzsteigerung zu bieten.   

Allerdings steigen zeitgleich die Anforderungen an den CFO-Bereich, da die technologischen Möglichkeiten auch die Erwartungshaltung der Stakeholder verändern. Das Informationsbedürfnis erhöht sich aufgrund der großen verfügbaren Datenmengen. Infolgedessen verschiebt sich der Schwerpunkt des CFO-Bereichs vom Finanzmanagement hin zu einem strategischen Partner und Advisor. Damit verändern sich auch die Anforderungen an die Skills der Mitarbeiter des Finance-Bereichs. Zwar tauchen in den meisten Firmen immer mehr Digital Natives auf, also diejenigen, die bereits seit ihren frühesten Kindertagen mit digitalen Geräten, elektronischen Medien und dem Management und der Interpretation von Daten sozialisiert wurden. Doch zum aktuellen Zeitpunkt bilden sie noch eine Minderheit.  

Mit der zunehmenden Technologisierung unternehmerischer Abläufe steigt das Risiko von Cyber-Angriffen auf Unternehmen. Finanzdaten oder auch Produktionsanlagen können gehackt werden, wodurch die Qualität der Produkte negativ beeinflusst oder das sensible Zusammenspiel in Produktions- und Lieferketten gestört werden kann. Schätzungen zufolge kam es 2021 durch Cyberangriffe deutschlandweit zu einem Gesamtschaden von 223 Milliarden Euro (im Vergleich: 103 Milliarden Euro im Jahr 2019; Quelle: Bitkom Research, Witschaftsschutz 2021 p. 10). 

Neben den Auswirkungen der Covid- Pandemie und des Russland-Ukraine-Konflikts stellen der Klimawandel und der Umgang mit Gegenmaßnahmen sicherlich die größte unternehmerische Herausforderung dar. Die Anforderungen und Wünsche von Kunden und Mitarbeitern an die Unternehmen in der Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit nehmen zu, ebenso wie die Regulierung über gesetzliche Richtlinien, zum Beispiel CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und EU-Taxonomie „Nachhaltigkeit“. Sustainability wird Teil der Unternehmensstrategie und bedarf einer Auseinandersetzung in allen Bereichen der Unternehmen. Maßnahmenpläne zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeitsberichte werden zukünftig zum „daily business“ aller Unternehmensbereiche.    

Lösungsansätze 

Die Veränderungen des Umfelds der Unternehmen und der Finanzbereiche bedeuten aber nicht nur neue Herausforderungen für die Finanzbereiche, sondern gleichzeitig Ansätze zur Lösung. 

Der Digitalisierung zugrunde liegende technologische Veränderungen bieten Potenziale für den Finanzbereich in Bezug auf Effizienz und Fokussierung der eigenen Organisation. Nicht wertschöpfende Tätigkeiten, beispielsweise Rechnungseingangsbuchungen, können mit Hilfe von Bots automatisiert und darüber freiwerdende Kapazitäten in wertschöpfende Tätigkeiten wie die Simulation von Planungsszenarien und Risikoanalysen überführt werden. Mit Blick auf den demografischen Wandel und die zu erwartende Abnahme verfügbarer Arbeitskräfte kann sichergestellt werden, dass die zukünftig noch vorhandenen Arbeitskräfte ihre Ressourcen an den Stellen einsetzen, an denen sie den größten Mehrwert für das Unternehmen bedeuten. 

Der zunehmende Druck auf den Wertbeitrag der Finanzbereiche, der aus der Zentralisierung, Standardisierung und Automatisierung von transaktionalen Tätigkeiten in den vergangenen Jahren entsteht, bedeutet zugleich eine Möglichkeit, sich als Finanzbereich neu zu erfinden, Ressourcen mit veränderten Skills neu zu allokieren und mit stärker wertschöpfenden Tätigkeiten einen Unternehmensbeitrag zu leisten und eine neue veränderte Rolle zu finden.  

Im Bereich Data und Analytics entstehen Potenziale für den Finanzbereich, da ohnehin vorhandene Analyse- und Reportingkompetenzen auf weitere Datenquellen neben den klassischen ERP- und kaufmännischen Systemen angewendet werden können. Die Controllingfunktion als verteilte Organisation mit Einblick in alle Bereiche des Unternehmens, von der Unternehmensstrategie über die Technik bis hin zum Sales, Service und Customer Experience Management, ist hervorragend positioniert, um über diese organisatorische Einbettung und über eine entsprechende Governance die Verknüpfung und Analyse von zusätzlichen und dezentral verteilten Unternehmensdaten zu steuern. Es entstehen neue Aufgabenfelder und eine neue, mehr und mehr wertstiftende Rolle für den Finanzbereich. 

Die Agilisierung, die ebenfalls im Zuge der Digitalisierung Einzug in die Unternehmen und deren Abläufe und Prozesse hält - und damit auf den ersten Blick dem über eine 5- Jahresplanung steuernden Controller Schweißperlen auf die Stirn treibt -, bietet über die Umsetzung agiler Planungs- und Budgetierungskonzepte die Möglichkeit, einen Beitrag zur wertorientierten Budgetallokation zu leisten. Budgets werden verstärkt nicht mehr historisch abgeleitet über Kostenstellenstrukturen verteilt, sondern über den zu erwartenden Beitrag zu den Unternehmenszielen und ROI für Geschäftsvorhaben und Investitionen.  

Unvorhersehbare Ereignisse wie die weltweite Covid- Pandemie oder die Eskalation der Situation in der Ukraine mit ihren Auswirkungen auf Märkte, Preise und Lieferketten fordern nicht nur die Resilienz von Menschen, sondern auch die von Organisationen und Unternehmen. Ein effizientes finanzielles Risikomanagement gewinnt in diesen Zeiten an Bedeutung und muss noch besser in der finanziellen Steuerung integriert werden. Maßnahmen, die im Sinne dieses Risikomanagements ergriffen werden und eine Lösung in der Krisensituation bedeuten, können zu etablierten Instrumenten des Kostenmanagements werden. Dies schlägt sich auf der Ebene der Mitarbeiter in New-Work-Konzepten nieder mit dem Ziel, die Arbeitsfähigkeit der Unternehmen zu flexibilisieren und gleichzeitig über Flächenreduktionen auch zukünftig Kosten zu sparen. 

Generell bieten digitale Technologien neben ihrem Potenzial für neue Geschäftsmodelle, Services und Produkte die Möglichkeit für Unternehmen, sich effizienter zu organisieren und Kosten einzusparen. Positive Business Cases für den Einsatz von Virtualisierung, IoT, und andere Technologien belegen dies und stellen moderne Maßnahmen und Hebel des Kostenmanagements dar. Die Potenziale weiterer Technologien wie Blockchain können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Aufsetzen von Programmen wie Digital Efficiency erlaubt es Unternehmen, die Digitalisierung als Chance zu nutzen. Der Finanzbereich als Wächter über die Effizienz des Unternehmens ist prädestiniert, solche Programme zu initialisieren und zum Erfolg zu führen. 

Das Thema Sustainability muss über die finanzielle Steuerung im Unternehmen verankert werden. Der anfänglich gesehene Widerspruch zwischen einem ursprünglich unter CSR- Gesichtspunkten interpretierten Nachhaltigkeitsgedanken und einer effizienten Steuerung des Unternehmens löst sich allmählich auf.  An verschiedenen Stellen entstehen Umbrüche, die eine Kombination von Umwelt, sozialer Verantwortung und nachhaltiger Ressourcennutzung mit Umsatzsteigerungen erlauben. 

Rollentausch im Finanzbereich: Vom Bremser zum Treiber 

Unter Berücksichtigung der Herausforderungen und Lösungsansätze entsteht die digitale CFO Agenda. Diese ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Industrie des Unternehmens, seiner Größe und des vorhandenen Reifegrads der Effizienz in Organisation und Prozessen unterschiedlich auszuprägen und in eine zeitliche Abfolge zu setzen. 

Die bereits in der Vergangenheit aufgebauten Skills aus der Auseinandersetzung und Umsetzung regulatorischer Anforderungen erlauben eine Positionierung, um sie im Sinne einer Business Resilienz in Zeiten der Veränderung zum fortgeführten und nachhaltigen Unternehmenserfolg umzusetzen. 

Der Blick richtet sich von der reinen Kosteneffizienz auf die Effizienz des Unternehmens. Der Finanzbereich vollzieht damit den Schritt über den Enabler hinaus hin zum Treiber des Unternehmenserfolgs. 

Die bisherige Wahrnehmung des Finanzbereichs als Innovationsbremser, allenfalls Innovationsfollower, wandelt sich durch die Übersetzung der Innovation in Unternehmensbenefits hin zur Rolle des Innovationstreibers. 

Das Aufgreifen der Lösungsansätze sowie die Auseinandersetzung mit den Aufgabenfeldern und der Positionierung in der Transformation der Unternehmen wird dazu führen, dass der Finanzbereich zukünftig einen noch wertvolleren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten wird.