In der heutigen Telekommunikationslandschaft gewinnt das Konzept des Open Access zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Betreiber erkennen darin nicht nur die Möglichkeit einer gerechteren Marktstruktur, sondern auch zahlreiche weitere Vorteile. Doch was genau verbirgt sich hinter Open Access? Und wie ist dieses Konzept bereits in die bestehenden Strukturen integriert? Und vor allem, welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich für Telekommunikationsunternehmen (TKUs)?
Die Netzauslastung geht zurück
Während der Breitbandmarkt in Deutschland eine gewisse Reife erreicht hat, baut ein Großteil der deutschen TKUs die Glasfaserinfrastruktur weiter aus. Dies sind neben großen nationalen viele kleine, oft regionale Anbieter für den Netzausbau verantwortlich. Diese Anbieter besitzen die gesamte passive Infrastruktur, arbeiten in der Regel mit einem aktiven Netzwerkpartner zusammen und verwalten ihre eigenen Endkunden. Dabei stellen externe Faktoren wie inflationsbedingt höhere Kosten und mangelnde Kapazitäten im Tiefbau sowie zinsbedingt höherer Finanzierungsaufwand die Unternehmen vor diverse Herausforderungen.
Und auch interne Faktoren führen dazu, dass bei der überwiegenden Zahl der TKUs die Business Cases einer hohen Netzauslastung nicht erfüllt werden. Ein wichtiger Faktor hierfür ist die Take-up Rate, also der Anteil der gebuchten Glasfaseranschlüsse (Homes Activated) an den tatsächlich verfügbaren (Homes Connected), welche nur bedingt durch verbesserte Marketing- und Vertriebsstrategien gesteigert werden kann. Gerade bei privaten Kund*innen wird es auf absehbare Zeit einen signifikanten Teil geben, dem Kupferdoppelder- (xDSL) oder Koaxialkabelinfrastrukturen (DOCSIS basierte Anschlüsse) hinsichtlich der Leistungsmerkmale wie Down-/ Upload-Geschwindigkeiten und Latenzen ausreicht und vorerst nicht auf einen Glasfaseranschluss wechselt.
Erschwert wird die Netzauslastung zusätzlich durch Herausforderungen beim Roll-Out: Der Fachkräftemängel gefährdet die Erreichung der Homes Passed-Ziele, also der Haushalte, an deren Gebäuden die Glasfasertrassen entlanglaufen und potenziert das Risiko für die Homes Connected, insbesondere bei FTTH (Fiber to the Home). Denn um mit der Glasfaser in die Wohnung zu kommen, ist eine Abstimmung mit einer Vielzahl von Parteien notwendig: Neben den Tiefbauunternehmen sind das die Montageunternehmen der Inhouse-Verkabelung, sowie die Anwesenheit und Zustimmung der Hauseigentümer*innen bzw. Mieter*innen.
Zwar ist die vielfach prognostizierte Konsolidierungswelle noch nicht eingetreten, doch zogen sich seit Ende 2022 verschiedene TKUs vom Markt zurück bzw. gingen in die Insolvenz wie Hello Fiber und Glasfaser Direkt. Und auch auf lokaler Ebene reduzieren Stadtwerke ihren Breitbandausbau oder stellen ihn sogar ein. Aus der Tatsache, dass es immer weniger Gebiete gibt, die attraktiv für einen Glasfaserausbau sind, ergibt sich die Entwicklung, dass bestehende Glasfasernetze durch andere TKUs überbaut werden. Somit bieten dort zwei oder mehr Wettbewerber ihre Produkte auf der Basis einer eigenen Infrastruktur Endkunden an. In Berlin haben exemplarisch aktuell 12 Unternehmen1 Ausbaupläne für 3,5 Millionen Glasfaser-Anschlüssen angekündigt2 und zum Teil bereits umgesetzt, was deutlich über den 2,2 Millionen Haushalten in Berlin liegt.
Eine Möglichkeit, die Netzauslastung zu erhöhen, ist, die Infrastruktur nicht nur selbst zu vermarkten, sondern zusätzlich über Partner, die diese Ihren eigenen Endkunden anbieten. In Vorleistungen für Wholesale-Partner liegt sogar das alleinige oder zumindest hauptsächliche Geschäftsmodell von FiberCos (wie der Deutschen Glasfaser oder der Deutschen GigaNetz) und der Joint Ventures, die integrierte TKUs mit Investoren gegründet haben: OXG (Vodafone & Meridiam), GlasfaserPlus (Telekom Deutschland & IFM Investor) und Unsere Grüne Glasfaser (Telefónica & Allianz). Doch auch die Endkunden-fokussierten TKUs setzen immer stärker auf Wholesale.
Wie fügt sich Open Access in diese Marktstrukturen ein?
Eine Sonderform von Wholesale-Geschäftsmodellen stellt Open Access dar. Bei der Suche nach diesem Begriff wird man im Telekommunikationsgesetz (TKG) nicht fündig. Lediglich § 155 (1) verlangt von Betreibern oder Eigentümern öffentlicher Telekommunikationsnetzen anderen Betreibern den „diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zu öffentlich geförderten Telekommunikationslinien oder Telekommunikationsnetzen zu fairen und angemessenen Bedingungen“ zu gewähren. Etwas genauer wird das in §8 (1) der Gigabitrahmenregelung3 definiert, die fordert, „im geförderten Netzeinen offenen und diskriminierungsfreien Zugang zu den errichteten Infrastrukturen zu gewährleisten, insbesondere Zugang zu Leerrohren sowie zum Kabelverzweiger bzw. vorzusehenden Kollokationsflächen, Zugang zur unbeschalteten Glasfaser, Bitstromzugang sowie vollständig physisch entbündelter Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung“.
Doch Open Access ist nicht nur ein Thema für den geförderten, sondern auch für den eigenwirtschaftlichen Ausbau. Hier gibt es im Markt eine Vielzahl von Pressemitteilungen zu Open Access Partnerschaften, wobei im Einzelnen nicht klar ist, ob die tatsächlich diskriminierungsfrei und offen sind oder es sich schlicht auf exklusive Wholesale-Agreements zwischen Infrastrukturinhabern und Netzbetreibern handelt.
Bei der Art des Open Access ist hinsichtlich dreier Ebenen zu differenzieren:
I. Medium
In der aktuellen Diskussion wird fast ausschließlich auf FTTB/H-Infrastrukturen verwiesen, aber Open Access ist ebenso für Accessnetze auf Basis der Kupferdoppelader (xDSL) oder des TV-Kabel (DOCSIS) möglich. So verkündete Tele Columbus bereits 2021 einen geschlossenen Wholesale-Vertrag für ihr eigenes TV-Kabelnetz mit Telefónica, den sie unter Open Access einordneten.4
II. Wertschöpfungsebene
Der oben zitierte offene und diskriminierungsfreie Netzzugang muss sich nicht auf eine bestimmte Wertschöpfungsstufe beschränken, auch wenn die meisten Vereinbarungen auf Layer-2-Bitstromzugang (L2-BSA), also einem aktiven Vorprodukt basieren. Ebenso können unbeschaltete Glasfasern (Dark Fiber) oder sogar Leerrohrkapazitäten als Basis dienen.
III. Endkundenzugang
Typischerweise bezieht sich Open Access auf den Teil der Telekommunikationsinfrastruktur bis zum Hausanschluss, also der Netzebene 3(NE3). Doch auch Mitbenutzungsansprüche aus der TKG-Novelle für die Inhouse-Infrastruktur bis zur Abschlussdose (NE4) werden durch Open Access abdeckt. In Zukunft könnte das auch ein Thema für die Inhome-Infrastrukturen (NE5) werden.
Wird Open Access zum Lebensretter für TKUs?
Open Access bietet für TKUs eine Vielzahl an Möglichkeiten und Vorteilen:
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Effiziente Infrastrukturnutzung: Mit Open Access können Glasfasernetze von TKUs gemeinsam genutzt werden, was für eine effizientere Auslastung der Infrastruktur sorgt. Dadurch können Investitionen in den Infrastrukturausbau besser genutzt und Überbau vermieden werden.
- Erweitertes Kundenangebot: Durch die Nutzung von Open Access Plattformen können TKUs sich einer breiteren Palette an Diensten bedienen. Kund*innen können so aus einer größeren Auswahl an Internetanbietern und -tarifen wählen, was zu einer höheren Kundenzufriedenheit führt.
- Reduzierte Investitionskosten: Die Kosten für die Wartung und den Netzausbau können durch das Teilen der Infrastruktur mit anderen Betreibern drastisch reduziert werden, was die finanzielle Flexibilität erhöht. Das dadurch freiwerdende Kapital können TKUs nutzen, um andere geschäftliche Investitionen freizusetzen.
- Beschleunigte Markteinführungen: Die eingesparte Zeit für den Bau separater Telekommunikations-Infrastrukturen können TKUs nutzen, um andere von ihnen entwickelte Dienste schneller einzuführen. Dies hilft dem Unternehmen dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben und sich den wandelnden Bedürfnissen der Kund*innen anzupassen.
Für das Öffnen von Access-Netzwerken werden Plattformen benötigt, mit denen TKUs ihre Infrastruktur anderen Betreibern anbieten und einen diskriminierungsfreien Zugang zu anderen Glasfasernetzen herstellen können. Der Einsatz solcher Plattformen, wie von vitroconnect oder Plusnet, bietet dabei eine Reihe von Möglichkeiten, Open Access zu implementieren und zu verwalten. Dazu gehören:
- Zugang zu Netzwerkressourcen: Open Access-Plattformen bieten Zugang zu einer Vielzahl von Infrastrukturen (COAX, Kupfer oder Glasfaser – perspektivisch auch Satellit), die von unterschiedlichsten TKUs genutzt werden können.
- Verwaltung von Partnerschaften: Auf Open Access-Plattformen können verschiedenste Tools zur Erstellung von Verträgen, Dienstleistungen und Abrechnungen genutzt werden, die die Komplexität in der Zusammenarbeit unter TKUs reduzieren und die Effizienz verbessern.
- Unterstützung bei der Qualitätssicherung: Open Access-Plattformen können mit ihren Überwachungsmechanismen dafür genutzt werden, die Funktionalität der Dienste sicherzustellen sowie die Kundenzufriedenheit zu gewährleisten und damit die Servicequalität zu verbessern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch den offenen Zugang von Infrastrukturen anderer Anbieter diese effizienter genutzt und das Kundenangebot erweitert werden kann. Zugleich können dadurch die Investitionskosten für den Ausbau der Infrastruktur gesenkt sowie die Markteinführung beschleunigt werden. Plattformen, die hierfür einen diskriminierungsfreien Zugang ermöglichen, nehmen dabei in Zukunft eine immer wichtigere Rolle bei der Verwaltung und Vereinfachung von Partnerschaften der Internetanbieter untereinander ein.
1. Colt, Deutsche GigaNetz, DNS:NET, Deutsche Telekom, Global Connect, Tele Columbus, 1und1 Versatel, Vattenfall Eurofiber, Vodafone, OXG, Open Infra und Deutsche Glasfaser
2. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Pressemitteilung v. 29.02.2024