Dr. Béla Waldhauser, Telehouse Deutschland: Digitale Effizienz in Rechenzentren

Dr. Béla Waldhauser ist Chief Executive Officer der Telehouse Deutschland GmbH und seit Februar 2018 Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland. Er ist überzeugt von der Relevanz digitaler Infrastrukturen für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands und der Wichtigkeit der „Digitalen Souveränität“ in der Wahrnehmung der politischen Ebene. Im Gespräch mit Dr. Tim Krüger und Dr. Rainer Weidmann führt er die Herausforderungen und Möglichkeiten auf, die auf dem Weg zum effizienteren Betrieb von Rechenzentren auftreten.

Welche Rolle spielt Green IT bei Telehouse Deutschland und was tut Ihr Unternehmen bisher, um effizienter und nachhaltiger zu sein?

Waldhauser: Wir achten sehr stark auf unseren Power Usage Effectiveness Wert (PUE). Wir wollen so effizient wie möglich sein und daher müssen unsere Kunden zwingend Kaltgang, oder in neuen Rechenzentren, Warmgangeinhausung einsetzen. Wir bieten typischerweise auch Temperaturen im Kaltgang zwischen 22 und 24 Grad Celsius an und erreichen damit in den neueren Rechenzentren einen PUE der ca. bei +/- 1,3 liegt – das war vor 20 Jahren noch ganz anders. Da lag der PUE im Schnitt eher bei 2, oder drüber. Damals haben wir die Hälfte des Stromes für uns selbst verbraucht – im Wesentlichen für Kühlung und Klimatisierung. Heute verbrauchen wir bei den neuen Rechenzentren nur noch ein Viertel des Gesamtstromes für uns und Dreiviertel verbrauchen unsere Kunden. Zurzeit liegt der PUE bei unseren Altsystemen bei 1,6 / 1,7 und zusammen mit den neueren Systemen liegen wir durchschnittlich bei einem PUE von 1,5.

Neben Temperatur und Kalt- und Warmgangeinhausung sind wir auch bestrebt, z.B. Umluftkühlgeräte frequenzgesteuert zu betreiben. Wir nutzen indirekte freie Kühlung und im neuen Rechenzentrum adiabatische Kühlung.

Auch bei den USV-Anlagen (unterbrechungsfreie Stromversorgung) setzen wir entsprechende moderne Systeme ein, die eine ganz andere Hysterese-Kurve haben. Eines der größten Probleme, welches wir im Bereich Co-Location haben ist, dass unsere Kunden nur 50-60% der vertraglich vereinbarten Leistungen auch wirklich nutzen. Bei so einer niedrigen Auslastung muss man auf Betreiberseite einiges dafür tun, um effizient arbeiten zu können.

In der Allianz zur Steigerung digitaler Infrastrukturen in Deutschland arbeiten wir z.B. gemeinsam mit dem Umweltministerium daran, flüssigkeitsgekühlte Server zu fördern. Luft ist nicht das beste Medium, um die Wärme abzutransportieren und wassergekühlte Racks sind auch wenig akzeptiert. Flüssigkeit ist ein wesentlich besseres Medium als Luft, um die Wärme abzutransportieren. Und bei flüssigkeitsgekühlten Servern wird sie dort aufgefangen und gekühlt, wo sie entsteht – nämlich direkt auf der Platine.

Außerdem bin ich ein starker Verfechter davon, die Abwärme zu nutzen. Dies ist aber bei den aktuellen luftgekühlten Rechenzentren mit indirekter freier Kühlung ein Problem. Wir erreichen maximal 30 Grad Abwärme, vor allem im Sommer und nicht im Winter, wo mehr Wärme benötigt wird. Nichtsdestotrotz haben wir einen Letter of Intent mit dem Frankfurter Energieversorger Mainova unterzeichnet. In Frankfurt gibt es ein großes Projekt, bei dem 1300 neue Wohnungen entstehen sollen und wir haben nun ein Dreierbündnis gebildet: der Entwickler dieses Areals, die Mainova und wir. Gemeinsam wollen wir die Abwärme unseres Campus auf die andere Straßenseite transportieren und dort einspeisen. Die Mainova garantiert auf ihrer Seite, dass die Wohnungen das ganze Jahr über die Wärme haben und wir liefern so viel wir können dazu. Dies ist ein Nahwärme-Projekt, was sehr gut durchzuführen ist. Bei Fernwärme sind die Temperaturen die wir liefern viel zu niedrig. Da wäre es perfekt, wenn wir flüssigkeitsgekühlte Server hätten, um 60-70 Grad Celsius Abwärme zu erreichen, die man dann problemlos in moderne Fernwärmenetze mit einspeisen könnte. Das ist aber noch Zukunftsmusik.

Führen Sie auch eine Betrachtung der CO2-Bilanz Ihres Unternehmens durch?

CO2 betrachten wir nicht. Ich finde das immer ein bisschen schwierig zu kalkulieren, zumindest, wenn es nicht das Hauptgeschäft ist. Wir schauen uns den Energieverbrauch an, also Strom, Wasser und Diesel, wobei im Vordergrund immer die Verfügbarkeit steht.

Könnten Sie auch bitte näher auf Ihren Öko-Strom-Einkauf bzw. Zertifikathandel eingehen?

Das ist relativ einfach. Wir sind Kunde der Mainova und sagen, dass wir gerne dieses Zertifikat jedes Jahr hätten. Wir bekommen einen Preis genannt und damit hat sich die Sache. Wir handeln nicht mit den Zertifikaten. Das ist aber bei Telehouse für jedes Land verschieden. Wir kaufen seit Jahren grünen Strom ein. Ich bin jetzt seit 20 Jahren Geschäftsführer im Rechenzentrumsbereich und bereits vor 15 Jahren hatten wir Anfragen nach grünem Strom. Wenn es dann aber um die Kosten ging, ist das Interesse sehr schnell erlahmt. Bei den aktuellen Strompreisen am Markt ist der Einkauf von Zertifikaten das einzige, was auch wirklich umsetzbar ist.

Die Kollegen in London z.B. machen beim Carbon Trust Programm mit, da man sich in England stärker am CO2-Footprint orientiert, während das hier in Deutschland im Rechenzentrumsbereich nicht so gehandhabt wird. Uns geht es mehr um den PUE, also den Energieverbrauch. Die Stromkosten machen mittlerweile in Deutschland 50% der Kosten für unsere Kunden aus. Wir können beim Einkauf kaum etwas beeinflussen, da mindestens zwei Drittel der Kosten für den Strom in Deutschland reglementiert sind. Insbesondere die EEG-Umlage ist ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil für uns in Deutschland, da der Strom in den meisten anderen europäischen Ländern deutlich preiswerter ist. Das ist auch der Grund, warum wir keinen „echten“ grünen Strom einkaufen, sondern es bei den Zertifikaten belassen. Wir müssen aber nicht nur aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten energieeffizient sein, sondern auch aus Wettbewerbsgesichtspunkten, da wir sonst im Gesamtpaket zu teuer sind.

Momentan liegt der Durchschnitt beim PUE Wert 1,5, bei neuen Rechenzentren bei 1,3. Bei dem Wachstum würde der Durchschnittswert wahrscheinlich auch entsprechend weiter sinken. Halten Sie es für realistisch, dass Ihr Unternehmen in z.B. 10 Jahren bei einem Durchschnitt von 1,3 ist?

Das halte ich definitiv für realistisch. Schon aus Wettbewerbsgründen müssen wir die neuen Rechenzentren wesentlich energieeffizienter designen. Damit steigt der Prozentsatz der neuen Rechenzentren im Vergleich zum Prozentsatz der alten Rechenzentren überproportional weiter an. Allein dadurch werden wir in Summe jedes Jahr etwas effizienter. Selbstverständlich arbeiten wir aber auch daran, die älteren Rechenzentren energieeffizienter zu machen. Aber nochmal: der Stromverbrauch in Summe und damit der CO2-Ausstoß in Summe steigt stetig an. Das liegt an der großen Nachfrage durch unsere Kunden.

Die Effizienz hängt von zwei wichtigen Faktoren ab:

1. vom Wachstum, d.h. je schneller das Wachstum ist, umso höher ist der Anteil energieeffizienter Rechenzentren.

2. von der Kundenauslastung, also wenn der Kunde auch das verbraucht, was er ursprünglich unter Vertrag hat, dann sollte auch die Effizienz der jeweiligen Standorte steigen.

Wie schätzen Sie den Nutzen von Green IT für Telehouse ein? Ist der Wettbewerbsvorteil durch niedrigere Kosten der einzige Grund oder ist einigen Kunden der Grünanteil neben den Stromkosten doch noch wichtig?

Es sind jetzt mehr Kunden, die danach fragen. Aber ich garantiere Ihnen, wenn es diese Zertifikate nicht mehr geben würde und der Kunde 10-15% höhere Stromkosten hätte, würden 80% unserer Kunden darauf verzichten. Wir sind gar nicht in der Lage, so viele Solar Panels auf die Dächer zu stellen oder Windräder aufzustellen, dass wir auch nur annähernd einen Stromverbrauch generieren können, deshalb müssen wir einkaufen.

Bei aller Liebe zur Nachhaltigkeit bin ich illusionslos, was die treibenden Kräfte bei den Kunden angeht, da diese in erster Linie auf die Kosten schauen.

Was würden Sie denn sagen, wie Telehouse im Vergleich zu Wettbewerbern bei klimafreundlichem IT-Betrieb bzw. Energieeffizienz aufgestellt ist?

Die Frage nach klimafreundlichem IT-Betrieb ist in unserer Branche nicht ganz zutreffend, da wir die IT nicht betreiben. Meines Wissens kaufen die meisten meiner Wettbewerber auch grünen Strom ein und haben ebenso wie wir das Problem, dass die Kunden nur 50-60% der vertraglich vereinbarten Leistung beziehen. Ich kann den Kunden in den seltensten Fällen die 27 Grad Celsius nach ASHRAE Kaltgang empfehlen oder sie dazu bringen, diese zu akzeptieren. Ich muss bei einem Rechenzentrum mit sehr vielen verschiedenen Kunden immer Kompromisse eingehen. Diese Kompromisse gehen auch auf Kosten der Nachhaltigkeit.

Außerdem fordern die Kunden eine hohe Redundanz und damit eine hohe Verfügbarkeit. Jede Redundanz geht auf Kosten der Nachhaltigkeit. Es gab für Frankfurt eine Ausschreibung eines großen Unternehmens aus dem öffentlichen Sektor. Darin war eine Forderung nach einer Autarkie-Zeit von mindestens 30, eher 45 Minuten im Falle eines Stromausfalls. Wenn man mit Batterien puffert, reden wir typischerweise von 10, maximal 15 Minuten und ich habe bei den Größenordnungen tausende von Batterien. Beim drei- oder vierfachen davon können Sie sich vorstellen, was ich da an Batteriepark habe. Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun, wenn ich ein extra Gebäude nur für Batterien brauche.

Was ist denn das Kundenargument, die Hebung der Kalttemperatur im Kaltgang über 24 Grad zu heben, nicht zu akzeptieren?

Ganz einfach: wenn die Klimatisierung sich mal verschluckt, dann gehen die Temperaturen sehr schnell in einen kritischen Bereich und die Kunden wünschen sich ein bisschen Puffer. Oder wenn man ein Delta T von z.B. 8 Grad hat, dann herrschen 27 Grad im Kaltgang und 35 Grad im Warmgang. Das ist auch für die Mitarbeiter eine erhebliche Belastung. Wenn man früher in ein Rechenzentrum wollte, hat man erst mal eine dicke Jacke angezogen, denn die waren arktisch gekühlt. Heute geht man in kurzer Hose und T-Shirt rein und es ist immer noch zu warm. Wenn die Mitarbeiter dort regelmäßig arbeiten, sind irgendwann Grenzen gesetzt.

Wenn der technische Weg soweit ist, dass die Zusatzkosten für die Wasserkühlung geringer sind, wäre das ein Schlüsselfaktor, um hierdurch einen Effizienzgewinn herauszuholen?

Was wir heute haben, sind wassergekühlte Racks. Diese wassergekühlten Racks kann man heute schon von verschiedensten Herstellern kaufen. Mit diesen hat man allerdings immer noch Luft als das eigentliche Kühlmedium und kommt nie bis auf 60-70 Grad. Zudem wollen die meisten Kunden immer noch Wasser oder Flüssigkeit im Rechenzentrumsraum vermeiden.

In Zukunft müsste man allerdings wasser- oder flüssigkeitsgekühlte Server anstreben. Bei diesen habe ich keine Luft mehr als Medium dazwischen, da die Kühlschlangen direkt auf die Platine aufgebracht sind und dadurch 60-70 Grad Celsius an Abwärme erreicht werden. Dies ist aus mehreren Gründen sinnvoll:

1. Es wird Flüssigkeit als Kühlmedium verwendet. Das muss nicht unbedingt Wasser sein.

2. Die Temperatur wird dort aufgegriffen, wo sie entsteht – direkt auf der Platine.

3. Es entsteht Abwärme mit einer Temperatur, mit der man auch wirklich etwas anfangen kann und die man bei modernen Fernwärmenetzen mehr oder weniger direkt einspeisen kann, da diese auf diesem Temperaturniveau arbeiten. 4. Diese Abwärme wird das ganze Jahr erzeugt, also vor allem auch im Winter, wo potenzielle Abnehmer mehr Wärme benötigen.

Ein wichtiger Punkt noch: wenn wir heute von Wärmepumpen reden, also wenn ich heute die Abwärme eines Rechenzentrums nehme und dann versuche, die Temperatur ein bisschen zu erhöhen, zahle ich den kompletten Strompreis inkl. aller Abgaben und inkl. der EEG-Umlagen. Ich versuche also etwas Nachhaltiges zu tun und werde dabei noch einmal bestraft, weil der Strom auch für diese Wärmepumpen zu teuer ist. Wir fordern als Allianz daher bessere Rahmenbedingungen durch die Politik, um hier Nachhaltigkeit zu fördern.

Vielen Dank für das interessante Interview Herr Waldhauser!