Es klingt nach wie vor verheißungsvoll: Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Ganz so einfach ist es aber nicht. Für Öl gibt es einen Markt und definierte Preise. Was aber kosten Daten? Und wie sollen Daten gehandelt werden? Im Folgenden zu diesen Fragen der Auszug eines Interviews mit Volker Rieger und Steffen Kuhn aus dem LÜNENDONK-Magazin „Künstliche Intelligenz“.
Lünendonk: 2025 soll das Volumen der jährlich generierten digitalen Datenmenge weltweit bei 175 Zettabyte liegen. Eine Zahl mit 21 Nullen. Was machen wir mit diesen Daten?
Dr. Volker Rieger: Auf diese Frage suchen auch viele unserer Kunden eine Antwort. Sie sammeln zunächst interne Daten, um sie auf ihren Systemen auszuwerten. Dafür setzen sie auf Künstliche Intelligenz oder Machine Learning, verbessern Geschäftsprozesse, senken Kosten, analysieren ihre Kunden. Das ist – vereinfacht gesagt – Business Intelligence (BI) auf Basis neuer Technologien. Daten werden aber noch interessanter, wenn Unternehmen sie vergolden, indem sie ihre Daten und Analyseergebnisse mit denen anderer Organisationen austauschen und verschneiden bis hin dazu, dass sie damit zum Beispiel auf elektronischen Marktplätzen handeln. Für Internetunternehmen, deren Geschäftskonzept ganz darauf beruht, ist das Alltag. Für Facebook oder Google zum Beispiel – auch wenn da nicht immer alle konkreten Fälle gutzuheißen sind.
Sind diese Unternehmen als Vorbilder für Industrieunternehmen geeignet?
Dr. Volker Rieger: Da ist es in der Tat komplizierter, da Daten im Unternehmensumfeld häufig Geschäftsgeheimnisse beinhalten. Technisch ist es ebenfalls schwieriger, da die Daten häufig in proprietären Systemen und Datensilos liegen. Datenzentrierte, digitale Geschäftsmodelle werden sich jedoch mittelfristig zu einem Treiber für Wachstum etablieren. Die Geschwindigkeit der Entwicklung hat mit der Reife von Technologien wie Big Data und Künstliche Intelligenz immer weiter zugenommen. Daher ist es wichtig, dass alle Unternehmen – unabhängig von Branche und Größe – beginnen, ihre eigene dienste- und datenzentrische Strategie zu formulieren, und mit ersten Umsetzungsschritten Erfahrungen sammeln. Dafür sollten sie eine übergreifende Sicht auf die relevanten Daten herstellen, verstehen lernen, wie sich Daten auf das eigene Geschäftsmodell auswirken, oder mit Daten sogar neue Geschäftsmodelle entwickeln. Hierzu könnte der Chief Digital Officer sich auch als Chief Data Officer begreifen.
Industrieunternehmen sammeln aber eher Maschinendaten? Für wen könnten solche Daten interessant sein?
Steffen Kuhn: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Wir müssen die Daten im Einzelnen betrachten. Wir haben in Deutschland zum Beispiel eine Reihe von Maschinenbauern, deren Maschinen weltweit eingesetzt werden. Deren Kunden erfassen IoT-Daten zu Predictive-Maintenance-Zwecken oder um Produktionsprozesse zu verbessern. Zusammen mit Informationen zu Rohstoffen, der Temperatur in der Produktion oder bewusst geänderten Produktionsbedingungen erkennen diese Kunden, ob und wann Bauteile unter bestimmten Bedingungen häufiger ausfallen. Der Hersteller selbst kann die Daten nutzen, um seine Maschinen zu verbessern und Ausfälle von vornherein zu verringern. Er könnte aber die Daten ebenso anderen Kunden, Unternehmen oder Partnern zur Verfügung stellen. Aus einem solchen Szenario heraus entsteht schon ein kleiner Datenmarkt.
Wem gehören dort die Daten?
Steffen Kuhn: Es gibt nicht die eine Antwort auf die Frage nach der Besitzaufteilung von Daten in Partnerschaften in der sogenannten Shared-Data-Ökonomie. Aber feststeht: Wir brauchen den Datenaustausch. Wir müssen also Modelle finden, um das zu kommerzialisieren. Es ist sehr zu empfehlen, einen Mechanismus zu entwickeln, der bestimmte, mitunter sehr spezifische Daten wie etwa Verschleißdaten von Maschinen oder Objekten und ihren Wert handelbar macht – sei es über Preismodelle auf Basis von Werten oder von Kosten, also value- oder cost-based. Denkbar sind hier Pay-as-you-use-Modelle, die etwa nur einen einmaligen Gebrauch von Daten erlauben. Partnermodelle in einem datenzentrierten Ökosystem sollten also so aufgebaut sein, dass derjenige, der Daten hineingibt, tatsächlich entsprechend Datenwerte wieder herausbekommt. Ähnlich einem Punktesystem nach dem Motto „Sharing is caring – wer viel reingibt, kann auch viel rausnehmen“. Der Wert der Daten könnte sich dann unter anderem auf Basis verschiedener, jeweils hierzu entwickelter Use Cases bilden, was ein Anfang wäre. Denkbar wäre es, dass ein neutraler Partner quasi als „Schiedsrichter“ einer Plattform ein solches System steuert.
Ist der Wert nicht schwer zu definieren?
Dr. Volker Rieger: Das ist in der Tat noch die größte Baustelle. Preisbildung ist nicht trivial. Sie muss sich entwickeln. Bei Profildaten von Kunden hat sich längst ein Preis entwickelt. Wer etwa wissen will, wie wahrscheinlich der Einkauf von Kunden ist, bezahlt für solche Profildaten 25 bis 50 US-Dollar. Ist ein Wert definiert, entsteht auch eine Datenökonomie. Wenn ich Anlagenbetreiber bin, kann ich über Predictive Maintenance berechnen, wie hoch der Wert in der eigenen Firma ist. Schwieriger wird es schon, wenn ich Anlagenhersteller bin und dieses Wissen an den Betreiber verkaufen möchte. Inzwischen gibt es zum Beispiel im Bereich Automobil Start-ups, die als Third Party die Fahrzeugsensoren auswerten und daraus den Verschleiß der Fahrzeugteile berechnen. Das ist zum einen für Wartungsintervalle, zum anderen aber auch für den Wiederverkaufswert interessant. Hier gibt es potenziell mehrere Interessenten für solche Daten, und im Zusammenhang mit dem Wiederverkauf könnte der Wert schnell einige tausend Euro erreichen.
Das vollständige Interview wie auch das gesamte LÜNENDONK-Magazin "Künstliche Intelligenz" stehen hier zum Download bereit