Business-Ökosysteme - vom Buzz zum Business (2/2)

Warum profitieren Geschäftsmodelle von Ökosystemen? In den letzten Jahren hat der Begriff „Ökosysteme“ in der Geschäftswelt zunehmend an Popularität gewonnen. Zurecht. Aber worum geht es bei diesem Buzz? In unserem zweiteiligen Artikel Business-Ökosysteme – vom Buzz zum Business beleuchten wir den Hype um Business-Ökosysteme und erklären, wie Geschäftsmodelle durch sie aufgewertet werden können. Teil 2 beschäftigt sich mit Ansatzpunkten, um den Wertbeitrag von Ökosysteme zu erschließen.

Business-Ökosysteme sind die Summe von Partnerschaften, die durch die einzigartige Kombination der individuellen Geschäftsmodelle aller Teilnehmer und die effiziente Verbindung ihrer Wertströme dem gleichen kundenzentrierten Wertversprechen dienen.

Neben den in unserem letzten Artikel erwähnten übergreifenden Treibern hat Detecon in seiner Arbeit mit Kunden verschiedene Ausgangspunkte für die Annäherung an Business-Ökosysteme identifiziert. Diese Einstiegsstufen werden hauptsächlich von zwei Parametern bestimmt: Ökosystemfähigkeiten und die Reife des Wertangebots, wobei die Grenzen innerhalb dieser Parameter fließend und nicht exklusiv sind. Ökosystemfähigkeit bezieht sich auf das inhärente Know-how eines Unternehmens im Umgang mit Ökosystemen (d.h. Erfahrung im Aufbau, Management, Maximierung des Outputs usw.). Die Angebotsreife hingegen bezieht sich auf die Klarheit des Schwerpunkts und beschreibt somit den Reifegrad einer bestimmten Produkt- oder Wertvorstellungsidee.

Angaben zu den eigenen Fähigkeiten und zum Reifegrad nach Ausgangslage

Sich individuellen Herausforderungen stellen und eigene Fähigkeiten nutzen

Ökosystemfähigkeiten und die Angebotsreife sind bei verschiedenen Kundengruppen unterschiedlich ausgeprägt. Dort unterscheiden wir zwischen Newcomer, Visionären, Realisierern und Optimierern.

  • Der Newcomer wird mit neuen Trendthemen oder Marktanforderungen konfrontiert, die mit den bestehenden Unternehmensstrukturen und/oder Produkten nicht zu bewältigen sind. Oft gibt es kein klares Konzept, sondern nur eine Vision oder zumindest eine Idee. Es mangelt an Ressourcen und Skills, um die Marktanforderungen allein zu erfüllen, und Ökosysteme werden als möglicher Ansatz zur Überwindung dieser Herausforderung gesehen. Daher versucht der Newcomer, das Konzept der Ökosysteme zu verstehen, wie es das Business voranbringen kann und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Darüber hinaus sucht der Newcomer auch proaktiv nach künftigen Anforderungen an neue Märkte, die er allein nicht erschließen könnte, und will daher das volle Potenzial von Ökosystemen sowie künftige Möglichkeiten aufdecken und erschließen.
     
  • Der Visionär ist bestrebt, gemeinsam mit Partnern Anforderungen zu ermitteln und Fähigkeiten zu entwickeln, die zur Verwirklichung einer bereits bestehenden, aber noch unscharfen Produktvision beitragen. Der Visionär hat eine klarere Vision als der Newcomer, ist sich aber über das endgültige Konzept noch nicht ganz im Klaren. Aufgrund seiner eigenen begrenzten Fähigkeiten und Ressourcen sieht der Visionär jedoch das Potenzial, „nicht-organische“/externe Fähigkeiten aus dem Unternehmens-Ökosystem für die Realisierung des Wertversprechens zusammenzubringen. Daher ist es ratsam, dass Visionäre die Produktvision so weit wie möglich schärfen. Dies wird ihnen dabei helfen, die externen Fähigkeiten zu identifizieren, die für die Umsetzung des Angebots erforderlich sind. Damit ist die Grundlage für das endgültige Ökosystemdesign gelegt. Das Design wird alle benötigten Rollen und Wertströme widerspiegeln und kann als Blaupause für die Ausführung des Ökosystemaufbaus betrachtet werden.
     
  • Der Realisierer hat ein sehr klares Bild des endgültigen Wertversprechens und des Marktes. Im Vergleich zum Visionär hat der Realisierer bereits die benötigten Anforderungen und Fähigkeiten identifiziert und befindet sich in der Phase der Umsetzung und ist damit dem Visionär einen Schritt voraus. Die wichtigsten Ziele für den Realisierer sind die Suche nach den richtigen Kooperationspartnern, die die gleiche Denkweise teilen, für die Einführung des richtigen Managementmodells auf der Grundlage des Ökosystemdesigns sowie für die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Go-to-Market-Strategie.
     
  • Der Optimierer beschreibt den vierten Ausgangspunkt und spiegelt ein klares Streben nach der Ausschöpfung vorhandener Assets wider. Der Optimierer verwaltet bereits aktiv ein Business-Ökosystem oder nimmt an einem solchen teil. Die wichtigsten Herausforderungen bestehen darin, das Ökosystem wettbewerbsfähig zu halten und Innovationen zu fördern. Daher ist der Optimierer bestrebt, die allgemeine Produktqualität, das Kundenerlebnis und die Effizienz innerhalb des Ökosystems zu verbessern. Vor allem die Optimierung der Wertströme und die effizientere und effektivere Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern eröffnet das Potenzial zur Kostensenkung und Gewinnmaximierung.

Business-Ökosysteme können Geschäftsmodelle auf verschiedene Weise aufwerten. Im Mittelpunkt jeder Überlegung steht jedoch immer die Realisierung von Wert für die Kunden. Egal, ob es sich um ein klares Wertversprechen oder nur um eine vage Vision handelt - der Wert für den Kunden steht an erster Stelle - alles andere wird um ihn herum aufgebaut. Wenn dies beachtet wird, können Ökosysteme die Wahrscheinlichkeit des Zugangs zu neuen Märkten und neuen Branchen deutlich erhöhen, was letztlich dazu beiträgt, eine neue Nachfrage nach den eigenen Produkten zu generieren, die vorher nicht zugänglich war oder gar nicht gesehen wurde.       

Die Verringerung des Aufwands durch den Beitritt zu einem bereits bestehenden Ökosystem ist immer eine valide Option

Wenn ein Business-Ökosystem der vielversprechendste Weg ist, eine bestimmte einzigartige Produktvision oder ein bestimmtes Angebot zu verwirklichen, sollte neben dem Treiber und dem Ausgangspunkt immer auch der Beitritt zu einem bestehenden Ökosystem als Option am Anfang in Betracht gezogen werden. Dies kann Kosten und Risiken reduzieren, insbesondere wenn die eigenen Fähigkeiten noch nicht ausgereift sind. Die wichtigste Voraussetzung für diesen Schritt ist jedoch, eine klare Vorstellung von der eigenen Rolle und den Fähigkeiten zu haben, die dem bestehenden Business-Ökosystem angeboten werden und es ergänzen sollen. Dies ist besonders wichtig für den Beitritt zu einem Ökosystem, da eine klare Rolle und ein klares Wertversprechen die strukturelle Einpassung in das bestehende Geflecht und die eigene Einzigartigkeit innerhalb dieses Ökosystems definieren (je größer die Einzigartigkeit des eigenen Wertversprechens innerhalb des „Wertnetzes“ des Ökosystems ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Wertversprechen des Ökosystems durch den eigenen Beitritt signifikant zunimmt und desto höher ist die Attraktivität für die anderen Hauptakteure).

Definition und Bewertung des „Bizz“ im Ökosystem „Buzz“

Identifikation von Treibern, Definition von Ansatzpunkten, Abwägen der Entscheidung zwischen Beitritt oder Aufbau eines Ökosystems - dieser kurze Einblick zeigt, wie komplex Ökosysteme bereits auf dieser Ebene werden können. Dennoch müssen Unternehmen verstehen, dass sich der Aufwand lohnen kann. Innovationen und nachhaltiger Kundennutzen werden heute mehr denn je durch den Erfolg von Zusammenarbeit und nachhaltiger Kooperation getrieben. Ökosysteme können zu einem sehr mächtigen Instrument werden und es den Teilnehmern ermöglichen, „black oceans“ [2] zu schaffen - also Märkte mit nahezu unüberwindbaren Eintrittsbarrieren. Um dies zu ermöglichen, muss jedoch ein klares kundenorientiertes Wertversprechen (1) entworfen, ein gründliches Verständnis der eigenen und der Rolle der anderen (2) identifiziert, eine klare Sicht auf die eigenen Fähigkeiten (3) etabliert, und schließlich muss eine gemeinsame Denkweise (business mentality) bei allen Beteiligten (4) gewährleistet werden.

Wer die Potenziale, die durch gemeinsame Wertschöpfung entstehen können, versteht, wird in dynamischen Märkten langfristig bestehen und sich ständig an Veränderungen anpassen können. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben deutlich gezeigt, welche Geschäftsmodelle die treibenden Kräfte auf dem Kapitalmarkt sind. Sie haben eines gemeinsam: Im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns steht immer der Kundennutzen. Natürlich ist ein monetärer Return on Investment (ROI) letztlich ein Ziel für Unternehmen, jedoch sind andere Mehrwerte, wie größere Innovationskraft, höhere Effizienz und der Zugang zu neuen Märkten und Ressourcen, weit wichtigere Faktoren für die Bewertung erfolgreicher Ökosystem-Geschäftsmodelle. Deshalb erleben Ökosysteme heutzutage einen so bedeutenden Aufschwung bei Strategieentscheidern: Sie bieten Zugang zu knappen Ressourcen und Märkten. Der Beitritt zu Ökosystemen und vor allem deren Aufbau ist jedoch fast immer mit signifikanten Kosten verbunden. Die Abwägung dieser Kosten gegenüber den Gewinnen wird unweigerlich definieren, wie viel „Bizz“ in Ökosystemen steckt und muss individuell bewertet werden.

 

[1] Ein Unternehmen kann zwar über ein hohes Maß an Ökosystemfähigkeiten verfügen, aber in Bezug auf die Angebotsreife noch unklar sein.

[2] Siehe auch „Business-Ökosystem Design“ von Michael Lewrick