Business-Ökosysteme - vom Buzz zum Business (1/2)

Warum profitieren Geschäftsmodelle von Ökosystemen? In den letzten Jahren hat der Begriff „Ökosysteme“ in der Geschäftswelt zunehmend an Popularität gewonnen. Zurecht. Aber worum geht es bei diesem Buzz? In unserem zweiteiligen Artikel Business-Ökosysteme – vom Buzz zum Business beleuchten wir den Hype um Business-Ökosysteme und erklären, wie Geschäftsmodelle durch sie aufgewertet werden können. Teil 1 beschäftigt sich im Besonderen mit möglichen Treibern für den Einstieg in die Welt der Ökosysteme.

Der Buzz um Ökosysteme ist besonders globalen Playern wie Amazon und Alibaba mit ihren Plattformen oder Google und Apple mit ihrem Play- und Appstore zu verdanken – und vor allem dem gesteigerten Interesse an den Mechanismen und Erfolgsfaktoren hinter deren Erfolg. Bei allen Unterschieden hinsichtlich ihrer Märkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle haben die vier Akteure eines gemeinsam: Ihr Erfolg basiert auf gut konzipierten, miteinander vernetzten Business-Ökosystemen, in welchen verschiedene Serviceanbieter und Entwickler zusammengebracht werden. Alle haben dabei ein gemeinsames Ziel: dem Kunden ein attraktives Wertangebot zu machen.

Die Erfolgsgeschichten der großen Player treiben Unternehmer weltweit dazu an, ihre Geschäftsmodelle durch die strategische Entwicklung von Ökosystemen zu innovieren, mit wechselndem Erfolg. Es besteht kein Zweifel daran, dass Ökosysteme für Unternehmen heutzutage äußerst wichtig sind. Es ist aber auch klar, dass solch umfängliche Geflechte nicht einfach nach Plan „gebaut“ werden können und zwingend den zukünftigen Erfolg garantieren. Der Aufbau von Ökosystemen ist ein langer Prozess mit vielen Umwegen. Letztere können zu unterschiedlichen Ergebnissen oder sogar zum Scheitern führen. Somit besteht in dieser Hinsicht kein Unterschied zu „gewöhnlichen“ Geschäftsmodellen. Dies unterstreicht zudem die Notwendigkeit einer klaren Sichtweise und Strategie, sollten Ökosysteme für die Unternehmensentwicklung in Betracht gezogen werden.

Was ist eigentlich ein Ökosystem?

Obwohl der Begriff „Ökosystem“ recht populär ist, scheint es in der Literatur noch keine einheitliche und vor allem praktikable Definition zu geben. Was ist also überhaupt ein Ökosystem?

„Ökosysteme“ haben ihren Ursprung in der Naturwissenschaft, konkret in der Biologie. Oft auch als „Netzwerke“ bezeichnet, treten Ökosysteme im Allgemeinen in vielfältiger Form auf. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie stellen ein dichtes Netz von bestimmten Akteuren dar, die zumindest lose über diverse Beziehungen miteinander verbunden sind, um eine gemeinsame Vision oder ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Wir bezeichnen dies als den „Focal Point“, also den gemeinsamen Fokuspunkt des Ökosystems. Im geschäftlichen Kontext kann dies ein gemeinsamer Zielmarkt oder ein gemeinsam entwickeltes Produkt sein. Jedes Unternehmen bringt seine eigenen Ressourcen und Stärken ein, wodurch das Netz in der Lage ist, zusammen ein Wertangebot zu machen, das größer ist als das der individuellen Partner. Deshalb definieren wir bei Detecon Business-Ökosysteme als die Summe von Partnerschaften, die demselben kundenorientierten Wertversprechen dienen. Alle Teilnehmer bleiben unabhängig in einem modularen System mit gemeinsamen Regeln und Werten, während sie sich gegenseitig Vorteile verschaffen.

Der wichtigste Aspekt – und Erfolgsfaktor – eines solchen Business-Ökosystems ist sein Wertversprechen. Je ausgeprägter und kundenorientierter, aber auch je individueller es ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines außergewöhnlichen und einzigartigen Kundenerlebnisses. Das Ökosystem schafft einen für die Kunden herausragenden Wert durch die einzigartige Kombination der individuellen Geschäftsmodelle und Fähigkeiten aller Teilnehmer sowie durch die effiziente Verbindung ihrer Wertströme. Zudem maximiert es die Wahrscheinlichkeit, einen einzigartigen und überlegenen Wert vor Kunde zu schaffen, indem es die individuellen Stärken der Teilnehmer nutzt, ihre Geschäftsmodelle miteinander kombiniert, Ressourcenströme effizient orchestriert, klare Rollen zuweist und deren Akzeptanz überwacht.

Von Wertschöpfungsketten zu integrierten Unternehmensökosystemen (Quelle: Michael Lewrick)

Was sind die wichtigsten Treiber hinter den Ansätzen von Business-Ökosystemen?

Auch wenn man die zentralen Aspekte eines Ökosystems kennt, kann es dennoch schwierig sein, einen guten Ansatzpunkt für deren Anwendung zu finden. Oft kommen Fragen auf wie „Hilft ein Ökosystem meinem Unternehmen? Wie finde ich das heraus? Wo fange ich an?“

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht immer einfach und hängen von der individuellen Situation eines Unternehmens ab. Es muss klar sein, dass nicht jedes Unternehmen, jede Geschäftsidee oder jedes Geschäftsmodell für einen Ökosystemansatz geeignet ist. Gartner unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen unternehmens- und ökosystemzentrierten Geschäftsmodellen. Sie stellen fest, dass in vielen Fällen die „traditionellen“ unternehmenszentrierten Ansätze ausreichen und sogar vorteilhafter sein können, da manche Unternehmen besser in der Lage sind, Werte linear durch eigene Stärken zu schaffen.[1] Ob es also sinnvoll ist, ein Business Ökosystem aufzubauen, hängt von dem zu realisierenden Wertversprechen und den daraus resultierenden Anforderungen an die benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten ab. Der erhebliche Aufwand und die Kosten lohnen sich nur dann, wenn das Business Ökosystem das Potenzial hat, letztendlich zu einem überlegenen Kundennutzen zu führen.

Doch wie lässt sich dieser „überlegene Wert“ realisieren? Man kann zwischen zwei Haupttreibern für den Einstieg in die Welt der Ökosysteme unterscheiden, die den Weg für die Gewinnung eben dieses Wertes bereiten:

  1. EXPLORATION: Dieser erste Ansatz wird durch das Unbekannte, die schiere Chance auf neue Geschäfte sowie durch den Wunsch angetrieben, die Wahrscheinlichkeit von Innovationen und neuen Wertvorschlägen zu erhöhen. Unternehmen mit einer „explorierenden“ Haltung sind oft visionär, bereit ihre Komfortzone zu verlassen und Risiken einzugehen, um ihre Geschäftsmodelle und Produkte zu innovieren und so neue Märkte zu erschließen. Im Zusammenhang mit Ökosystemen bedeutet dies, dass Unternehmen einen explorativen Ansatz zur Entwicklung des endgültigen Wertversprechens sowie zur Nutzung und Etablierung von Fähigkeiten des Ökosystems verfolgen.
     
  2. EXPLOITATION: Dieser Ansatz beschreibt das Streben von Unternehmen nach der Realisierung eines klar definierten Wertversprechens in einem bestehenden Markt. Um das gewünschte Wertversprechen zu verwirklichen, schöpfen die Unternehmen die erforderlichen Partnerressourcen, die in einem bestehenden Markt verfügbar sind, mittels bestehender Business-Ökosysteme zum höchsten Grad aus. Die Unternehmen streben danach, mithilfe ihres Business-Ökosystems die Produktqualität und das Kundenerlebnis zu verbessern, die Effizienz zu steigern, die Kosten zu senken und den Gewinn innerhalb dieses Ökosystems zu maximieren. Ihr Haupttreiber ist es, wettbewerbsfähig zu bleiben und so ihre Marktposition zu stärken.

Ein Unternehmen kann durchaus beide Ziele/Treiber gleichzeitig verfolgen (z.B. durch verschiedene Geschäftsbereiche mit unterschiedlichen Portfolios und Marktzugängen). Dennoch: Beide Treiber spiegeln den ständigen Bedarf an Innovation und Optimierung wider, um in dynamischen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch die Erschließung des Unbekannten und die Ausschöpfung des Bestehenden können Unternehmen zukunftssicher bleiben.

Es ist jedoch letztendlich wichtig zu betonen, dass Business-Ökosysteme komplex sind. Sie erfordern viel Aufwand nicht nur beim Aufbau, sondern auch beim Management und der strategischen Entwicklung. Hinzu kommen die gänzlich unterschiedlichen Reifegrade von Unternehmen, wenn sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Basierend auf zahlreichen Gesprächen mit Kunden und Experten konnte Detecon hier mindestens vier unterschiedliche Startpunkte identifizieren. Diese Einstiegsstufen spiegeln die häufigsten Ausgangspunkte unserer Kunden wider und werden im zweiten Teil unserer Artikelserie Business-Ökosysteme - vom Buzz zum Business näher beschrieben.

 

[1] „Eight Ways Ecosystems Supercharge Business Models“ von Gartner

[2] Siehe auch "Business Ökosystem Design" von Michael Lewrick