Unter dem Namen „MagentaGaming“ betreibt die Deutsche Telekom erfolgreich einen kommerziellen Cloud-Gaming-Dienst. Das ursprüngliche Drei-Mann-Projekt startete 2017 mit dem Ziel, zunächst eine OpenBeta-Version aufzubauen. Mittlerweile arbeiten hier 75 Personen. Dass der Dienst pünktlich gelauncht werden konnte, führt Dominik Lauf, Program Lead & CPO Magenta Gaming, auch auf den Einsatz agiler Arbeitsmethoden zurück. Warum agil nach außen nicht immer agil im Inneren bedeutet und inwieweit ein agiles Projektmanagement-Tool wie GARD Jira den Erfolg beeinflussen kann, erklärt er uns im Interview.
Frage: Der gesamte Gaming-Bereich ist stark innovationsgetrieben. Aus der Entfernung denkt deshalb vielleicht so mancher: „Die Gamer haben bestimmt schon immer agil gearbeitet“. Wann haben Sie begonnen, agile Arbeitsmethoden einzuführen und wie lange hat die Transformation angedauert?
Dominik Lauf: Wir haben tatsächlich schon länger mit agilen Elementen gearbeitet, beispielsweise mit Daily Standups und einem Backlog. Ein agiles Set-up im Sinne von Scrum haben wir jedoch erst Anfang 2020 etabliert. Rückwirkend betrachtet haben die Transformationen jeweils gut zwei Monate lang gedauert, einmal im Zuge des Onboardings von mehr als 50 neuer Projektteilnehmer*innen und noch einmal am Ende des Jahres, als wir die Team-Struktur verändert haben.
Weshalb haben Sie sich überhaupt für Scrum entschieden?
Es gibt aus meiner Sicht keine passende Alternative, um die Komplexitäten eines Softwareprodukts zu erfassen. Wir arbeiten in einem Innovationsumfeld – da hat man mit der Wasserfallmethode heute kaum noch eine Chance. Die agile Methode hat klare Vorteile hinsichtlich der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Teams. Das führt außerdem zu wahrnehmbar guten Ergebnissen.
Trotzdem sollte man sich zu Beginn immer die Frage stellen: Möchte ich Agilität mit 100 Prozent Stringenz umsetzen und inwieweit kann man Standards wie SAFe und Scrum auf die konkreten Bedürfnisse eines Programmes anpassen?
Welche Kernelemente von Scrum haben aus Ihrer Sicht besonders gut funktioniert?
Wir haben festgestellt, dass vor allem zweiwöchige Sprint(-zyklen) kurzfristig sehr gut funktionieren. Mittelfristig, für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten, helfen Program Increment Development (PIDs) dabei, klar und strukturiert sowie fokussiert an den Themen zu arbeiten und gut zu priorisieren. Wir konnten uns dadurch immer wieder den Scope und die Priorisierung ins Gedächtnis rufen.
In einem relativ komplexen Umfeld helfen diese Elemente, Klarheit zu schaffen. Das wiederum erlaubt eine bessere Planbarkeit, wann etwas umgesetzt wird. Dadurch ist es möglich, auf veränderte Feature-Entwicklungen, Events, Kundeneinflüsse und Anforderungen von Markt und Stakeholdern besser und kurzfristiger reagieren zu können. Ich glaube nicht, dass wir es ohne Scrum in der vorgesehenen Zeit geschafft hätten, den Dienst MagentaGaming rechtzeitig zur Gamescom 2020 zu launchen.
Dominik Lauf verantwortet seit zwei Jahren als „Program Lead & CPO MagentaGaming“ die Entwicklung, den Betrieb und die Etablierung des Cloud-Gaming Angebots bei der Deutschen Telekom AG. In der Gaming-Szene hat er sich einen Namen gemacht. Er engagiert sich nicht nur an politischen Themen des Game.eV., sondern ist auch im Vorstandsbeirat bei games.nrw sowie im Aufsichtsrat beim IndieGameFest aktiv, um die Gaming-Industrie in Deutschland zu stärken.
Auf welche Schwierigkeiten sind Sie während der Transformation gestoßen?
Kultur, Menschen und Denkweisen spielen bei Transformationen und Veränderungen immer eine wichtige Rolle. Die Werkzeuge und Prozesse sind eher weniger ausschlaggebend. Es ist wichtig, mit den Skills zu planen, die man benötigt, und mit Regularien umgehen zu können, beispielsweise beim Einsatz von External Workforce (EWF) im agilen Konstrukt. Diese umzusetzen, steht teilweise dem Projektziel, dem agilen Ansatz und Einsatz von cross-funktionalen Teams im Weg.
Auch ad-hoc-Themen kommen zwischendurch immer wieder auf. Diese in einem Scrum-Prozess „in-time“ umzusetzen, ohne bestehende Prioritäten zu beeinflussen, ist eine große Herausforderung.
Wie konnten Sie diese Hindernisse überwinden?
Um beim Beispiel EWF zu bleiben: Wir haben gemeinsam mit der verantwortlichen Fachabteilung mittels Aufteilung von Backlog-Ansichten und einer eigenverantwortlichen Aufgabenverteilung in den Teams, die nach dem Pull-Verfahren arbeiten, gelernt, zu agieren.
Außerdem hat die Einführung des agilen Projektmanagement Tools GARD Jira sehr geholfen. Jira ist unser zentraler Ankerpunkt, der den Single Point of Truth geschafft hat – eine gute Möglichkeit, schnell und gemeinsam zu strukturieren und aus unterschiedlichen Bereichen auf ein Ziel hin zu arbeiten. Bei der Etablierung eines Backlogs und der Bugfixing-Prozesse war dies besonders hilfreich.
Welche sichtbaren Erfolge haben Sie mit agilen Methoden erzielt?
Wir konnten die Plattform pünktlich im August 2020 launchen. Als Erfolg werte ich aber auch die funktionierende, klare interne und externe Kommunikation. Dadurch konnten wir verstärkt einen internen Fokus im Programmteam setzen: die Teams haben durch die klare Rollenaufteilung und den definierten Way of Working mehr Eigenverantwortung wahrgenommen.
Dass wir die Priorisierung der Themen in EPICs in Jira abgebildet haben, diente außerdem zu Beginn jedes PIPs als Reminder für das Team, woran wir in der Zukunft arbeiten werden. Übrigens wurden seit dem Launch viele Features fristgerecht abgeliefert, zum Beispiel AndroidTV & FireTV Unterstützung, Platform Achievements, Notifications und ein eigener Shop für den Kauf weiterer Spiele neben der Subscription.
Wie würden Sie das Projekt im Hinblick auf die Arbeitsweise aufziehen, wenn Sie es Morgen noch einmal von vorne beginnen könnten?
Ich würde die strikte Anlehnung an SAFe nicht mehr hinterfragen beziehungsweise diese von Beginn an stringent durchsetzen, da ich mir davon saubere Schnittstellen innerhalb des Programmes verspreche und glaube, dass mit Blick auf den Entwicklungsprozess die Organisation der Entwicklungsteams von Beginn an reibungsloser funktionieren würde.
Außerdem würde ich auf cross-funktionale Teams setzen. Ein gemischtes Skill Set und die Abbildung verschiedener Skill-Profile innerhalb eines Teams, bestehend aus Frontend-Entwicklern, Backend-Entwicklern, Quality Assurance (Testern), Visual Designern, UX Designern, Scrum Master & PO, sind wichtig und entscheidend für das effiziente Funktionieren eines Teams.
Vieles bedarf von vornherein mehr Zeit, beispielsweise die Planung von Kommunikationsstrukturen. Und man darf keine Angst vor dem Trial & Error-Prinzip haben! Im agilen Kontext gehört es meines Erachtens auch dazu, Dinge einfach mal zu machen.
Wenn Sie anderen, die vor einer ähnlichen Herausforderung stehen, einen Tipp geben könnten, welcher wäre das?
„Dinge einfach machen.“ Weniger fragen und abstimmen. Das wird zwar überall propagiert, aber je größer ein Programm wird und je mehr Beachtung es auch von der Umgebung erhält, desto schwieriger wird es, diesen Leitsatz umzusetzen. Daher habe ich mir ein bekanntes Credo stark zu Nutzen gemacht: „Do not ask for permission, ask for forgiveness“. Insbesondere im Vergleich von unserer OpenBeta-Phase zur Launch-Phase fällt auf: In der Beta-Phase wurden viele Themen aufgenommen und umgesetzt – „einfach gemacht“ –, während wir in der Vor-Launch-Phase langsamer wurden, da die Abstimmung und Einordnung im Konzern und mit den beteiligten Segmenten zunahm. Solange es also geht: „einfach machen“.
Wichtig finde ich außerdem, das Stimmungsbild im Programmteam im Blick zu haben. Es gilt, sich Zeit zu nehmen und auf die Probleme einzugehen, um mögliche Brände schnell zu löschen. Denn mit einem konkreten Zeitplan, einer komplexen und neuen Struktur, mit einem Thema, welches erst etabliert werden muss, und dem Leitsatz: „einfach mal machen“ ist eines vorprogrammiert: Man wird es nicht jedem recht machen können. Schlussendlich bin ich aber sehr froh und stolz darauf, in kürzester Zeit nicht nur ein völlig neues Produkt in der vorgegebenen Zeit auf den Markt gebracht zu haben, sondern dabei auch ein extrem engagiertes Team, das sehr leidenschaftlich und fokussiert miteinander an der Sache arbeitet, etabliert zu haben. Trotz Widerstand, neuer virtueller Umgebungen und einigen anderen Einflüssen.
Wenn ich etwas in dieser Zeit gelernt habe, dann ist es das: in einem sich extrem schnell ändernden Umfeld mit stark variierenden Einflüssen und Rahmenparametern und etlichen unvorhergesehenen Problematiken und Risiken Ruhe zu bewahren. Sich nicht beirren zu lassen und Chancen zu ergreifen, um die Dinge, von denen man zutiefst überzeugt ist, weiter bis ins Ziel zu treiben.
MagentaGaming ist das Cloud Gaming der Deutschen Telekom. Über 130 Spiele lassen sich über die MagentaGaming-App spielen, darunter viele beliebte und hochklassige Titel. Leistungsstarke Server in der Cloud streamen die Spiele direkt auf Computer, AndroidTV, Smartphone oder Tablet. So kann jeder auf seinen Geräten spielen und hat die Spiele immer bei sich – ohne neue Hardware wie Gaming-PCs oder Konsolen zu kaufen. Die MagentaGaming-App ist zurzeit für Windows, MacOS, FireTV und Android (inkl. AndroidTV) erhältlich. MagentaGaming kann auch ohne bestehenden Telekom-Vertrag gebucht werden und ist monatlich kündbar.