Führung in reduzierter Arbeitszeit (FIRA) – geht nicht? Geht doch!

FIRA steht für Arbeitszeitmodelle, bei denen die Führungskraft weniger als 100 % Arbeitszeit in der Führungsfunktion arbeitet. Diese Modelle reichen von Teilzeit- über Co-Leitungsmodelle (Doppelspitze) bis hin zu Delegationsmodellen – und werden in der Arbeitswelt immer populärer. Aber welche Aspekte gilt es zu beachten, um FIRA in der praktischen Umsetzung zu einem Erfolg zu machen?

Immer mehr Arbeitnehmende, vor allem unter 40-jährige, wollen in Teilzeit arbeiten. Laut der HDI Berufe-Studie (2022) würde gerne jeder zweite (48 Prozent) Arbeitnehmende in Vollzeit seine Arbeitsstunden reduzieren, wenn der Arbeitgeber dies ermögliche. Die Motive dafür und Bedürfnisse dahinter sind divers: anstehende Rente, mehr Zeit für (Care-Arbeit) in der Familie, mehr Zeit für Zweit-Jobs/Nebentätigkeiten, Hobbys oder Ehrenämter. Neue Führungsmodelle sind für das Recruitment und die Arbeitgeberattraktivität, aber auch für die Personalbindung sowie Personalentwicklung dementsprechend wichtiger denn je. FIRA, Führung in reduzierter Arbeit, ist ein Modell, das den aktuellen Herausforderungen von Organisationen begegnet und es auch Mitarbeitenden mit reduzierter Arbeitszeit ermöglicht, sich für Führungspositionen zu qualifizieren.

Konzept und Modelle  

FIRA bedeutet, dass eine Führungskraft weniger als 100% ihrer Arbeitszeit in der eigentlichen Führungsfunktion arbeitet.Dies kann, muss aber nicht bedeuten, dass die Person in Teilzeit arbeitet. In der freigewordenen Zeit kann sie anderen Tätigkeiten und Aufgaben nachgehen – und das kann ein sowohl temporäres als auch dauerhaftes Modell sein.

Es werden folgende Modelle unterschieden:

  1. Reduktion der Führungsaufgaben: Die Anzahl an Aufgaben wird reduziert, indem z.B. bestimmte Aufgaben oder gesamte Projekte an andere Mitarbeitende bzw. Abteilungen abgegeben werden.
  2. Co-Leadership: Zwei Personen teilen sich im gleichen Machtverhältnis eine Führungsposition. Dafür teilen sie ihre Aufgaben nach bestimmten Kriterien auf und nehmen sich Zeit für Absprachen, um so gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Bei diesem Modell gibt es zahlreiche Arten der Umsetzung.
  3. Verteilte Führung: die Führungskraft delegiert bestimmte Aufgaben an Mitarbeitende, die Machtverhältnisse bleiben aber (ungleich) bestehen.

Es gibt zahlreiche weitere Begriffe, die die Teilung von Führungsaufgaben beschreiben.2

Das Potenzial von FIRA  

FIRA birgt besonders im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie großes Potenzial. Aber auch über dieses offensichtliche Szenario hinaus:

  • So kann FIRA auch im Rahmen einer Hospitation oder beim Einstieg in eine neue Führungsaufgabe als wichtiges Instrument genutzt werden, um Nachwuchstalenten eine Karriereperspektive zu bieten und sie zu fördern.
  • FIRA ist ebenso eine Option zur Entlastung bei besonders herausfordernden Führungspositionen oder einer schrittweisen Wiedereingliederung von Führungskräften nach längerer Krankheitspause.
  • Im höheren Erwerbsalter kann FIRA beim Übergang in den Ruhestand sowohl den Bedarf nach geringerer Arbeitszeit als auch einen Wissenstransfer für die nachfolgende Person sicherstellen.
  • Bei Co-Leitungsmodellen kann durch die Führung im Tandem die Reflexionsfähigkeit, eine der wichtigsten Führungsfähigkeiten, geschult und breiteres Risikomanagement erfolgen. Dadurch erzielt man letztendlich einen verbesserten Umgang mit komplexen Situationen und fördert Innovationen.3 Zudem sind mehr soziale Unterstützung, Feedbackmöglichkeiten und Möglichkeiten der Problembewältigung gegeben.

FIRA erfolgreich umsetzen

Führung in reduzierter Arbeit und die damit verbundenen Umsetzungsmodelle werden immer populärer. Der Weg hin zu dieser Form der Arbeitsorganisation gliedert sich im Normalfall in drei Phasen:

Abb. 1: Drei Phasen der FIRA

 

1. Machbarkeitsprüfung mittels Aufgabenanalyse und -bewertung

Die zentrale Frage am Anfang der Machbarkeitsprüfung lautet: „Kann die Aufgabe XY in FIRA erfolgreich ausgeführt werden?“. Um diese zu beantworten, sollten zunächst alle Aufgaben der Führungsposition bzw. des Bereichs z.B. in Form von Interviews erfasst und dokumentiert werden.

Darauf basierend können dann mit den Beteiligten Szenarien für verschiedene FIRA-Modelle entwickelt werden, wobei für jede einzelne Aufgabe entschieden werden muss, wie man mit ihr umgeht (Aufteilung, Delegation etc.). In dieser Phase ist es wichtig, dass man nicht zu schnell in den Bewertungsmodus verfällt („das klappt doch eh nicht, ist viel zu zeitaufwendig“), sondern sich offen und kreativ auf den Prozess einlässt.

Im letzten Schritt bewerten die Beteiligten dann die erarbeiteten Modelle auf einer dreistufigen Skala hinsichtlich ihrer Machbarkeit.

Die Machbarkeitsprüfung sollte sowohl von der potenziellen FIRA-Führungskraft, als auch deren Mitarbeitenden und Vorgesetzten durchgeführt werden. Dadurch entsteht ein differenzierteres und aufgabenspezifischeres Bild der Machbarkeit und möglicher Widerstände („Teilzeit auf dieser Position? Niemals!“) können konstruktiv ausgeräumt werden. Die Position samt ihrer konkreten Aufgaben muss dabei klar im Vordergrund stehen.

2. Feinplanung und Vorbereitung der Umsetzung

Die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für die konkrete Umsetzung sind vielfältig, genauso wie die vielen Aspekte, die dabei beachtet werden sollten.4 Ein klares Erwartungsmanagement bzgl. der Umsetzung ist besonders zu Anfang einer der wichtigsten Faktoren, um eine FIRA-Umsetzung auf den richtigen Weg zu bringen.  Dieses sollte unmissverständlich klarmachen: FIRA ist nicht gleichbedeutend mit einem „Karriere-Knick“. Führung in reduzierter Arbeit impliziert auch nicht, dass alle Führungsaufgaben einfach schneller erledigt werden müssen. Vielmehr zielt FIRA darauf ab, dass Führungsaufgaben anhand klar definierter Absprachen hinsichtlich ihres Umfangs und der zur Bewältigung notwendigen Führungskonstellation in reduzierter Arbeitszeit wahrgenommen werden können.

Erfolgreiche Umsetzungsmodelle sollten zudem kommunikativ begleitet werden, um die Chancen des Modells zu vermitteln, Rollenvorbilder zu etablieren und eine FIRA-offene Organisationskultur zu etablieren.5 Dazu gehört auch das Einholen des Commitments von der Geschäftsleitung zum FIRA-Modell.

Wenn man die Aufgabenebene betrachtet, sind bei einer Co-Leitung regelmäßige Absprachen sowie Transparenz zu An-/Abwesenheiten sowie regelmäßige Abstimmungstermine empfehlenswert. Bei Delegationsmodellen können fachliche Aufgaben besonders einfach delegiert werden, während personale Führungsaufgaben (wie z.B. Ziele vereinbaren) wenn möglich nicht delegiert werden sollten.6 Standardaufgaben (z.B. Administrative Personalleitung) können besser zwischen den Co-Leitenden geteilt werden, wohingegen komplexe und kritische Prozesse (z.B. Projektleitungen, wichtige Team-/Abteilungstreffen) gemeinsam begleitet werden sollten.

Wenn man die Personenebene betrachtet, zeigt sich, dass vielfältige Faktoren zum Verhalten und zu Eigenschaften der Führungskraft den Erfolg beeinflussen können – genauso wie bei „klassischer Führung“ auch. Wichtig sind vor allem Selbstführung,7 Selbstreflexion sowie Empowerment der Mitarbeitenden,8 aber auch die Trennung von Privat- und Berufsleben, hohes Arbeitsengagement und Leistung sowie Führungserfahrung. Hoher Egoismus wirkt sich - nicht überraschend – eher negativ aus.9

Bei der Suche nach einer Person, die Teil einer FIRA Co-Leitungsumsetzung werden soll, sollte neben der fachlichen Qualifikation vor allem darauf geachtet werden, dass die Person teamfähig, offen und loyal ist sowie Unsicherheiten gut aushalten kann. Ideale FIRA-Partner haben schon einmal in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet.

Abteilungen, die flexibel und offen gegenüber Veränderungen und Innovationen sind, lassen sich am besten in geteilter Führung leiten. Sollen zwei Verantwortungsbereiche in reduzierter Arbeit geführt werden, ist es von Vorteil, wenn diese sich inhaltlich ähneln und die Führungsrollen sich nicht widersprechen.

3. Umsetzung, Evaluation und Optimierung

Für eine langfristig erfolgreiche Umsetzung des FIRA-Modells ist eine kontinuierliche Evaluation unerlässlich. So können Probleme erkannt und das Konzept immer wieder angepasst und verbessert werden. Als Methode hierzu empfiehlt sich die Retrospektive aus dem agilen Arbeiten, die einmal im Monat durchgeführt werden sollte. Zudem sind festgelegte Kriterien zur Bewertung des Erfolgs des FIRA-Modells nützlich.

Benefits für Organisationen wie Arbeitnehmende

Organisationen stehen heutzutage vor zahlreichen Herausforderungen: Demografischer Wandel, Fach- und Führungskräftemangel, die verschiedenen Ansprüche der Generationen X bis Z, Fragen der Work-Life-Balance, die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle, Purpose, Mental Health. Die Anforderungen von Arbeitnehmenden müssen stetig mit denen von Organisationen in Einklang gebracht werden. FIRA-Modelle können dabei unterstützen, dieses Gleichgewicht zu erreichen, was sich nicht nur positiv auf die Arbeitgeberattraktivität auswirken würde, sondern auch Ansätze für Personalbindung und Personalentwicklung in allen Lebensphasen liefern könnte. Letztendlich werden so nicht nur gesellschaftspolitischen Belangen Rechnung getragen, sondern auch den finanziellen Interessen von Organisationen.

Der vorliegende Beitrag liefert einen ersten Überblick zum Thema FIRA. Einen vertiefenden Einblick bieten Ellwart, T., Russell, Y., Blanke, K. (2023). Führung in reduzierter Arbeitszeit (FIRA) – Co-Leitung, Teilzeitmodelle und Delegation von Führungsaufgaben. In: Felfe, J., van Dick, R. (eds) Handbuch Mitarbeiterführung. Springer Reference Psychologie . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55213-7_44-2

So möchten wir gerne auch auf die aktuelle Version des Handbuchs Mitarbeiterführung aufmerksam machen, in dem man wirtschaftspsychologisches Praxiswissen für Fach- und Führungskräfte findet.

 

Quellen: 

1. Moldzio, T., Ellwart, T., Hofer, A., Burkhart, E. M., Endres, E. C., Henn, S., Kaup, S., Merz, S., & Rynek, M. (2016). Führen in reduzierter Arbeitszeit: Chancen und Risiken für die Personalarbeit der Zukunft. Wirtschaftspsychologie aktuell. Zeitschrift für Personalmanagement,1, 13–16.

2. Ellwart, T., Russell, Y., Blanke, K. (2023). Führung in reduzierter Arbeitszeit (FIRA) – Co-Leitung, Teilzeitmodelle und Delegation von Führungsaufgaben. In: Felfe, J., van Dick, R. (eds) Handbuch Mitarbeiterführung. Springer Reference Psychologie . Springer, Berlin, Heidelberg.

3. Ellwart, T. (2019). Altersdiversität in Teams – (K)ein Erfolgsfaktor? [Age diversity in teams – A factor of success?]. In A. Beinicke & T. Bipp (Hrsg.), Strategische Personalentwicklung. Meet the Expert: Wissen aus erster Hand (S. 21–41). Springer.

4. Ellwart, T., Hofer, A., & Moldzio, T. (2016a). Führung in reduzierter Arbeitszeit: Gesellschaftspolitisch erwünscht oder praktisch begrenzt? Gleichstellung in der Praxis, 12(3), 15–19.

5. Bessing, N., Gärtner, M., & Schiederig, K. (2017). Reduzierte Arbeitszeit in Führungspositionen: Empirische Befunde und Erfolgsfaktoren in der 360-Grad-Perspektive. In A. Karlshaus & B. Kaehler (Hrsg.), Teilzeitführung. Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Organisationen (S. 83–100). Springer Gabler.

6. Köster, G. (2017). Persönliche Kompetenzen und unterstützende Rahmenbedingungen für eine gelungene Teilzeitführung. In A. Karlshaus & B. Kaehler (Hrsg.), Teilzeitführung. Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten Organisationen (S. 127–140). Springer Gabler.

7. Bessing et al. (2017)

8. Köster (2017)

9. Werther, S., & Brodbeck, F. (2014). Geteilte Führung als Führungsmodell: Merkmale erfolgreicher Führungskräfte. Personal Quarterly, 1(66), 22–27.