Die Telekommunikationsbranche ist hart umkämpft. Als internationales Unternehmen steht die Deutsche Telekom vor der vielseitigen Herausforderung, sich den jeweiligen Märkten anzupassen und gleichzeitig eine umfassend erfolgreiche Strategie zu verfolgen. Wie die Deutsche Telekom dies durch konstante Innovationen erreicht und sich dabei stetig weiterentwickelt, erklärt Thomas Weiler, Vice President Innovation Strategy der DTAG.
Mit der Ankündigung Amazons, Prime-Kund*innen künftig Mobilfunktarife anzubieten, brachen mehrere Aktien und besonders die der DTAG ein. Was war der Grund und wie kann sich das Unternehmen zukünftig schützen?
Grundsätzlich antizipieren wir als Industrie schon lange, dass solche Deals zustande kommen. Dennoch überraschte uns der scharfe Ausschlag bei den Investoren. Dieser verdeutlicht zudem unsere Abhängigkeit von T-Mobile US. Um auf derartige Entwicklungen vorbereitet zu sein, sind Innovationen von zentraler Bedeutung. Das bedeutet allerdings nicht, auf Gedeih und Verderb den Status quo, sprich unsere heutigen Kontrollpunkte zu verteidigen – insbesondere nicht gegen die Interessen unserer Kund*innen. Wenn es beispielsweise irgendwann bequemer ist, Tarife über einen Drittanbieter abzuschließen, sollten wir das annehmen und als Chance für andere Formen der Distribution sehen.
Dennoch wollen wir vermeiden, ein Utility Geschäft mit niedriger Marge zu werden, mit dem Kund*innen nur dann interagieren, wenn etwas nicht funktioniert. Um uns von anderen Telcos abzugrenzen, entwickeln wir Experiences, die Spaß machen und Services, die auf Konnektivität aufsetzen, aber nicht nur als deren Feature wahrgenommen werden. Denn wir gehen davon aus, dass uns Konnektivität in Zukunft umgibt wie Sauerstoff.
Welche Rolle übernehmen Innovationen in einer Wachstumsstrategie, wenn T-Mobile US ein klarer Fokus auf ihr Kerngeschäft ausreicht, um zu wachsen? Kann ein zu großer Fokus auf Innovationen sogar schaden?
Im Vergleich zur DT ist T-Mobile US noch im Entwicklungsstadium. Durch die spezielle Marktsituation der USA ist sie in einer Angreiferposition gestartet und konnte schnell wachsen. Dementsprechend war es notwendig und richtig, den Fokus anders zu setzen. Innovationen fanden im ersten Schritt besonders in den Bereichen Service, Prozesse und Marketing statt und weniger auf der Produktseite. Ich gehe aber davon aus, dass sich das in Zukunft ändern wird, zum Beispiel im Bereich Fixed Wireless Access.
Durch den unterschiedlichen Fokus von T-Mobile US und DT können wir optimal voneinander profitieren. Das T-Phone, welches wir in Europa gelauncht haben, basiert beispielsweise auf einem Produkt sowie den zugehörigen Skalenvorteilen der T-Mobile US. Im Gegenzug stellen wir den Kolleg*innen unsere Erfahrungen rund um eine konvergente Home Experience zur Verfügung, konkret im Rahmen unseres „RouterOS“ Programms, in welchem wir unsere Entwicklungskapazitäten für Home Gateways bündeln.
Aus meiner Sicht können Innovationen nicht wirklich überbetont werden, aber man kann natürlich falsch investieren. Die Telco-Industrie hat in der letzten Dekade in Summe bestimmt mehr falsch als richtig investiert. Insbesondere MNO-übergreifende Initiativen wie „Joyn“ erwiesen sich als totales Desaster. Es wäre aber traurig, wenn das Innovation als Ganzes diskreditieren würde, denn eine Industrie, die stoppt, auf der Kundenseite zu innovieren, hat sich aufgegeben.
Welche Innovationsstrategie könnte die Telekom wählen, um zu wachsen? Durch klaren Fokus auf das Kerngeschäft, ähnlich wie die T-Mobile US, durch Fokus auf ein konkreten Wachstumsbereich, wie Telus oder durch Fokus auf strategische Investments, wie Softbank?
Eine Innovationsstrategie ist immer von dem spezifischen Kontext des Unternehmens abhängig – So auch bei den genannten Beispielen. Softbank ist in erster Linie ein Investmenthaus, das nebenbei Telco fungiert. Das kanadische Unternehmen Telus hat beständig eine lokale Market Opportunity identifiziert und mit organischen und anorganischen Maßnahmen über viele Jahre hinweg vorangetrieben. Der Erfolg ist demnach eine Summe verschiedener strategischer Entscheidungen, aber natürlich auch ein bisschen Glück.
Die individuelle Position der DT ergibt sich unter anderem aus unseren strategischen Stärken, unserem Footprint, sowie unserem Investmentprofil. Dementsprechend kopieren wir auch nicht einen archetypischen Ansatz, sondern haben unsere eigene klare Innovationsstrategie, entlang unserer kompletten Wertschöpfungskette. Durch Investitionen in Infrastruktur, Innovationen im Bereich Netze, Produkte, Service und neue Geschäftsmodelle, umgesetzt durch ein hohes Maß an eigener Entwicklung sowie mit Partnern.
Werden aus deiner Sicht die Investitionen der Deutschen Telekom in Innovationen durch den Kapitalmarkt angemessen wertgeschätzt?
Für unsere Investoren sind wir eher Dividend Stock als Growth Stock. Gerade im Bereich der Produktinnovationen kann man – ganz ohne Zynismus – vermuten, dass unsere Investoren vorwiegend keine wilden sprich kostenintensiven und risikoreichen Abenteuer sehen wollen. Umgekehrt haben wir aber die Chance, positiv zu überraschen, wenn es uns gelingt, nachhaltig neue Produktkategorien und Revenue-Ströme zu erschließen. Dazu sollten wir als Branche aber aufhören, uns in großen Ankündigungen zu üben, und die Energie stattdessen ganz bescheiden in Entwicklung und Business Development investieren.
Wie geht die Deutsche Telekom mit den aktuellen Entwicklungen rund um das Thema AI um?
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass AI einen Einfluss auf jede Form von Tätigkeit haben wird. Schon jetzt nutzen wir sie breit im Konzern und in Zukunft bietet die Technologie viele Chancen entlang der kompletten Wertschöpfungskette. Dafür bauen wir aktuell aus dem Produktbereich heraus ein konzernweites Kompetenzzentrum auf, unser AICC. Hier bündeln wir Expert*innen, um die raren Skills optimal zu hebeln. Das AICC ist dabei nicht nur ein Programm, welches priorisierte AI-Lösungen und Use Cases entwickelt, sondern für alle Funktionsbereiche eine Enabling- und Advisory-Rolle einnimmt. Langfristig wollen wir alle Mitarbeitende befähigen, mit den neuesten Technologien zu arbeiten und Innovationen in ihrem Feld voranzubringen. Um mit der Geschwindigkeit in diesem, aber auch in anderen Feldern mitzuhalten, ist es allerdings nicht ausreichend, lineare Prozesse zu beschleunigen. Vielmehr müssen wir netzwerkartige, dezentrale Strukturen aufbauen, denn wahre Innovationen entsteht oft ungeplant an der Intersektion ganz unterschiedlicher Entwicklungen.
Trotz überzeugender Ideen und technischer Umsetzbarkeit, scheitern Innovationen oftmals an der Skalierung. Was ist die Ursache für dieses Phänomen, besonders im Kontext von großen Unternehmen?
Innovation besteht für mich zu gleichen Teilen aus Invention und Implementation. In innovativen Teams wird es immer jene Menschen geben, die brillante Ideen haben und andere, die gut darin sind, anderen diese Ideen nahezubringen und zu verkaufen. Auf Seiten der Implementierung stehen typischerweise Funktionen wie Marketing, Vertrieb und Service. Diese sind aber oft anders gesteuert – Sie optimieren Bestehendes mittels etablierter Prozesse und besitzen andere Ziele, Risikobereitschaften, Incentives und Kulturen. Dadurch wird es schwer, neue Ideen an die Kunden zu bringen. Deshalb müssen sich große Unternehmen wie die Deutsche Telekom mit speziellen Tools behelfen, gewissermaßen, um ihr eigenes Betriebssystem zu hacken. Zum Beispiel durch kleinere Einheiten und Teams, die Rapid Opportunity Validation betreiben können, um Ideen schnell am Markt zu testen. Durch VC-ähnliche Founding-Prozesse, die abseits der offiziellen Planung pragmatisch Kapital für neue Ideen bereitstellt. Oder durch externe Venture Builder, um bewusst Modelle mit anderem Risikoprofil außerhalb des Konzerns zu testen.
Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten!