Wege zur Digitalstrategie im Krankenhaus

Über das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) fördert das Bundesamt für Soziale Sicherung Krankenhäuser deutschlandweit bei der Digitalisierung. Seit die Frist zur Beantragung der dazu verwendeten Fördermittel Ende 2021 auslief, zeigen sich nun erste Umsetzungserfolge, so wie an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln. Im Interview mit Detecon-Experten Matthias Hemmes und Benedikt Thießen erklärt Chief Digital Officer Daniela Aufermann, wie die Digitalisierung in ihrem Haus vorangetrieben wurde und welche zentrale Rolle dabei strategische Fragen gespielt haben.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die größten Herausforderungen im Krankenhausumfeld und wie hilft Digitalisierung dabei?

Die größten Herausforderungen sind mit Sicherheit die steigenden Energiekosten und der Fachkräftemangel, der durch die rentennahen Babyboomer-Jahrgänge noch verstärkt wird. Da ein Krankenhaus ein personalintensives Dienstleistungsunternehmen ist, kann die Digitalisierung dabei helfen, den enormen Kostenfaktor Personal handhabbar zu machen, was teilweise aber ebenfalls Investitionen notwendig macht. Prozesse können beispielsweise durch Technologien unterstützt und der Personaleinsatz somit effizienter gestaltet werden – wodurch wiederum mehr Zeit für unser eigentliches Kerngeschäft bleibt, die Menschen.

Wie ist der Stand aktueller KHZG-Projekte in Ihrem Haus?

Wir setzen in der Vestischen Caritas-Klinken GmbH insgesamt vier der im KHZG berücksichtigten sanktionsbehaftete Fördertatbestände um; für drei davon erhalten wir Fördermittel, der fünfte ist bereits umgesetzt.1 Darunter fällt in erster Linie Fördertatbestand 2, das sogenannte Patient:innenportal, welches uns ermöglicht, uns als Organisation zu präsentieren und die Patient:innen aktiv in die Gestaltung ihre Behandlung einzubeziehen. Fördertatbestand 3, die digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, ist teilweise schon umgesetzt. Das Entscheidungsunterstützungssystem aus Fördertatbestand 4 ist beantragt und auch ein Patient:innendatenmanagementsystem (PDMS) wurde bereits eingeführt. Im Kinderbereich planen wir die Einführung eines weiteren PDM-Systems. Besonders wichtig für uns ist jedoch Fördertatbestand 10, die IT-Sicherheit. Dieser ermöglicht uns die Modernisierung und den Ausbau der Netzwerkinfrastruktur, einschließlich Server und Switches, um einen hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten.

Die Umsetzung dieser Fördertatbestände ist eng mit Digitalisierungsthemen verbunden, die ein strategisches Herangehen erfordern. Wie sind Sie in Ihrem Unternehmen diesbezüglich vorgegangen?

Wir haben eine Digitalstrategie entwickelt, die drei große Handlungsfelder umfasst: erstens den klinischen Bereich, also alle klinischen Prozesse zur Verbesserung der Versorgung und Entlastung der Mitarbeitenden. Des Weiteren die Digitalisierung der Verwaltung. Dort ging es vor allem um die Einführung digitaler Prozesse zur Steigerung der Effizienz und Qualität, zur Senkung der Kosten und zur Entlastung der Mitarbeitenden. Nicht zuletzt der Bereich Technologie, konkret die Planung und Modernisierung der technischen Infrastruktur in puncto Hard- und Software für Mitarbeitende und Patient:innen.

Wie haben Sie Ihre Digitalstrategie entwickelt und welche Stakeholder waren involviert?

Wir haben uns zunächst am übergreifenden Leitbild der Vestischen Caritas-Kliniken, den Vorgaben der KHZG-Förderungen, der Medizinstrategie sowie Strategien anderer Wettbewerber orientiert. Zudem haben wir aus der eigenen Unternehmensstrategie Rahmenbedingungen abgeleitet und Gespräche über die zukünftige Entwicklung der Klinik mit relevanten Stakeholdern in unserem Haus geführt – von Geschäftsführung über Chefärzt*innen bis IT.

Ausgehend davon haben wir notwendige Projekte identifiziert, nach Dringlichkeit und Wichtigkeit priorisiert und in eine logische Reihenfolge gebracht. Daraus ist dann unsere Digitalstrategie hervorgegangen. Sie legt die zukünftige strategische Ausrichtung des Hauses im Detail dar samt einem detaillierten Fahrplan zur Umsetzung, der besonderes Augenmerk auf Projekt- und Wissensmanagement, Change-Management und Mitarbeitenden-Kommunikation legt.

Im Mittelpunkt standen dabei Mitarbeitende und Patient:innen. Denn gerade der Mensch wurde in der Vergangenheit häufig vernachlässigt und ein zu einseitiger Fokus auf den Versorgungsauftrag und die zugehörige Abrechnung gelegt.

Ich höre heraus, dass das Thema Kultur bei Ihren Bestrebungen keine zu vernachlässigende Rolle gespielt hat?

Tatsächlich war Kulturveränderung – und ist es nach wie vor – ein wichtiges Thema, das in viele Bereiche hereingespielt hat.

Besonders in kleineren Krankenhäusern haben viele Mitarbeitende, die in den 80er- oder 90er-Jahren ausgebildet wurden, wenig Erfahrung im Umgang mit Technologie und arbeiten noch weitgehend analog. Daher legen wir großen Wert auf Kommunikation, Informationsverbreitung und Wissensmanagement. Wir bieten darum Schulungen zum Umgang mit Technologie an, um den Mitarbeitenden ein Verständnis für die tägliche Arbeit in einem stark technologisierten Umfeld zu vermitteln.

Inwiefern interagiert die Digitalstrategie mit anderen strategischen Ausrichtungen, wie beispielsweise der Medizinstrategie, der Datenstrategie oder der übergeordneten Unternehmensstrategie?

Die Unternehmensstrategie muss natürlich das Leitbild für alle Digitalisierungsbemühungen sein. Die Medizinstrategie sollte immer in Hinblick auf den Versorgungsauftrag einbezogen werden. Beide Strategien sind in der Hinsicht ganz klar richtungsweisend, während andere Strategien, wie z.B. IT- und Datenstrategie, eher darauf einzahlen.

An der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln haben wir keine dedizierte, verschriftlichte Medizinstrategie. Sollte in Zukunft etwa ein neues Handlungsfeld im Krankenhaus angeboten werden, wie z.B. Chirurgie, müsste die Digitalstrategie dort greifen. Sie müsste aufzeigen, wie ein solches Handlungsfeld von der Digitalisierung profitieren kann. Darüber hinaus verfügen wir nur über eine grobe IT-Strategie, welche ebenfalls Teil unserer Digitalstrategie ist. Die Datenstrategie ist bislang nur in Form von Eckpunkten in der IT-Strategie berücksichtigt.

Wie würden Sie abschließend zusammenfassen, welche Ziele und Funktionen eine Digitalisierungsstrategie idealerweise erfüllen sollte?

Die Digitalisierungsstrategie ist immer eine Teilstrategie der Unternehmensstrategie und sollte immer die Patient:innenbedürfnisse im Blick haben und auf die Anwendenden eingehen. Generell sollten die Menschen, ob Mitarbeitende oder Patient:innen in all unseren Strategien mehr Berücksichtigung finden, vor allem in der Digitalisierung und der IT. Gerade in der IT wurde der Mensch in der Vergangenheit häufig vergessen. Bisher war hier der primäre Fokus meist nur auf dem Versorgungsauftrag und der zugehörigen Abrechnung. Das sollte sich ändern.

Daniela Aufermann ist derzeit als Chief Digital Officer (CDO) an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik tätig und verfügt über umfassende Erfahrung in der Leitung von IT- und Organisationsprojekten im Gesundheitswesen sowie der Digitalisierung von Krankenhäusern. Sie studierte Medizinische Informatik und Biomedizinisches Management und Marketing. Zusätzlich leitet sie ehrenamtlich den Bereich "Digitalisierung und Prozessentwicklung im Krankenhaus im Verein Purpose:Health e.V.