Fachkräftemangel ist im Gesundheitswesen zunehmend ein Problem, welches durch die Corona-Pandemie noch verschärft wurde. Wie kann die Arbeit für Fachkräfte attraktiver gestaltet werden und was hat New Work damit zu tun? Diese Fragen beantwortet unsere Expertin Dharshana Sellappah, Senior Consultant bei Detecon, im Interview.
Wie viele andere Branchen erlebt auch das Gesundheitswesen derzeit einen Fachkräftemangel. Was können Unternehmen tun, um dieser Herausforderung zu begegnen?
Erst einmal muss man sehen, dass abhängig von der Branche externe Faktoren, wie das Ausbildungssystem oder gesetzliche Auflagen, existieren. Diese sind gegeben und können von uns nicht geändert werden. Wichtig ist dann zu erkennen, welche Hebel die Unternehmen selbst in der Hand haben und nutzen können. Proaktive Unternehmen investieren beispielsweise in die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität.
Wie kann das konkret aussehen, wenn ein Unternehmen die Attraktivität für Mitarbeitende stärken möchte?
Auf der Hand liegt natürlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen – ich denke hier an das Gehaltssystem, flexible Arbeitsmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Investition in Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien bieten Chancen, welche man nutzen muss. So kann beispielsweise die Automatisierung von Routinearbeiten Raum schaffen für spannendere Aufgaben und Arbeitsabläufe effizienter machen. Auch die Wirkung von einem attraktiven Arbeitsklima – z. B. in Form von ansprechenden Räumlichkeiten für die Mitarbeitenden, wo sie sich erholen und verpflegen können – ist nicht zu unterschätzen. Hier empfehle ich einen ganzheitlichen New Work-Ansatz, um Synergien zu nutzen und so eine nachhaltige und kostenoptimale Lösung umzusetzen.
Was verstehst du unter einem ganzheitlichen New Work-Ansatz?
Er etabliert neue Arbeitswelten und -weisen entlang der vier gleichwertig zu betrachtenden Dimensionen People, Places, Principles & Regulations sowie Tools. Dabei ist die konkrete Umsetzung immer in Bezug auf die jeweiligen Gegebenheiten zu planen. So können beispielsweise vorhandene Rahmenbedingungen in der Dimension Places die Gestaltungsmöglichkeiten limitieren, dafür sind aber vielleicht mehr Optimierungen im Bereich Tools möglich. Hier gilt es immer die konkrete Situation vor Ort zu betrachten und dabei den Faktor Mensch stets im Fokus zu behalten.
Und was heißt das konkret für Krankenhäuser?
Natürlich setzen Sicherheits- oder Datenschutzaspekte der Kreativität und Flexibilität im Fall von Krankenhäusern gewisse Grenzen. Hygienevorschriften beispielsweise können Raumkonzepte einschränken. Aber dennoch: Erfolgreiche und in anderen Branchen erprobte Methoden lassen sich im Gesundheitswesen sinnvoll adaptieren.
Das Gesundheitswesen ist eine sehr wichtige Branche mit einem großen Nutzen für die Gesellschaft. Aber betrachten wir die Arbeitsbedingungen und die Außenwirkung, erkennen wir rasch Optimierungspotential. Um dem angesprochenen großen Problem des Gesundheitswesens, dem Fachkräftemangel, zu begegnen, muss man schon bei den Themen Employer Branding und Recruiting ansetzen und die New Work-Aktivitäten für die raren Fachkräfte sichtbar machen.
Wie könnte eine New Work-Arbeitsumgebung in Kliniken aussehen?
Bei ärztlichem Fachpersonal und Pflegekräften ist es schwieriger, New Work Methoden umzusetzen – wie in der vorangegangenen Frage angedeutet. Hier sind vor allem neue Konzepte gefordert. Dafür ist spannend, den Tagesablauf verschiedener Berufsgruppen – analog einer Employee Journey – zu beleuchten, um spezifische Pain Points und Optimierungspotential abzuleiten. Schon kleine Maßnahmen können große Wirkung erzielen. So zum Beispiel die Digitalisierung von Prozessen, wie der Dienstplanung. Zudem ist eine solche Analyse solide Grundlage für ein ganzheitliches New Work-Konzept.
New Work könnte im gesamten Krankenhaus abteilungsspezifisch adaptiert eingesetzt werden und Activity Based Working (WAS getan wird (Aktivität), bestimmt WO (idealer Arbeitsort) und WIE (optimales Format)) fördern. Wir haben bisher vor allem über das medizinische Personal gesprochen. Natürlich ist die Verwaltung aber auch ein großer und wichtiger Teil eines Krankenhauses. Durch die Gestaltung einer optimalen Arbeitsumgebung und Arbeitsweise für jede Tätigkeit ihres Berufsalltags erhalten die Mitarbeitenden einen gesundheitsfördernden und motivierenden Arbeitsplatz, an dem sie sich gerne aufhalten und gute Ergebnisse für das Unternehmen erzielen.
Vielen Dank für das Interview!