Das KHZG: Digitalisierungserdbeben für die deutsche Kliniklandschaft

Die Krankenhäuser in Deutschland haben einen ungenügenden Digitalisierungsgrad. Im Vergleich zu europäischen Ländern ist der Reifegrad der Digitalisierung im gesamten Gesundheitssektor sehr gering. Nach dem Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) erreicht Deutschland einen Wert von 2,3 – im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 3,6 (Stand 2019). Kann das KHZG hier Anschubhilfe leisten?

Um der fehlenden Digitalisierung entgegenzuwirken, hat Deutschland am 28.10.2020 das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) erlassen. Ein Investitionsprogramm, das für eine moderne Ausstattung und digitalisierte Prozesse in den Krankenhäusern sorgen soll.

Kernkennzahlen zum KHZG

Das Investitionsprogramm beinhaltet von Bund und Ländern vordefinierte Modernisierungsmaßnahmen, welche sich auf elf Fördertatbestände beziehen (siehe Abbildung 1).

In den jeweiligen Fördertatbeständen sind sowohl Muss- als auch Kann-Kriterien definiert, die es nach der Krankenhausstrukturfondsverordnung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHSFV) einzuhalten gilt. Für das Investitionsvorhaben wurde eine Summe in Höhe von drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die nach dem Königsteiner Schlüssel (unter Berücksichtigung des Steueraufkommens und der Bevölkerungszahl) an die jeweiligen Bundesländer aufgeteilt wird. Zusätzlich sind 1,3 Milliarden Euro von den Krankenhäusern und/oder aus Landesmitteln zu den Umsetzungsvorhaben beizusteuern.

Die Mittelvergabe erfolgt nach dem „First come, First serve“-Prinzip. Aus diesem Grund müssen die Fördermittel so schnell wie möglich beantragt werden. Zusätzlich wurde beschlossen, dass sich mindestens 15 % jeder Einzelförderung auf Maßnahmen zur Stärkung der IT-Sicherheit beziehen muss.

Abbildung 1: Fördertatbestände des KHZG

Stellt ein Krankenhaus nicht sämtliche in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 6 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung aufgezählten digitalen Dienste bereit, gilt ab dem 01. Januar 2025 ein Abschlag in Höhe von bis zu zwei Prozent für jeden voll- und teilstationären Fall, unabhängig davon, ob Fördergelder in Anspruch genommen wurden oder nicht.

Den KHZG-Fördertopf richtig verwenden

Alle Bundesländer hatten unterschiedliche Fristen bei der Einreichung der Bedarfe. Die frühesten Termine waren bereits für Ende Januar 2021 angesetzt. Dadurch ist in den meisten Bundesländern die Frist für die Einreichung der Bedarfsanmeldung frühzeitig abgelaufen.

Bis spätestens Ende 2021 müssen alle Förderanträge bei den zuständigen Ämtern eingegangen und bis Ende 2023 umgesetzt sein. Für Krankenhäuser, die anvisierte Projekte nicht bis zu diesem Zeitpunkt beendet haben, droht eine Strafe von zwei Prozent pro voll- und teilstationären Fall.

Eine schnelle Reaktion der Krankenhäuser war hier unabdingbar. Mittlerweile haben die ersten Krankenhäuser Fördermittel erhalten und mit der Umsetzung ihrer Digitalisierungsprojekte begonnen.

Abbildung 2: Der Zeitplan des Krankenhauszukunftsgesetzes (eigene Darstellung in Anlehnung an BAS)

Die Sicht der Krankenhäuser zum KHZG

Detecon hat einige Häuser bei der Ausschreibung und Projektplanung begleitet. Daraus entstand eine Interviewreihe mit mehreren Krankenhäusern aus unterschiedlichen Bundesländern und spannenden Sichtweisen auf die Herausforderungen und Chancen des KHZGs. (Rheinland-PfalzNRW und Hessen)

Eins ist klar: Auch wenn der Ansatz in die richtige Richtung geht, hätte das Gesamtverfahren vorab besser durchdacht werden können. Das KHZG sieht zwar einen bundesweiten Fördertopf vor, aber die Fördervorgaben («Spielregeln») wurden von jedem Bundesland eigenständig gesteckt. Das machte die Beantragung für manche Häuser komplexer und kurzfristiger als für andere. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser viele Fragen rund um die Beantragung hatten und die Besorgnis, der Fülle an Vorgaben nicht zu genügen.

Durch das KHZG wurde den Krankenhäusern allerdings unmissverständlich der Mangel an Digitalisierung bewusst, weshalb sie sich über die geschaffene Finanzierungsmöglichkeit und die Vorgabe von Förderbereichen (siehe Abb. 1) gefreut haben. Ohne diese würden viele Krankenhäuser den Ball nur schwer ins Rollen bekommen. Der Nachholbedarf wird bundesweit angegangen, um Deutschland somit flächendeckend zu stärken – ein lobenswerter Ansatz.

Hoffnungen für den deutschen EMRAM-Benchmark

Mit dem KHZG hat Deutschland den ersten Schritt gemacht, die lang verschlafene Digitalisierung von Krankenhäusern bundesweit voranzutreiben. Zuträglich ist ebenfalls der EMRAM-Score (Electronic Medical Records Adoption Model), deren Überprüfung sich von ca. 2.000 deutschen Krankenhäusern aktuell weniger als zehn Prozent unterzogen haben (Quelle: Krankenhaus-Report 2019).

EMRAM (Electronic Medical Records Adoption Model) misst den Digitalisierungsgrad der Krankenhäuser weltweit und ordnet sie zwischen den Werten Null und sieben ein (0 = keine Digitalisierung; 7 = papierloses Krankenhaus) (Quelle: Krankenhaus-Report 2019).

Für die Zukunft sollten alle Anträge aus dem Fördertopf bedient werden und die Vorhaben der Krankenhäuser gelingen. Wir erhoffen uns, dass es künftig weitere Förderungen gibt, damit die Krankenhäuser nach erfolgreicher Implementierung das Digitalisierungsvorhaben weiter finanzieren können.

Nur so kann der Digitalisierungsgrad deutscher Krankenhäuser nachhaltig angehoben werden, damit es mindestens dem europäischen EMRAM-Standard entspricht. Da der EMRAM-Score hierbei als deutschlandweite Basis den Krankenhäusern an die Hand gegeben wird, sollte dieser auch dementsprechend im Mittel künftig steigen.