Wie kann ein Unternehmen verschiedene Unternehmensteile zentral organisieren? Und wie erreicht es dabei eine Harmonisierung diverser Prozesse? Unser Interviewpartner ist Dieter Bollenbach, Head of „Deal & Process Excellence“ und Leiter des Strategischen Prozessmanagements bei der Deutschen Telekom. Er ist im Cross Function Bereich „Planung & Steuerung“ der Deutschen Telekom Geschäftskunden tätig und unter anderem verantwortlich für das strategische Prozessmanagement. Er gibt uns einen Einblick in die Arbeitsweise des B2B Powerhouses.
Was waren die Herausforderungen vor der Einführung des strategischen Prozessmanagements der Deutschen Telecom?
Das B2B Powerhouse entstand aus der Zusammenlegung einzelner Unternehmensteile der T-Systems International und des Geschäftskundenbereichs der Telekom Deutschland. Also auf früher zurückgeblickt – Zu dem klassischen Geschäftskunden des Telekommunikationsbereichs ist der Mobilfunkbereich hinzugekommen und 2020 die Telekommunikations-Anteile von der T-Systems. Somit hatten wir viele verschiedene Prozesswege und ein unterschiedliches Prozessmanagement in den einzelnen Unternehmensteilen.
Es gab kein zentrales Prozessmanagement. Das wurde in den vorausgegangenen Jahren in der Telekom dezentralisiert und in die Fachabteilungen integriert, um mehr Agilität zu erreichen. Damit bestand aber nach oben hin eine gewisse Lücke – es gab kein übergreifendes und damit kein strategisches Prozessmanagement. Jeder Fachbereich war hier eigenverantwortlich für die Prozesse zuständig und keiner bildete die Klammer. Die Herausforderung war, sozusagen auf der grünen Wiese ein strategisches Prozessmanagement aufzubauen.
Was waren die konkreten Ambitionen für das strategische Prozessmanagement als Unternehmenseinheit?
Wir haben ein integriertes Management-System, das die generelle Zusammenarbeit regelt. Es gab aber keine Leitplanken für Prozesse und damit fehlte eine übergeordnete Instanz, die auf Highlevel-Ebene Prozesse definiert und etabliert. Das stellte auch das ISO-Audit in einer ihrer Rezertifizierungen fest. Unsere Ambition war daher, die Maßnahme aus der ISO-Zertifizierung aufzugreifen und gleichzeitig einen Mehrwert mittels einer einheitlichen übergeordneten Prozessbeschreibung zu schaffen.
Wie sah der Umsetzungsfahrplan aus?
Wir mussten zunächst Grundlagen aufbauen: Eine der Grundlagen war die Entwicklung des B2B Frameworks. Hierfür existierten schon Vorarbeiten, um ein einheitliches Prozess-Framework mit den Prozessebenen 1-3 für das B2B Powerhouse zu entwickeln. Diese Ebenen sind produkt-unabhängig und beschrieben die Prozesslandkarte, Unternehmensprozesse und Hauptprozesse. Anschließend stellten wir als ersten großen Meilenstein eine Governance auf. Diese regelt die Integration des Prozessmanagements im B2B Powerhouse und definiert die strategischen und operativen Rollen sowie die des Business Process Managers. Die Governance beschreibt darüber hinaus die Gremien der Process-Improvement-Teams und die Processcommunitys, sodass ein Austausch über die Prozesse im Unternehmen stattfinden kann. Anschließend setzten wir für die sogenannten „Kunde-zu-Kunde-Prozesse“ Blueprints in der Prozessebene 4 auf, um den Produktentwicklern eine Vorlage an die Hand zu geben und um Prozessdokumentationen dann produkt-individuell zu erstellen.
Welche angrenzenden Geschäftsbereiche spielen eine wichtige Rolle und wo ist eine Zusammenarbeit nötig?
Als strategisches Prozessmanagement müssen wir uns mit allen wichtigen Bereichen abstimmen. Dazu gehören die operativen Bereiche, die Sales-Segmente des B2B Powerhouses von Kleinst- bis Großunternehmen inkl. Public. Außerdem die Presales-Einheiten SSE und die Delivery-Einheit SBU, die Solution Business Unit. Genauso wichtig ist es, die Enabler-Bereiche zu involvieren, wie das Portfolio Management und die IT-Entwicklung im Bereich Digital Transformation. Diese entwickeln neue Produkte und Tools, um die Digitalisierung innerhalb der Telekom voranzutreiben.
Was sind die wesentlichen Benefits eines einheitlichen Prozesses im Unternehmen?
Ich fange bei denjenigen an, die die Prozesse nutzen - das sind die MitarbeiterInnen. Für sie ist der Vorteil eines einheitlichen Prozessmanagements ein gleiches Verständnis der Aufgaben zu haben - wo diese anfangen und aufhören. Das heißt, wir definieren übergreifend gleiche Verantwortlichkeiten in den Prozessrollen für die MitarbeiterInnen. Für die Produktentwickler ist die Nutzung der Blueprints von Vorteil. Das heißt: Sie müssen nicht jedes Mal mit einem neuen Prozessmodell anfangen, sondern sie können auf den Blueprints aufbauen und können diese individuell an ihre aktuelle Produktentwicklung anpassen und zur Prozessdokumentation nutzen.
Die Erlangung und Erhaltung der ISO-Zertifizierung sind auch ein zentraler Punkt bei der Etablierung strategisches Prozessmanagements. Durch das Qualitätsmanagement wie z.B. ISO 9001 können wir Qualitätsstandards im Unternehmen nachweisen und das ist ein essenziell wichtiger Baustein.
Was sind aus deiner Sicht die Erfolgsfaktoren für die Etablierung des strategischen Prozessmanagements?
Das ist die kontinuierliche Prozessverbesserung, die dann für die Mitarbeiter wirklich erlebbar ist. Prozesse entwickeln sich weiter und die Komplexität wird dementsprechend reduziert. Unser Wunsch ist natürlich, dass unser Framework in allen Bereichen genutzt wird und wir eine übergreifende Harmonisierung erzeugen. Um auf den Punkt vom anfänglichen Interview zurückzukommen: das Ziel der Harmonisierung ist entscheidend, um Prozesse in den unterschiedlichen Unternehmensteilen mit übergreifenden Standards umzusetzen.
Dieter, siehst du in den nächsten fünf Jahren irgendwelche Erfolgstrends, ob technologisch oder organisatorisch?
Weiterhin entscheidend ist das Thema Digitalisierung. Das Thema KI ist in aller Munde und wird sicherlich Einzug in die tägliche Arbeitswelt erhalten. Das bedeutet, dass Roboter oder KI bestimmte Prozessschritte übernehmen, die bisher von Menschen ausgeführt werden. Aus technologischer Sicht ist dies sicherlich einer der zentralen Bereiche, in denen wir Veränderungen spüren werden.
Organisatorische Herausforderung: Wie können wir die agile Integration von Prozessverbesserung in die Organisation mit einbringen, ohne in ein starres Prozessmanagement zurückzufallen? Das heißt, wir werden einerseits Verantwortung in den Fachbereichen haben und andererseits mit einem kleinen, schlanken Team das zentrale strategische Prozessmanagement voranbringen.
Wo siehst du den Hauptunterschied sowie die Grenze zwischen dem operativen und strategischen Prozessmanagement? Wie können die beiden am besten zusammenarbeiten?
Das operative Prozessmanagement ist in der Verantwortung, konkrete Prozesse in Aktivitäten umzusetzen und zu dokumentieren. Das heißt, man muss für ein bestimmtes Produkt, wie z.B. der Angebotserstellung im Mobilfunk klären, wer was in welchem Schritt zu tun hat, welches Tool zu verwenden ist, was Input ist, was Output ist, und diese Erkenntnisse wirklich zu konkretisieren und auch zu dokumentieren.
Das strategische Prozessmanagement ist eher dafür da, dass das Prozess-Framework für alle gleich ist, dass die Rahmenbedingungen klar sind und dass Schritte, egal für welches Produkt, immer an der gleichen Stelle erfolgen. Zum Beispiel müssen Angebotsfreigaben, egal ob Mobilfunk, Festnetz oder IT immer an der gleichen Stelle erfolgen. Es muss eine zentrale Vorgabe geben, sodass gleiche Prozesseschritte immer an der gleichen Stelle passieren, unabhängig vom Produkt. Zusammenfassend: strategisches Prozessmanagement ist produktunabhängig, während operatives Prozessmanagement tatsächlich konkret vom Produkt, von der tatsächlichen Aufgabe abhängig ist.
Vielen Dank für das Interview, Dieter Bollenbach!