Die digitale Affinität der Patienten und ihre Erwartungen an das Gesundheitswesen nehmen zu. Der steigende Konkurrenzdruck, nicht nur um Patienten, sondern auch um qualifizierte Mitarbeiter, stellt die Entwicklung zum etablierten Gesundheitswesen vor eine große Herausforderung: die Patienten müssen weiter in den Vordergrund rücken.
Bedeutet Patient gleich Kunde?
Wie ernst muss man die Bedürfnisse eines Patienten wirklich nehmen? Dieser wird letztendlich zum „Kauf“ gezwungen und hat kaum eine andere Wahl. Wenn er mit dem „Produkt“ unzufrieden ist, hat er auf einfach Pech gehabt. Jahrzehntelang lag der Fokus auf dem Produkt, also der Behandlung von Erkrankungen, was ein adäquates Umdenken hin zur Kundenzentrierung zu einem langwierigen Prozess macht.
Bereits 2017 hat die Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) den Patienten mit einem Kunden gleichgestellt. Spätestens im Zuge der Digitalisierung erkennen heute die Anbieter im Gesundheitswesen, dass neue Produkte und Dienstleistungen genutzt werden müssen, um den steigenden Erwartungshaltungen der Patienten an eine einwandfreie Dienstleistung zu begegnen.
Patientenzentrierung als Basis für Digitalisierung
Der Patient beeinflusst mit seinen Erwartungen, Bedürfnissen und Wünschen maßgeblich den Produktentwicklungsprozess. Digitale Produkte und Services sollten somit entlang der Patient Journey und sämtlicher Touchpoints optimal gestaltet werden, um Patienten langfristig zu binden. Dazu gehören beispielsweise digitale Patientenakten, die zeit- und ortsunabhängig von Berechtigten, wie z. B. Patienten, deren ermächtigten Angehörigen, Praxen oder Krankenhäusern und Versicherungen, eingesehen werden können. Des Weiteren betrifft dies Online-Patientenportale und entsprechende Apps, über die Termine vereinbart oder Rezepte und Überweisungen verarbeitet werden. Dank Videotelefonie können vereinfacht Diagnosen und Folgetermine zur Kontrolle durchgeführt werden. Eine entsprechende Remote-Beratung könnte dabei helfen, die Auswirkungen des Ärztemangels in ländlichen Gebieten etwas abzufedern.
Dienstleistungen sind austauschbar, Patientenbeziehungen nicht
Statt sich auf Produkte und Dienstleistungen zu fokussieren, müssen Stakeholder des Gesundheitswesens die Erlebnisse und Kontaktpunkte von Patienten mit der eigenen „Marke“ aktiv gestalten. Zentral sollten hierbei Interaktionen und ein positives Patientenerlebnis sein, die langfristig die Patientenbeziehung stärken und prägen. Das oberste Ziel ist ein nahtloses und integriertes – also Stakeholder-übergreifendes – Patientenerlebnis. Konsistente Ansprache und Überraschungs- und Differenzierungseffekte helfen, positive Erinnerungen und effiziente Erlebnisgestaltung auf Basis der Patientenbedürfnisse sicherzustellen.
Zufriedene Patienten kommen wieder – und empfehlen weiter
Zufriedene Patienten empfehlen ihren Partner aus dem Gesundheitswesen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an Freunde, Familienmitglieder und Kollegen weiter. Arzt-Patienten-Beziehungen gehören zu den besten Beispielen für Kundenloyalität und die stärksten beginnen mit der Serviceorientierung. Ein exzellentes Patientenerlebnis ist demnach ausschlaggebend dafür, ob potenzielle Patienten in Zukunft die Dienstleistungen in Anspruch nehmen werden.
Verbesserung der End-to-End-Patientenerfahrung
Stakeholder des Gesundheitswesens sind gut beraten, wenn sie die Patientenbedürfnisse mit allen relevanten Details verstehen. Die End-to-End-Patientenerfahrung beinhaltet viele Berührungspunkte und Interaktionen zwischen dem Patienten und diversen Akteuren des Gesundheitswesens. Jede Einzelne bietet die Möglichkeit, die Wahrnehmung des Patienten in Bezug auf die Qualität und den Wert positiv zu beeinflussen.
Die Patienten Journey beschreibt die Reise eines Patienten aus Sicht eines Akteurs im Gesundheitswesen, z. B. aus Sicht eines Krankenhauses ein Aufenthalt inklusive Nachsorge, während eine Krankenversicherung sich primär auf Vorsorge und Prävention fokussiert.
Damit ist eine Patienten Journey deutlich mehr als die Zeit, die der Patient im Krankenhaus verbringt. Entlang einer Reise durch das Gesundheitswesen werden alle Touchpoints und deren Beteiligten - Ärzte, Krankenhäuser, Versicherungen etc. - mit Motiven, Erfahrungen und Empfindungen des Patienten ergänzt. Patienten Journeys eignen sich somit sowohl für die Identifikation bestehender Probleme im Patientenerlebnis als für die Planung neuer Patientenservices.
Schlüpfen Sie in die Schuhe Ihrer Patienten – jetzt!
Unternehmen, die die hierarchisch und produktorientiert geprägten Denkweisen sprichwörtlich auf den Kopf stellen und eine vollständig auf den Patienten ausgerichtete Denkweise fördern, setzen die eigene digitale Transformation vor allem nachhaltig um. Es gilt, Patienten die passenden Botschaften zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in den relevanten Kanälen und in der richtigen Art und Weise bereitzustellen, um eine langfristige, hohe Patientenzufriedenheit und -loyalität zu erreichen.
Wer den Wandel will, muss den Mut haben, alte Strukturen aufzubrechen. Jetzt!
Ein Artikel von Carolina Schiefer, Pascal Frank und Christian Hammann.
Hier finden Sie den Beitrag zu Ökosystemen im Gesundheitswesen.