Das OZG bringt Bewegung in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und treibt in der Umsetzung von IT-Projekten die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen in einem bisher nicht dagewesenen Umfang. Mit Digitallaboren, einheitlichen Standards und nachnutzbaren Einzellösungen steht den Kommunen eine Bandbreite an Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die am 03. Juni 2020 vereinbarten Eckpunkte des Konjunkturprogramms zur Bekämpfung der Corona-Folgen sehen zudem eine weitere Finanzspritze zur OZG-Umsetzung in Höhe von 3 Mrd. EUR vor. Aber wie genau gehen Kommunen die Umsetzung des OZG konkret an, die verbleibende Umsetzungsfrist wird schließlich immer kürzer?
Das OZG als Digitalisierungsmotor der öffentlichen Verwaltung
Mit dem Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Sommer 2017 wurde den Kommunen eine zentrale Rolle bei dessen Umsetzung zugedacht. Seither ist viel passiert und das OZG wird zunehmend seinem Anspruch als Digitalisierungsmotor in der öffentlichen Verwaltung gerecht. Die föderale Zusammenarbeit und Kooperation bei der Digitalisierung wird seit Anfang 2020 durch die Föderale IT-Kooperation (FITKO) koordiniert. Die FITKO treibt in dieser Rolle federführend die bundesweite Etablierung interoperabler Standards bei der OZG-Umsetzung voran.
Diese Standardisierungsmaßnahmen sind ein wichtiger Faktor bei der übergreifenden OZG-Umsetzung in Deutschland. Bei all diesen Maßnahmen wird der Erfolg des OZG am Ende allerdings von dem Gelingen der Verwaltungsdigitalisierung in den Kommunen abhängen. Mit etwa 60 Prozent entfällt schließlich der Großteil der OZG-relevanten Verwaltungsleistungen in kommunale Verantwortung. 23 Leistungen fallen zudem in die Regelungskompetenz der Kommunen. (Quelle: Leitfaden OZG-Umsetzung)
Großer Druck auf die Kommunen, das OZG trotz Pandemie zügig umzusetzen
Was das für die Kommunen bedeutet wird klar, wenn man die Anzahl von zum Teil komplexen Verwaltungsleistungen vor dem Hintergrund des Zeithorizonts bis zur gesetzlich vorgesehenen Umsetzung im Jahre 2022 betrachtet. Möglichen durch Covid-19 bedingten Prioritätsverschiebungen zum Trotz, sind die Kommunen aufgefordert, die OZG-Umsetzung konkret und mit hohem Druck anzugehen. Tatsächlich hat die Pandemie sogar aufgezeigt, wie dringend ein Aufholen in der Digitalisierung erforderlich ist. Doch wo startet man als Kommune? Welche Maßnahmen müssen eigenständig umgesetzt werden? Welche Standards und Vorgaben müssen zwingend eingehalten werden?
Fünf Schritte zur erfolgreichen OZG-Umsetzung
Dieser Artikel zeigt fünf grundlegende Schritte auf, entlang derer Kommunen ihre OZG-Umsetzung strukturieren und auf diese Weise Antworten auf die zuvor genannten Fragen finden können.
Schritt 1: Kommunen-spezifische OZG-Umsetzungsplanung
Die Erarbeitung einer detaillierten Umsetzungsplanung bildet das Fundament der erfolgreichen Umsetzung des OZG. Dazu gehört ebenfalls die Einrichtung einer belastbaren Projektorganisation in Form einer OZG-Koordinierungsstelle, welche während des gesamten Zeitraumes für Koordination und Projektorganisation zuständig ist. Teil der Umsetzungsplanung ist die Erfassung sämtlicher priorisierter und weiterer wichtiger OZG-Leistungen sowie die Schaffung wesentlicher Voraussetzungen für die erfolgreiche OZG-Umsetzung.
In diesem Schritt sollte zudem die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Fördermitteln geprüft werden, die z.B. im Zuge des Konjunkturprogramms zur Bekämpfung der Corona-Folgen vorgesehen sind oder auch über entsprechende Programme der einzelnen Bundesländer bereitgestellt werden.
Schritt 2: Aufbau einer Ziel-Architektur
Im Anschluss sollte der Ist-Zustand der IT-Architektur erfasst und insbesondere hinsichtlich der existierenden Fachverfahrenslandschaft einer Überprüfung unterzogen werden. Die im Einsatz befindlichen Fachverfahren werden hinsichtlich ihres Konsolidierungspotentials und ihrer Standardkonformität analysiert. Hierzu bedarf es auch eines Dialoges mit den herstellenden Fachverfahrensanbietern. Schlussendlich bildet die Entscheidung über Konsolidierung, Erweiterung und/oder Aktualisierung der eingesetzten Fachverfahren die Basis zur Etablierung einer Ziel-Architektur. Zu dieser Basis zählen ebenso der Einsatz von eigenen Basisdiensten, die standardkonform den Landesvorgaben entsprechen, sowie die Integration notwendiger Standardkomponenten des Landes. Die Einführung einer Middleware bietet sich an, um ein effizientes Management von Schnittstellen zwischen kommunalem Serviceportal und Fachverfahren zu etablieren. Neben einer Modellierung von Schnittstellen-Beziehungen kann durch den Einsatz einer Middleware zudem eine höhere Transaktionssicherheit erreicht werden.
Schritt 3: Anbindung an landesweite Portalangebote
Eine fristgerechte Umsetzung des OZG ist aus Sicht der Kommunen im Rahmen einer vollständig eigenverantwortlichen Umsetzung nur schwer zu schaffen. Die Bundesländer haben dies erkannt und vor diesem Hintergrund in vielen Fällen landesweite Portalangebote für die Kommunen geschaffen. So hat Baden-Württemberg mit service.bw beispielsweise eine gemeinsame Plattform für das Land und Kommunen realisiert, Rheinland-Pfalz fährt einen ähnlichen Ansatz, indem sie eine zentrale Anlaufstelle für alle Landes- und Kommunalverwaltungen initiiert haben. Vergleichbare Beispiele gibt es auch aus Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Die Bereitstellung von Angeboten des Landes und/oder überregionaler kommunaler Verbände oder IT-Dienstleister bietet für viele Kommunen einen bzw. den wesentlichen Baustein der eigenen OZG-Umsetzung. Frei zugängliche Angebote dieser Art, die oftmals Basisdienste wie Nutzerkonten, Antragsassistenten und Bezahlkomponenten enthalten, bieten die Möglichkeit, die OZG-Umsetzung mit geringem Umfang auf Seiten der Kommune zu vollziehen.
Derartiger Angebote anzunehmen stellt zumindest einen sinnvollen Zwischenschritt der kommunalen OZG-Umsetzung dar, da auf diese Weise die standardkonforme Mitnutzung von OZG-Leistungen gewährleistet und der Aufwand von Eigenentwicklungen eingespart wird. Je nach Ausprägung des überregionalen Angebotes kann die kommunale OZG-Umsetzung auch durch die Anbindung an diese erfüllt werden. Die Betrachtung der digital-strategischen Ausrichtung einer Kommune spielt dabei jedoch ebenfalls eine wichtige Rolle.
Schritt 4: Einführung eines eigenen Serviceportals
Abhängig von den Angeboten für Kommunen durch das Land und der eigenen Ambitionen stellt der Aufbau eines eigenen Serviceportals einen weiteren Schritt zur Umsetzung des OZG dar. Die Realisierungsmöglichkeiten eines eigenen Portals sind dabei vielfältig. Für die meisten Kommunen empfiehlt sich der Einsatz einer Standard-Lösung, die von Fachverfahrensherstellern oder oftmals auch von kommunalen IT-Dienstleistern angeboten werden.
Schritt 5: Digitalisierung und Automatisierung vorantreiben
Das OZG sollte nicht als reine Schaffung eines Onlinezugangs für Bürger:innen und die Wirtschaft verstanden werden. Es empfiehlt sich stattdessen, die mit dem OZG einhergehende Dynamik für eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung im Backend bzw. dem „Maschinenraum“ der Verwaltung zu nutzen. Nachdem für eine ausreichende Unterstützung der jeweiligen OZG-Leistungsbereiche durch standardisierte Fachverfahren gesorgt wurde, können z.B. repetitive Aufgaben durch Automatisierungswerkzeuge und eine robotergesteuerte Prozessautomatisierung orchestriert, digitalisiert und automatisiert werden. Die mit dem OZG verbundene Dynamik sollte für eine entschiedene Digitalisierung in diesem Sinne genutzt werden.
OZG – mehr als nur die Schaffung einer digitalen Plattform für Bürger:innen
Das OZG hat in den deutschen Kommunen eine seit langem vermisste Digitalisierungswelle ausgelöst. Die große Herausforderung, die zahlreichen Verwaltungsleistungen bis 2022 digital bereitzustellen, können die Kommunen durch Nutzung landesweiter standardisierter Architekturen und Portalangebote erfolgreich begegnen. Gleichzeitig sollte das OZG und der damit verbundene Gestaltungswille bei zahlreichen Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung für eine umfassende Digitalisierung und Automatisierung im „Maschinenraum“ der Verwaltung genutzt werden. Nur wenn die im Frontend erfassten Antragsdaten im Backend auf automatisierte und durchgängig digitalisierte Prozesse stoßen, entsteht für die Nutzer:innen ein echter Mehrwert. Die Zeit für einen nachhaltigen Digitalisierungsschub in den deutschen Verwaltungen ist reif. Die Umsetzung des OZG kann in den Kommunen entlang der hier aufgezeigten fünf Schritte effektiv strukturiert werden.
Der Originalartikel erschien am 3.07.2020 in Linkedin.
Von Felix Dinnessen und Julius Sicken