Im Geschäftskundensegment stehen Kundenerlebnis und Innovationsbestrebungen unter besonderen Herausforderungen. Wie Carrier diese Themen im Rahmen der Geschäftskundenstrategie angehen können, zeigen Johannes Beichel, Leiter Geschäftskundenstrategie & Vice President B2B Strategy, und Elke Heiden-Lemmermann, Senior Manager Strategie, Telekom Deutschland, im Gespräch mit Detecon-Partner Jochen Dinger.
Detecon: Wo sehen Sie aktuell und in Zukunft die Kernherausforderungen für Carrier im Großkundensegment (B2B)?
Johannes Beichel: Als Carrier stehen wir nicht nur im Großkundenbereich vor der Herausforderung, dass der „Valuepool“ von allen Seiten bedrängt wird. Im B2B-Bereich sind es vor allem die OTT-Player, die uns auf mehreren Ebenen angreifen durch softwarebasierte Lösungen wie SD-WAN sowie den Communications Services im Kerngeschäft der Carrier. Diese klassischen Telco-Services werden bei den OTT-Player einfach mit integriert und bringen uns in eine Defensivhaltung.
Eine weitere Herausforderung ist das bestehende Delivery-Modell – allen voran die entstehenden X-as-a-Service-Ansätze, welche verstärkt angenommen werden. Für Carrier bedeutet das die Notwendigkeit zu mehr Flexibilität, zum Beispiel bei Endgeräten, aber auch ein bestes Ende-zu-Ende Kundenerlebnis über Festnetz und Mobilfunk, um weiter ein „right zu play“ auch in diesen Bereichen zu haben.
Dazu muss der Carrier der vertrauensvolle Partner des Kunden sein und nicht nur Insellösungen im Digitalisierungsdschungel anbieten.
Elke Heiden-Lemmermann: In diesem Kontext möchte ich das Kundenerlebnis erwähnen, welches stetig wichtiger wird. Dies bedeutet, dass über den Vertrieb, die Serviceerbringung beim Festnetz oder auch über Onlinetools stetig ein positives Erlebnis beim Kunden erzeugt werden muss. Kunden brauchen zudem einen vertrauensvollen Partner für die Servicebereitstellung - gerade in Themen wie beispielsweise Industrie 4.0 oder Retail 4.0. Die Kunden wissen oft gar nicht, welche Use Cases es gibt beziehungsweise was der Mehrwert dieser ist. Themen wie Cloud sind dabei Standard beziehungsweise werden bei den meisten Kunden vorausgesetzt.
Welche Zukunfts- und Innovationsfelder sehen Sie für Carrier speziell im B2B als essenziell an?
Johannes Beichel: Die Innovationsfelder eines Carriers könnte man durch ein „Zwiebelmodell“ sehr gut veranschaulichen. Im Inneren steht das Kerngeschäft der Carrier. Die angrenzenden Leistungen, also die äußerste Schicht der Zwiebel, ist das erste Innovationsfeld. Darunter verstehen wir zum Beispiel Software Defined-LAN, -WAN oder auch X für Everything. In der zweiten Schicht sind es die Felder Enterprise Communication oder Enterprise Collaboration. Hier herum bilden sich die Ebenen wie Security, da es zum Beispiel kein TC-RFQ mehr gibt, welches keine Sicherheitsanforderungen voraussetzt. Darüber hinaus sind es die Use Cases für den Kunden im Rahmen IoT. Welche Use Cases gibt es und welche verhelfen den Kunden, ihr Geschäft weiter auszubauen? Dazu gehören auch die Innovationen im Rahmen von Data Analytics oder auch künstlicher Intelligenz. In Zukunft wird es noch weitere Schichten geben wie Quantencomputing, welche aber aktuell noch nicht im Fokus stehen.
Darüber hinaus besteht Innovation darin, mit den richtigen Partnern eine Ende-zu-Ende Lösung zu kreieren, in welcher die Schnittstellen alle kompatibel sind, um auch so wieder das Kundenerlebnis möglichst hoch zu halten.
Elke Heiden-Lemmermann: Dabei ist zu beachten, dass diese Schnittstellen, die Kopplung aller Systeme, nie auf der grünen Wiese erfolgt, sondern die neuen mit den bestehenden Systemen nahtlos zusammenpassen müssen.
Johannes Beichel: Die Kunst für Carrier im B2B-Bereich ist es, für den Kunden vorauszudenken. Wohin könnte sich sein Business hin entwickeln? Mit diesem Wissen können wir Innovation gezielter weiter vorantreiben. Eine Herausforderung ist hier, dass wir keine Individuallösung für einen Kunden entwickeln, sondern skalierungsfähige Produkte, die bei vielen Kunden modular eingesetzt werden können.
Welche Rolle spielen Daten für Carrier in der Zukunft? Wie können diese gewinnbringend für die Telco-Industrie eingesetzt werden?
Johannes Beichel: Daten spielen meiner Meinung nach für Carrier eine enorme Rolle. In der Regel gibt es zwei Lager. Die einen sehen in Daten einen enormen Schatz. Die anderen bezweifeln, dass aus den vorhandenen Daten in irgendeiner Weise ein sinnvoller Mehrwert generiert wird. In unserem Umfeld müssen wir noch Analytics-Kompetenzen aufbauen sowie mehr Mut zeigen, um Daten auch aus verschiedenen Gesichtspunkten zu analysieren.
Carrier sind in diesem Zusammenhang noch risikoavers. Das hat viel mit damit zu tun, dass das bestehende Vertrauen der Kunden höchste Priorität hat. Es hat aber auch mit der Bereitstellung kritischer Infrastruktur zu tun, die man nicht leichtfertig aufs Spiel setzten sollte.
Wie können sich Carrier - insbesondere im Vergleich zu den großen OTTS - von ihren "neuen" Konkurrenten differenzieren?
Johannes Beichel: In diesem Zusammenhang müssen wir in verschiedene Vektoren denken. Ein Vektor ist Communication, zum Beispiel globale Konnektivität. Hier sind wir Infrastrukturdienstleister, auf welche die OTTs bauen.
Eine weitere Vektorsicht ist das Ende-zu-Ende Kundenerlebnis vor allem im Mittelstand. Hier sind die Anforderungen sehr kleinteilig und somit ein Bereich, in dem OTTs sich weniger engagieren.
Vor allem können sich Carrier als bekannter und vertrauensvoller Technologiepartner mit einer hohen Qualität von der neuen Konkurrenz differenzieren. Da gibt es Beziehungen, welche über Jahre hinweg erarbeitet wurden und jetzt weiter genutzt werden sollten.
Was aber noch geübt werden muss, ist die Co-Competition zwischen OTTs und Carrier. Zum einen sind wir Partner, aber eben auch Konkurrenten.
Was sind für Sie die Top 3 Todos, die speziell die Telekom im B2B-Bereich in Angriff nehmen muss?
Ich würde hier gerne auf unsere Geschäftskundenstrategie verwiesen. Diese trifft es nämlich sehr gut mit ihrer Mission:
- einfach, sicher und innovativ sein – Technologieführerschaft halten und weiter ausbauen
- vertrauensvoller Partner gegenüber unseren Partnern und Kunden auf Augenhöhe sein – egal, ob kleiner oder großer Kunde
- Ende-zu-Ende Digitalisierung – unseren Kunden im Digitalisierungsdschungel helfen.
Vielen Dank für das Interview!