Fabrik der Zukunft – Corona Update

Antworten Sie auf die Frage, wer im vergangenen Jahr der größte Innovationstreiber in Ihrem Unternehmen war, mit „Corona“? Damit sind Sie nicht allein! Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Pandemie insbesondere die produzierenden Unternehmen zur Beschleunigung der Digitalisierung bewegt hat. Wir nehmen dies zum Anlass, unseren kurz vor Corona entstandenen, ausführlichen Point of View „Factory of the Future“ auf den Prüfstand zu stellen: Wie hat sich die Pandemie auch auf unsere Sicht zur Fabrik der Zukunft ausgewirkt? Lesen Sie hier, wie wir gemeinsam mit unseren Kunden in der Automobil- und Manufacturing-Industrie die Symptome bekämpft haben, derzeit die Schutzmaßnahmen aufbauen und langfristig die Immunität für künftige Bedrohungen erhöhen.

Erster Akt: Symptome bekämpfen

Die Krise hat deutlich gemacht, worauf es bei den produzierenden Unternehmen ankommt: funktionierende Kernprozesse und ein hohes Maß an Digitalisierung. Ausfälle von Mitarbeitenden durch Erkrankung oder Quarantänepflicht sowie die Einführung von Wechselmodellen im Schichtbetrieb wirkten sich nur dann nicht gravierend aus, wenn Fabrikprozesse bereits zu einem hohen Grad automatisiert und / oder digitalisiert waren. Nur dies gewährleistete, dass klassische Wertschöpfungsketten weiter funktionieren und Produktionsziele gehalten werden konnten. Marktvorteile konnte insbesondere von denjenigen erzielt werden, die über eine große Flexibilität in der Produktion verfügten und Maschinen und Prozesse schnell an neue Rahmenbedingungen anpassen konnten. Diese Wandelbarkeit und der verbundene wirtschaftliche Erfolg, insbesondere von Firmen aus dem asiatischen Raum, führte gerade auch vielen europäischen Manufacturing-Unternehmen vor Augen, wie wichtig diese Eigenschaften sind.

Nach dem ersten Schock und der Sicherstellung von Stabilität in der Produktion galt das Augenmerk dann modernen Technologien und Innovationen. Dabei wurden etwa Augmented- und Virtual-Reality-Anwendungen aus dem Prototypenstadium in die Produktion eingebracht, um bspw. mittels Remote Maintenance eine hohe Anzahl von Maschinen zu warten oder zu reparieren. Die Umstände ließen kaum Handlungsalternativen. Plötzlich funktionierte vieles digital oder remote, was vorher als „undenkbar“ bezeichnet wurde. Bei vielen Unternehmen reifte die Erkenntnis, dass mutiger mit Innovationen umgegangen werden kann – auch wenn am Anfang der ein oder andere Stolperstein lauert und Fehler passieren.

„Mit noch nie dagewesener Geschwindigkeit wurden Maßnahmen zur Digitalisierung umgesetzt, um Kernwertschöpfungsprozesse zu stabilisieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“

Der Einsatz neuer, innovativer Technologien stellte aber auch erhöhte Anforderungen an Netzwerke und Applikationen. Die Modernisierung der Infrastruktur erhielt einen viel stärkeren Schub als wir in unserem letztjährigen Point of View erwartet hatten. Insbesondere der 5G-Netzausbau nahm Geschwindigkeit auf, um Anforderungen an Latenz und Datenmengen realisieren zu können.

Die hohe Beschleunigung der Digitalisierung in der Fabrik spitzt jedoch den Fachkräftemangel in Deutschland weiter zu. War infolge der Pandemie zunächst ein Einstellungsstopp in vielen Unternehmen zu beobachten, wuchs aus dem ersten Schock schnell eine Notwendigkeit, die Kompetenzen für IT und Digitalisierung weiter auszubauen – bei gleichzeitig überschaubarem Angebot von geeigneten Fachkräften am Markt. Mit dem steigenden Grad der Digitalisierung in der Produktion steigt ebenfalls das benötigte Knowhow bei den Mitarbeitenden im Umgang mit den digitalen Technologien, allerdings nicht nur auf dem Topfloor, sondern auch auf dem Shopfloor. Je schneller Unternehmen sich diesem Skill Gap in der digitalisierten Produktion bewusst und am Arbeitsmarkt aktiv werden, desto höher die Chancen, entsprechende Kompetenzen aufzubauen.

Zweiter Akt: Vor Ansteckungen schützen

Nach dem ersten Schock und kurzfristigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie lernte die Bevölkerung sich zu schützen. Die AHA-Formel und Sätze wie «Bleiben Sie zu Hause» wurden als simple und effektive Präventivmassnahmen gepredigt. Doch was heißt «zu Hause bleiben» für international agierende Fertigungsunternehmen?

Das Fortschreiten der globalen Pandemie betraf nach und nach Länder, Grenzen und über diese hinweg agierende Unternehmen auf der ganzen Welt. Innerhalb kürzester Zeit brachen Lieferketten zusammen, welche zuvor selbst geo-politischen Beben standhielten. Folgt der Globalisierung nun die völlige Umkehr? Re-Shoring wird von vielen Unternehmen als mögliche Schutzmassnahme für die Supply Chain gesehen. Wir folgern daraus:

"Eine wirklich krisenfeste Lieferkette zeichnet sich jetzt nicht nur noch durch Diversifizierung, sondern verstärkt auch durch Lokalisierung aus."

Häufig sind die Manufacturing-Kunden der Detecon in Europa verwurzelte Traditionsunternehmen, welche mit internationalen Absatzmärkten, Produktionen und Zulieferern stark wuchsen. Re-Shoring im Sinne einer Zentralisierung kann aus wirtschaftlichen Gründen kaum eine Option sein. Vielmehr muss es darum gehen, die zentralen Elemente der Lieferkette näher an die Absatzmärkte zu bringen und ein vernetztes Wertschöpfungssystem zu etablieren. Der Aufbau solcher lokaler und in sich geschlossener Ökosysteme kann somit das Risiko verteilen, wenn einzelne Wirtschaftsräume während einer Pandemie durch z. B. eingeschränkte Transportkapazitäten, Lieferengpässe und Produktionsausfälle gestört sind.

Natürlich sind solche Maßnahmen nicht als sofortige Schutzgarantie, sondern vielmehr als langfristige Prävention zu verstehen. Wir haben folgende Fragen identifiziert, denen sich Fertigungsunternehmen in der Aufarbeitung der Pandemie stellen müssen:

  1. Was sind unsere strategisch wichtigsten Kunden und von welchen unserer Produkte sind diese abhängig?
  2. Welches sind die kritischen Materialien und Komponenten, um eben jene strategischen Produkte produzieren zu können?
  3. Wie gut kennen wir unsere Lieferketten und Ökosysteme rund um unsere Produktionsstandorte?
  4. Können wir verschiedene Szenarien analysieren, um mögliche Risiken in unseren Lieferketten zu erkennen?

Basierend auf gemeinsamen Einschätzungen mit unseren Kunden erwarten wir keine branchenumfassende Re-Lokalisierung der Fertigung. Das geschärfte Risikobewusstsein deutet jedoch darauf hin, dass besonders die Stärkung lokaler Ökosysteme als möglicher Pandemie- und darüber hinaus globaler Krisenschutz verstanden wird.

Dritter Akt: Immunität steigern

Abschließend stellt sich eine weitere Frage: Wie können sich produzierende Unternehmen absichern, um ähnliche Krisen in der Zukunft erfolgreich zu bewältigen, um die Gefahr abrupter Engpässe bei Nachfrage, Angebot und Arbeitskräften zu minimalisieren? Für uns Menschen ist die Antwort klar: Impfen, Impfen, Impfen! Nur schade, dass sich ein Fertigungsunternehmen nicht so einfach „impfen“ und somit langfristig immunisieren lässt. Wie kann ein Fertigungsunternehmen also sein Immunsystem gegenüber Pandemien stärken? 

Die Gespräche mit unseren Kunden lassen auf folgendes schließen:

„Ein stärkerer Fokus auf Innovation ist die Lösung, um resilienter gegenüber Pandemien zu werden, wobei es nicht nur um die Optimierung des bestehenden Geschäfts geht, sondern auch um die Erschließung neuer Geschäftsfelder durch den Einsatz digitaler Technologien.“

Insbesondere drei Innovationspotenziale erweisen sich dabei als besonders wichtig:

  1. Die Erweiterung des bestehenden, oft hardware-basierten Produktportfolios mit digitalen Mehrwertdiensten und Zusatzleistungen.  Dies steigert einerseits die Attraktivität und Leistungsfähigkeit traditioneller Produkte, wie etwa durch das Bündeln von Produkten mit Services, und generiert andererseits neue und wiederkehrende Umsatzströme. Auf diese Weise kann ein produzierendes Unternehmen sicherstellen, dass bei künftigen Engpässen in der Produktion ein weiteres Umsatzstandbein – die Services – erhalten bleibt. So ist z. B. die Telekommunikationsbranche nahezu vollkommen unbeschadet durch die Pandemie gekommen; das Geschäft mit digitalen Services stieg sogar!
  2. Die Realisierung von digitalen Marketing- und Vertriebsmodellen. Sie ermöglichen eine weitgehend kontaktlose, aber eng vernetzte Interaktion mit Kunden und Partnern. Insbesondere "eCommerce"-Strategien für die Vermarktung des Produktportfolios und "Connected-Customer"-Modelle für die enge Zusammenarbeit mit Bestandskunden rücken in den Vordergrund. Sie beeinflussen dadurch auch die Fertigungsprozesse, etwa durch einen steigenden Individualisierungsrad der Produkte durch modulare Produktbaukästen. Sogar Änderungsmöglichkeiten der Produktkonfigurationen noch während des Produktionsprozesses werden möglich. Entscheidend ist die Etablierung der richtigen Betriebsmodelle, um diese neuen Marketing- und Vertriebsstrategien zu ermöglichen.
  3. Die Positionierung innerhalb von Plattform-Ökosystemen. Die fortschreitende Digitalisierung der Wertschöpfungskette und schwindende Branchengrenzen beschleunigen das Wachstum und die Bedeutung von Plattform-Ökosystemen. Oft will jedes Unternehmen eine eigene Plattform für seine Produkte und Lösungen etablieren und sich nicht einer vorhandenen Plattform eines anderen Anbieters unterordnen. Die Konsequenz daraus ist, dass es eine wachsende Anzahl von Plattformen unterschiedlichster Anbieter gibt, die mit Produkten und Dienstleistungen versorgt, aber auch gegenüber Kunden vermarktet werden müssen. Um eine eigene Plattform in einem solchen Ökosystem zu positionieren, müssen die richtigen Erfolgsfaktoren für das Unternehmen identifiziert und realisiert werden, auch in der Produktion. Hier gilt es zu klären, mit welchen Partnern und mit welchen Standards man sich in Zukunft beschäftigen will.

Obwohl die genannten Innovationspotenziale nicht gänzlich neu sind, schätzen wir ihre strategische Bedeutung und geschäftliche Kritikalität angesichts der neuen und außergewöhnlichen Marktbedingungen höher ein als je zuvor.

Was haben wir also gelernt? In unserem letzten Artikel zur „Fabrik der Zukunft" haben wir den Brexit und andauernde Handelskonflikte zwischen China und den USA als Risiken und Treiber für Veränderungen beleuchtet. COVID-19 hat uns gezeigt, dass die beschriebenen Trends zu „Mensch-Maschine-Schnittstelle“, „Entkoppelte Wertschöpfungsketten“ und „Neuartige Dienstleistungen“ nun noch konsequenter, schneller und radikaler beantwortet werden müssen. Unsere Kundengespräche zeigen, dass Fertigungsunternehmen in DACH auch durchaus erfolgreich umgesetzt haben. Nun gilt es allerdings, die Geschwindigkeit der Transformation, den hohen Grad an Innovativität und Mut für Investments beizubehalten, um auch weiterhin international in der ersten Liga zu spielen.

Mit Detecon, T-Systems und der Deutschen Telekom bieten wir ein Partnernetzwerk, welches durch sein Angebotsspektrum entscheidende Antworten auf strategische Herausforderungen auch in Folge der globalen Pandemie liefern kann. Unsere Kunden begleiten wir von der Definition von Geschäftsmodellen und ihren Anpassungen im Zuge der Digitalisierung, über die Architektur von Daten und Infrastruktur, bis hin zum Konnektivitätsmanagement, um auch für zukünftige Krisen gewappnet zu sein.