Im Interview mit Detecon's Cloud-Experten Stefan Schnitter sprach Benjamin Springub, Vice President Operational Development, Telekom Deutschland, über Vorteile und Relevanz von Edge Computing für Unternehmen wie auch typische Herausforderungen und deren Bewältigung bei der Implementierung.
(Auszug aus einem Interview im Lünendonk-Magazin „Cloud Transformation: Business und IT auf dem Weg in die Zukunft“)
Dr. Stefan Schnitter: Könnten Sie erklären, was unter „Edge Computing“ oder kurz „Edge“ zu verstehen ist und warum es für Geschäftskunden relevant ist bzw. relevant wird?
Benjamin Springub: „Edge Computing“ bezieht sich auf eine verteilte Computing- und Netzwerkstrategie, bei der Datenverarbeitung und -analyse nahe dem Ort erfolgen, an dem die Daten erzeugt werden, also am „Rand“ („edge“) des Netzwerks. Dies ist ein Gegensatz zum traditionellen Cloud-Computing-Modell, bei dem Daten über große Entfernungen zu zentralen Datenzentren übertragen werden. Besonders relevant ist Edge Computing beispielsweise für das Internet der Dinge (IoT), bei dem viele Geräte kontinuierlich Daten
erzeugen. Mit Edge Computing können diese Daten effizienter verarbeitet werden, wodurch die Leistung und Funktionalität von IoT-Systemen verbessert wird.
Edge Computing bietet verschiedene Vorteile, die für Geschäftskunden von hoher Relevanz sind. Ein bedeutender Aspekt ist die reduzierte Latenzzeit. Dies ermöglicht eine Echtzeitverarbeitung von Daten, was für Anwendungen wie selbstfahrende Autos, industrielle Automatisierung oder Telemedizin besonders wichtig ist. Ein weiterer Aspekt ist die Bandbreiteneinsparung. Durch die Verarbeitung großer Datenmengen an der Edge werden Bandbreitenanforderungen reduziert, was in Szenarien mit hohem Datenaufkommen wie etwa bei Videoüberwachungssystemen eine zentrale Rolle spielt.
Weiterhin ermöglicht Edge Computing eine erhöhte Datensicherheit und Privatsphäre. Sensible Daten werden direkt an der Edge verarbeitet, was das Risiko von Datenschutzverletzungen bei Übertragungen über das Core-Netzwerk verringert. Es werden weniger Daten an einem Punkt gesammelt, was eine vollständige Erfassung erschwert. Sensible Daten können zudem vor der Übertragung verschlüsselt werden.
Ein letzter entscheidender Vorteil von Edge Computing ist die verbesserte Verfügbarkeit. Bei Ausfällen oder Verbindungsproblemen zum Core-Netzwerk können Edge-Anwendungen, die keine Verbindung zum Core-Netzwerk benötigen, ohne Einschränkung weiterarbeiten. Das ermöglicht Unternehmen eine höhere Ausfallsicherheit, selbst wenn das Core-Netzwerk vorübergehend nicht erreichbar ist.
Gibt es besondere „Edge“-Projekte, auf die Sie gespannt sind oder die Sie in der Zukunft realisieren möchten?
Ich finde generell Projekte spannend, die das Potenzial von Edge Computing in den Bereichen 5G, IoT und Künstliche Intelligenz (KI) weiter ausschöpfen. Diese Technologien könnten von Edge Computing stark profitieren, da sie oft eine schnelle Datenverarbeitung erfordern, die durch Reduzierung der Latenzzeit bei Edge Computing erreicht wird. Es
wird auch interessant sein zu sehen, wie Edge Computing dazu beiträgt, die digitale Souveränität und Datenschutzbestimmungen in Europa zu stärken, da Daten lokal verarbeitet und gespeichert werden können.
Damit beschäftigt sich auch das IPCEI CIS (Important Project of Common European Interest zu Cloud-Infrastruktur und Services, auf Deutsch “wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse im Cloud Umfeld“). Ein IPCEI ist ein Mechanismus, mit dem die Europäische Union innovative Projekte fördert, die einen erheblichen Einfluss auf die europäische Wirtschaft haben können. Und im speziellen Fall des IPCEI CIS sitzt neben anderen europäischen Telekommunikations- und Industriepartnern auch die Telekom in Deutschland in den Startlöchern, um ein Edge Cloud Continuum in Europa aufzubauen.