Daten sind das neue Öl

Doch wie steht es um die Monetarisierung von Daten?  Mit der ansteigenden Datenflut ergeben sich für Unternehmen vielversprechende Potentiale – darüber sind sich Experten der Mobilitätsbranche weitestgehend einig. Es zeichnet sich allerdings auch ab, dass diese Potentiale zum Stand heute größtenteils noch nicht ergriffen werden. Vor diesem Hintergrund beleuchtet dieser Artikel der Detecon Studie ‚Datenstrategien in Smart Mobility‘ Möglichkeiten und Herausforderungen zur Monetarisierung von Daten. Vertiefend wird auch ein Einblick zur Bewertung von Daten gegeben sowie Voraussetzungen zur Monetarisierung von Daten aufgezeigt.

Daten der Mobilitätsindustrie – Zukunftsentscheidend aber ungenutzt?

„Daten sind das neue Öl“ – Diese These stieß in Interviews mit Experten der Mobilitätsindustrie im Rahmen der Detecon Studie Datenstrategien in Smart Mobility (noch nicht veröffentlicht) mehrheitlich auf Zustimmung. Und das ist auch gut nachvollziehbar. (siehe dazu Artikel Smart Mobility – Datenstrategien in der Mobilität der Zukunft). Inmitten einer durch die Digitalisierung geprägten Branche sehen sich traditionelle Mobilitätsanbieter zunehmend schärferem Wettbewerb ausgesetzt, darunter nun auch mit aufstrebenden Mobilitäts-Startups sowie einst branchenfernen Tech Giganten.

Dass der Wandel auch von traditionellen Playern durchaus ernst genommen wird, sieht man nicht zuletzt an der Verankerung der Zukunftsfelder Electric, Autonomous, Connected und Shared/ Services – in den Unternehmensstrategien von Daimler (CASE) und BMW (ACES). Für einige dieser Zukunftsfelder sind Daten sowie deren Erhebung, Nutzung und Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg immanent wichtig. Im Artikel ‚Daten im Heuhaufen‘  wurde bereits aufgezeigt, dass Daten massiv nach dem Prinzip Big Data gesammelt werden, zum Stand heute allerdings noch wenig ganzheitliche Ansätze zur Verwendung oder Monetarisierung von Daten etabliert sind. Diesen Umstand belegt auch eine aktuelle und industrieübergreifende Studie von BARC. Ergebnisse der Studie zeigen, dass lediglich 17% der befragten Experten angeben, eine Lösung zur tatsächlichen Monetarisierung von Daten implementiert zu haben und nur 12% derzeit konkrete Pilotprojekte starten. Gründe hierfür können vielfältig sein.

Vertiefend hierzu, werden in diesem Studienartikel konkrete Möglichkeiten zur Monetarisierung von Daten vorgestellt sowie jeweilig wesentliche Herausforderungen aufgezeigt. Ergänzend wird ein konkretes Modell vorgestellt, welches zur strategischen Bewertung und Positionierung von Daten im Unternehmen als Anhaltspunkt dienen kann.

Konkrete Möglichkeiten und wesentliche Herausforderungen zur Monetarisierung von Daten

Befasst man sich mit dem Thema Daten, so wird schnell bewusst, dass es nicht einen einzelnen goldenen Weg gibt, anhand welchem man seine Daten monetarisieren kann. Der Wert von Daten hängt in hohem Maße von dem konkreten Kontext ab, in welchem sie ihr Potential entfalten können.

Eine etablierte Möglichkeit zur Nutzung von Daten ist der Einsatz in Business Intelligence (BI) Systemen. BI erlaubt es, Daten im Kontext des Unternehmens in strukturierter Weise zu sammeln, auszuwerten und darzustellen (siehe Lecture Notes in Business Information Processing). Dadurch können Unternehmensentscheidungen vielschichtig und datenbasiert unterstützt werden – so zum Beispiel die Optimierung von Geschäftsprozessen durch Produktionsflussdaten. Zwar ergibt sich daraus keine direkte aber sehr wohl eine indirekte Monetarisierung von Daten in Unternehmen.

In Experteninterviews wurde in diesem Hinblick häufig auf die hoch effizienten und datengetriebenen Produktionsprozesse im Rahmen von Industrie 4.0 hingewiesen. Wagt man einen Blick darüber hinaus, wird allerdings deutlich, dass in Unternehmen derzeit oftmals keine einheitliche Datenstrategie vorliegt und Daten-Inseln der Regelfall sind. Gerade für die gezielte Auswertung von Kundendaten aus mehreren Kanälen – auch Kunden Touchpoints genannt – stellt das Fehlen einer zentralen Kunden-ID eine große Hürde für BI dar. Denn wie kann das Verhalten von Kunden anhand von Daten verstanden werden, wenn jeder Kanal für sich getrennt nur einen Ausschnitt abbildet? Konkrete Bemühungen zur Etablierung einer integrierten Datensammlung und -auswertung durch Datenpools und Big Data Analytics können in der Mobilitätsbranche zwar beobachtet werden, allerdings ist ein solches Unterfangen keinesfalls trivial. Unternehmen brauchen hierfür Kompetenzen, mit denen aktuell Tech-Konzerne glänzen.

Mit Daten kann weiterhin das Leistungsportfolio an Produkten und Services stetig erweitert, verbessert und auch zunehmend verzahnt werden. Ein Schlüssel hierzu ist das sogenannte Data-Driven Development: Die Berücksichtigung von Datenerhebung durch Produkte bereits bei deren Entwicklung.

Während auch hier die integrierte Datenauswertung wichtig ist, muss gerade für die Etablierung unternehmensübergreifender Mobilitäts-Ökosysteme der Umgang mit Kundendaten besonders kritisch betrachtet werden. Insbesondere in Deutschland existieren starke Bedenken zum Thema Datenschutz. Mehr als 62% der Deutschen sind besorgt über die Hoheit ihrer Daten, so eine Studie von Symantec . Die Bereitschaft deutscher Kunden, persönliche Daten mit Unternehmen zu teilen und somit auch datengetriebene Produkte und Services zu nutzen ist im internationalen Vergleich gering. Es kommt für Unternehmen erschwerend hinzu, dass durch die Rechtswirksamkeit der EU Verordnung DSGVO seit 2018, die Datenverarbeitung personenbezogener Daten reguliert wird. Für Kunden fehlt oftmals das richtige Anreizsystem, welches die Datenfreigabe begünstigen würde. Denn warum sollte man seine persönlichen Daten teilen, ohne direkt davon zu profitieren?

An diesem Punkt lohnt sich der Sprung zu einer weiteren Möglichkeit der Monetarisierung von Daten – Der Etablierung gänzlich neuer Geschäftsmodelle. Es handelt sich hier um innovative Produkte und Services zur Einnahme der Vorreiterposition in der datengetriebenen Zukunft. Diese Möglichkeit der Monetarisierung von Daten wird von Mobilitätsexperten verständlicherweise als hoch relevant aber auch als besonders herausfordernd bewertet.

Die folgenden Beispiele verdeutlichen das vielfältige Innovationspotential. Ein neues datengetriebenes Geschäftsmodell lässt sich in der Telekommunikations-Branche finden. Motionlogic (eine Tochter der Telekom) vertreibt Analysen von Verkehrs- und Bewegungsströmen, die auf anonymen Signalisierungsdaten aus dem Mobilfunknetz basieren. Möglich ist dies durch die smarte Verknüpfung und Auswertung von Daten, welche aus dem Kerngeschäft – dem Mobilfunk – generiert werden. Ein weiteres Beispiel stammt aus der Versicherungs-Industrie: In dem Geschäftsmodell Pay as you Drive (PAYD) werden Kunden dazu angehalten, Daten zu ihrem Fahrverhalten an Versicherungen freizugeben und dafür eine entsprechende Entlohnung zu bekommen. Anhand dieser Daten können Versicherungen genauere Risikoabschätzungen durchführen, woraufhin bei entsprechendem Fahrstil Versicherungskosten heruntergeschraubt werden – eine Win-Win Situation im Sinne eines Anreizsystems. Mehr und mehr etablieren sich weiterhin Plattformen für den (industrieübergreifenden) Austausch und Handel von Daten. BMW beispielsweise stellt mit der Datenplattform BMW CarData für Geschäftskunden anonymisierte Telematik-Daten des Fahrzeugs zur Verfügung – das allerdings nur bei Einwilligung des Kunden. In diesem Kontext nennenswert ist auch Otonomo, ein aufstrebendes Start-Up aus Israel, welches traditionellen Mobilitätsanbietern wie Daimler den Weg zur direkten Monetarisierung von Daten über ihre neutrale Datenplattform ermöglicht (siehe dazu Business Insider).

Es lassen sich noch einige weitere Beispiele für innovative und datengetriebene Geschäftsmodelle anbringen – wirft man einen Blick in die Industrie wird aber auch klar: Das volle Potential für datengetriebene Innovation ist noch lange nicht ausgeschöpft. Langfristige Marktkonstellationen müssen sich erst noch herausbilden. Neben einigen weiteren Herausforderungen fehlt gerade bei traditionellen Playern oftmals noch eine fundamentale Grundlage, um die Monetarisierung von Daten voranzutreiben: Die Etablierung einer strategischen Position von Daten im Unternehmen und das damit verbundene Verständnis, welche Daten im individuellen Unternehmenskontext besonders werthaltig sind.

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Smart Mobility – Daten und Data Sharing als Enabler für smarte Ökosysteme

Der Wert von Daten hängt von ihrem individuellen Kontext ab. Einen ersten Anhaltspunkt hierzu können Unternehmen anhand der vier Dimensionen VRIO gewinnen.

Mark Heinrich

VRIO zur strategischen Bewertung und Positionierung von Daten im Unternehmen

Eine fundierte Möglichkeit zur strategischen Bewertung von Ressourcen einer Organisation beschreibt das von Jay Barney entwickelte VRIO-Framework. Betrachtet man Daten als organisatorische Ressource, so können anhand dieses Frameworks erste Einschätzungen getroffen werden, welche Daten besonders werthaltig sind und wie diese im Unternehmen positioniert werden müssen um ihren Wert entfalten zu können.

VRIO umspannt die vier Dimensionen Value, Rareness, Imitability und Organization. Je besser Daten in diesen Dimensionen abschneiden, desto höher ist ihre Wettbewerbsrelevanz und damit ihr Wert für die Organisation. Dies lässt sich wie folgt veranschaulichen: Ein Datensatz ist besonders werthaltig, wenn dieser für die Organisation Chancen eröffnet (Value), welche dem Wettbewerb nicht zur Verfügung stehen (Rareness) und sich auch nicht leicht imitieren lassen (Imitability). Zur Nutzung dieser einzigartigen Chancen muss die Organisation zudem fähig sein, den Datensatz effektiv einsetzen zu können (Organization). Es muss also ein passender organisatorischer Rahmen zur Monetarisierung von Daten geschaffen werden.

Chancen, Daten im Sinne der Dimension Value zu monetarisieren sind vielfältig. Daten können sowohl direkt als auch indirekt einen großen Mehrwert für Unternehmen liefern, Möglichkeiten hierfür - von der Unterstützung von Entscheidungen bis zum Schaffen neuer Geschäftsmodelle - wurden oben bereits aufgezeigt. Wichtig dabei ist die Sicherstellung der Datenqualität. Unvollständige, falsche oder veraltete Datensätze können nicht nur wertlos sein, sondern bei unsachgemäßer Verwendung auch aktiv Schäden verursachen, beispielsweise durch schwerwiegende Fehler in Geschäftsprozessen. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass Daten wertvoller werden, wenn sie miteinander in Bezug gebracht werden. So lassen sich aus einem Gesamtverständnis zu Kundenverhalten über eine komplette Customer Journey mehr unternehmerische Chancen ableiten, als aus Daten zu einem einzelnen Touchpoint.

Setzt man die Dimension Rareness in den Kontext von Daten in einem Smart Mobility Ökosystem, stellt dies auf den ersten Blick einen Widerspruch dar, denn gewisse Daten müssen zur Ermöglichung eines nahtlosen Mobilitätserlebnisses zwischen Playern geteilt werden und können damit nicht selten sein. Dies gilt allerdings nur für bestimme Datenkategorien, wie beispielsweise Echtzeitdaten oder Mobilitäts-Stammdaten (siehe Artikel Data Sharing im Mobility-as-a-Service Zeitalter). Für weitere Daten (so z.B. Insights zu Kundenverhalten), welche attraktive Chancen bieten und nicht jedem Wettbewerber im gleichen Ausmaß, ist es gut nachvollziehbar, dass diese um jeden Preis unter Verschluss gehalten werden sollen.

Sind Daten darüber hinaus durch den Wettbewerb nur schwer zu imitieren (Imitability), so handelt es sich wahrlich um strategisch wertvolle Ressourcen. Je höher der nötige Aufwand für den Wettbewerb zur Erlangung der Datensätze, desto besser für das eigene Unternehmen. Der Aufbau einer eigenen Connected Car Flotte zur Erhebung von Telematikdaten wäre etwa mit sehr hohem Aufwand verbunden, eine einzelne Kundenbefragung dagegen vergleichsweise simpel.Während alle drei Dimensionen gemeinsam einen Anhaltspunkt dafür geben, wie wertvoll Daten für den individuellen Unternehmenskontext sind, muss das Unternehmen auch die Fähigkeit besitzen, Profit aus ihnen zu schlagen (Organization). Zum Aufbau solcher Fähigkeiten bedarf es der strategischen Positionierung von Daten im Unternehmen sowie der Etablierung eines geeigneten Operating Models.

Erst durch das Schaffen der richtigen Rahmenbedingungen können Unternehmen das volle Potenzial zur Monetarisierung von Daten ausschöpfen.

Mark Heinrich

Zur Etablierung und nachhaltigen Verankerung des Operating Models empfiehlt es sich auf bewährte Praktiken und Methoden organisatorischer Transformation zurückzugreifen. Die optimale Herangehensweise für ein solches Unterfangen hängt in hohem Maß vom individuellen Unternehmenskontext ab und geht über den Inhalt dieses Artikels hinaus. Einen ersten Überblick zu wichtigen Handlungsfeldern liefert die untenstehende Darstellung, welche das VRIO Framework mit vier zentralen Dimensionen zum Aufsetzen und Verankern eines geeigneten Operating Models visualisiert.

Wenngleich Ergebnisse der Detecon Studie ‚Datenstrategien in Smart Mobility‘ aufzeigen, dass Potentiale zur Monetarisierung von Daten in der Mobilitätsbranche oftmals noch nicht ergriffen werden, so zeichnet sich gleichermaßen eine klare Zuversicht befragter Mobilitätsanbieter ab, ihre datengetriebene Zukunft selbstständig zu gestalten. Möglichkeiten zur Nutzung und Monetarisierung von Daten sind vielfältig. VRIO bietet einen ersten Ansatzpunkt, werthaltige Daten zu identifizieren und in einen passenden organisatorischen Kontext einzubetten.

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