Klimaneutralität bis 2030 in der Verwaltung: Ambitionierte Ziele treffen auf mangelndes Datenmanagement

Der Klimawandel stellt eine globale Herausforderung dar, die dringendes Handeln, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, erfordert. Die staatliche Verwaltung muss deshalb wirksame Strategien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen erarbeiten und implementieren. Die Erhebung, Verarbeitung und das Reporting von standardisierten Nachhaltigkeits-relevanten Daten stellt dabei eine der größten Herausforderungen für die Verwaltung dar. Ministerien und Behörden werden in den nächsten Jahren mit hohen Investitionen in ihre Infrastruktur rechnen müssen. Das Thema Klimaneutrale Verwaltung muss dementsprechend als höchste Priorität in der IT, Beschaffung und Gebäudebewirtschaftung der Verwaltungen behandelt werden. Die oberste Leitungsebene muss das Ziel der klimaneutralen Verwaltung aktiv fördern und bei größeren Behörden eine federführende Organisationseinheit bestimmen, die koordiniert und steuert. (Teil 1/2)

Vorbildfunktion öffentliche Verwaltung?

Die deutsche Bundesregierung hat sich mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt, eine klimaneutrale Bundesverwaltung bis 2030 zu erreichen (§15 KSG). Dieser Schritt verleiht der öffentlichen Hand eine wichtige Vorbildfunktion, sowohl in Bezug auf die Einhaltung von Klimaschutzgesetzen als auch im Hinblick auf die Reduzierung eigener Treibhausgasemissionen. Gesamtdeutschland soll nach dem aktuellen Klimaschutzgesetz im Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen. Trotz dieser hohen Verantwortung stößt die öffentliche Verwaltung auf Herausforderungen wie begrenzte Ressourcen, langsame Digitalisierung und Entscheidungsprozesse sowie öffentlichen Druck.

7 entscheidende Jahre 

Während die Bundesverwaltung sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 klimaneutral zu werden, zeichnet sich auf Landes- und Kommunalebene ein heterogenes Bild ab. Beispielweise will das Land Bayern bis 2028 das Ziel der klimaneutralen Verwaltung erreichen, während das Land Niedersachsen dies bis 2040 anstrebt.

Abb. 1: Überblick zur Klimaneutralen Verwaltung auf Bund- und Länderebene

Auf kommunaler Ebene liegen die Zielvorgaben für Verwaltungen häufig zeitlich nach den Zielen der Landesverwaltung. Auch die Aufgabenbereiche von Ministerien und Behörden unterscheiden sich stark und verlangen dementsprechend unterschiedliche Maßnahmen für eine effiziente Reduktion von Treibhausgasen. Die Bedeutung und Herausforderung des öffentlichen Sektors in der Reduktion von Treibhausgasen wird deutlich an den Beschaffungsvolumina, der IT und den Mitarbeiter*innen:

  • Beschaffung: Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand in Deutschland beziffert die OECD mit rund 500 Mrd. € bzw. 15 % des BIP. Dies verdeutlicht den großen Hebel, den die Verwaltung in der gesamtwirtschaftlichen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit hat. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima, soll demnächst durch eine AVV Umwelt abgelöst werden) für Bundesbeschaffungsvorgänge bezieht erstmals Lebenszykluskosten und Kosten der verursachten Treibhausgasemissionen ein. Darüber hinaus wird im aktuellen Entwicklungsprozess zur nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie die öffentliche Beschaffung als wesentlicher Treiber einer ressourcenschonenden zirkulären Wirtschaft genannt. Nachhaltigkeitskriterien, wie z.B. Energieeffizienz und Zertifizierungen, sind deshalb schon in der Bedarfsermittlung besonders zu berücksichtigen.  
  • IT: Die IT, insbesondere Rechenzentren, sind eine der größten Emittenten von schädlichen THG-Emissionen in der Verwaltung. Nach Beschluss des IT-Rates vom 13.09.2022 müssen bundeseigene Rechenzentren grundsätzlich die Kriterien des Blauen Engels erfüllen. Die kontinuierliche Datenerhebung für Kennzahlen des Blauen Engels (z.B. PUE, REF, CUE, etc.) sowie die Einführung von EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) sowie LUMASPlus (Liegenschaftsbezogenes Umweltmanagement- und Auditsystem) ist für die Reduktion der THG sowie die Berichterstattung unabdingbar. Aktuell erfüllt von 184 Bundes-Rechenzentren (Stand 2022) nur eines die Kriterien des Blauen Engels (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie). Auf Landesebene hat ein öffentlicher IT-Dienstleister seine Rechenzentren von 6 auf 1 (an 2 Standorten) reduziert und betreibt nun eines der energieeffizientesten Rechenzentren (PUE von 1,25) in Deutschland. Neben der Optimierung von unbedingt notwendigen On-Prem-Rechenzentren ist die intensivere Nutzung von Cloudserviceanbietern für eine konsequente Dekarbonisierung ebenfalls unabdingbar.   
  • Mitarbeiter*innen / Organisation: Nach Daten des Statistischen Bundesamtes erreichte die Anzahl der Mitarbeiter*innen im öffentlichen Sektor 2021 erstmals über 5 Mio. Menschen und ist somit der größte Arbeitgeber in Deutschland. In der Bundesverwaltung allein arbeiten rund 500.000 Menschen in aktuell 16 Bundesministerien und über 950 Bundesbehörden. Bei der Transformation zur klimaneutralen Verwaltung sind die aktive Kommunikation und Einbindung der Mitarbeiter*innen bei großen Organisationen deshalb besonders wichtig, um interne Widerstände und Missverständnisse zu vermeiden. Dafür braucht es klare Verantwortlichkeiten, eine cross-funktionale Vernetzung sowie Aufklärung über den „Wert“ der Transformationsprojekte.       
Abb. 2: Handlungsfelder für den Öffentlichen Sektor

Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken“ 

In allen drei Bereichen ist das Tracking des aktuellen Status und Fortschritts notwendig. Nur durch eine kontinuierliche Messung können Maßnahmen abgeleitet sowie Emissionen und Kosten gesenkt werden. Die Messbarkeit der Wirksamkeit von eingeleiteten Maßnahmen ist dabei von entscheidender Bedeutung, um langfristig evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen.

Wo sind die Daten? 

Die größte Herausforderung stellt dabei für viele Ministerien und Behörden die mangelnde Datenverfügbarkeit und Datenqualität dar. Die Bedeutung einer umfassenden Datennutzung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dieses Bewusstsein ist auch in der öffentlichen Verwaltung angekommen und wird durch die aktualisierte Nationale Datenstrategie 2023 unterstrichen. Insbesondere die Transformation hin zu einer klimaneutralen Verwaltung bedarf einer intensiveren Auseinandersetzung mit der Verfügbarkeit und Qualität der Daten. Behörden müssen sich hier u.a. die Frage stellen, ob ihre Datenstrategie bereits nachhaltigkeitsrelevante Datenpunkte berücksichtigt – Auf welcher Datenbasis berichte ich schon heute Emissionen? Habe ich eine klare Übersicht über alle verfügbaren Daten in meiner Behörde (Datenkatalog)? Verfüge ich über Daten zu meinen aktuellen IT-Assets und deren Stromverbrauch / Nutzungsdauer? Wie werden diese Daten erhoben, gesichert und aktualisiert? Auf Bundesebene können hier u.a. die initiierten Datenlabore wesentlich an der Weiterentwicklung und dem Bewusstsein in der Verwaltung beitragen.

Es wird deutlich, dass die öffentliche Verwaltung einen wirksamen und transparenten Ansatz benötigt, um Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität umzusetzen und deren Wirksamkeit zu überwachen. Die Ermittlung der Treibhausgasemissionen ist der erste Schritt, um die Transformation zu einer klimaneutralen Verwaltung zu erreichen. Insbesondere hier muss die öffentliche Verwaltung die Datenerhebung und -qualität erhöhen. Im folgenden Kapitel erläutern wir den ersten Schritt für eine intelligente Datenerfassung für THG-Emissionen zur Erreichung der klimaneutralen Verwaltung.

Treibhausgasemissionen ermitteln (Schritt 1/3)

Eines der Hauptprobleme bei der Erfassung und Bilanzierung von CO₂-Emissionen ist die Datenerhebung. Es fehlt an (digitalen) Daten, entsprechender Datenqualität und -transparenz sowie einer ausreichenden Infrastruktur. Zudem erschweren unterschiedliche Definitionen und Systeme innerhalb von Verwaltungen eine einheitliche und wirksame Datenerfassung.

Ein Beispiel:

Die öffentliche Verwaltung steht vor der Herausforderung, relevante Daten nutzbar zu machen und eine geeignete Vorgehensweise zu finden. An dieser Stelle ist ein Beispiel der Erfassung der THG im Bereich Fuhrpark zu nennen. In der Regel werden bereits Informationen von einem Fuhrparkmanager erhoben, wie die gefahrenen Kilometer und der Verbrauch einzelner Fahrzeuge. Die Erfassung erfolgt meist händisch oder in einer eigens geführten digitalen Liste. Um die Informationen zur Messung der Klimaneutralität zu nutzen, müssen diese an einen Nachhaltigkeitsmanager in der Verwaltung übermittelt werden. Dieser berechnet daraufhin in einem anderen System die CO2-Äquivalente, um letztendlich eine CO2-Bilanz aufzustellen.

Handlungsempfehlungen aus der Praxis: Wie relevante Daten für die CO2-Bilanz einer Verwaltung ermittelt werden können

Das Beispiel verdeutlicht den Mehraufwand, um an die relevanten Daten zu gelangen. Aufgrund der genannten Herausforderungen in der öffentlichen Verwaltung sind Maßnahmen zur Erfassung und Reduzierung von Treibhausgasemissionen von entscheidender Bedeutung.

Unsere Handlungsempfehlungen für eine systematische Datenerhebung und -integration:

  1. Verwaltung, Prozesse und IT-Infrastruktur: Ziel sollte es sein, Fachbereiche zu befähigen, relevante Daten selbst zu erfassen und bereitzustellen. Der Einsatz einer zentralen Stelle für die Datenverarbeitung kann die Datenqualität verbessern.
  2. Anforderungen an die Daten: Daten sind das Schlüsselelement zur Identifikation der Hauptemittenten und zur Messung der Wirksamkeit von Maßnahmen. Daher sind Strukturen erforderlich, um eine zuverlässige Datengrundlage zu schaffen.
  3. Vorgehensweise der Erhebung: Sobald die Datengrundlage erstellt ist, sollte eine daten- und faktenbasierte Erhebung erfolgen. Es ist wichtig, die Erhebung so zu gestalten, dass die Ergebnisse später in der gewünschten Form aufbereitet werden können.
  4. Integration der Daten: Abhängig vom Digitalisierungsgrad und der Komplexität der Verwaltung gibt es verschiedene Ansätze zur zentralen Bearbeitung der Daten. Dabei sollte ein Ansatz gewählt werden, der eine konsistente und umfassende Datenbasis ermöglicht.
  5. Vorgehensweise der Bilanzierung: Wissen über den aktuellen CO₂-Verbrauch und dessen regelmäßige Aktualisierung sind erforderlich, um Maßnahmen zu entwickeln und ihre Wirksamkeit zu messen. Es sollte eine Bilanz erstellt werden, um einen Gesamtüberblick des CO₂-Verbrauchs zu erhalten.

Prinzipiell ist es zu empfehlen, sich an vergleichbaren Verwaltungen zu orientieren und auf bereits etablierte Vorgehensweisen zu setzen. Als Beispiel ist die Vorgehensweise einer Landesverwaltung zu nennen, die die Schritte ihrer CO2-Bilanzierung öffentlich darstellt und die Berechnungen den Verwaltungen als Excel-Datei zur Verfügung stellt. Die Schritte zur Berechnung der Gesamtemissionen umfassen die Ermittlung der CO2-Emissionsquellen, die Festlegung der Organisationseinheiten sowie die Erhebung der Tätigkeits- und quellenspezifischen Primärdaten. Die Erfassung der Emissionen erfolgt nach dem „Werktorprinzip“, die innerhalb der Verwaltung entstehen. Die Primärdaten der Gebäude werden aus verschiedenen Datenbanken exportiert oder im Fall von angemieteten Flächen selbst extrapoliert. Die Erfassung aus den verschiedenen Bereichen läuft an einer zentralen Stelle zusammen, in der die Gesamtberechnung der CO2-Bilanz erfolgt.

Allein mit der Ermittlung der Treibhausgasemissionen ist jedoch das Ziel der Klimaneutralen Verwaltung bisher nicht erreicht. Auf Basis der Erkenntnisse über den eigenen Verbrauch sind Maßnahmen zu entwickeln, die effektiv sind. Auch dazu sollte eine Öffentliche Verwaltung auf eine datenbasierte Vorgehensweise setzen.

Im zweiten Teil des Artikels werden wir auf die nächsten Phasen zur datenbasierten Erreichung einer klimaneutralen Verwaltung eingehen: Maßnahmen ableiten und Maßnahmen tracken. 

Lesen Sie hier Teil 2