Partnering und Co-Innovation sind Kernthemen der Zukunft. Thomas Heilen, Leiter Produktmanagement Telekom Deutschland, spricht mit Clemens Aumann, Detecon, über die Bedeutung im Produktmanagement im Hinblick auf Partnerschaften mit OTT-Anbietern und kleinen sowie großen Carriern. Thomas Heilen erläutert die Entwicklungen und Chancen, die das neue digitale Ökosystem für Telekommunikationsanbieter und verschiedene andere Branchen mit sich bringt, anhand von Use Cases und neu aufkommenden Technologien.
Clemens Aumann: Themen wie Edge Computing, Low Latency und 5G werden von der Telekom stark vorangetrieben. Wie wichtig wird angesichts dieser neuen Funktionalitäten in Zukunft das Partnering sein, also die bessere Abstimmung zwischen Telekommunikationsanbietern und verschiedenen Branchen? Wie wichtig, wie neu werden Partnering und Co-Innovation als zukünftige Schwerpunkte im Produktmanagement sein?
T. Heilen: Denken Sie an die Partnerschaft unseres Unternehmens mit Zeiss, die wir auf dem Mobile World Congress 2017 angekündigt haben. Sie veranschaulicht deutlich zwei Ihrer Punkte zur gleichen Zeit: Zum einen die Notwendigkeit, als Partner konkrete Lösungen zu entwickeln, zum anderen den konkreten Benefit, der mit den Möglichkeiten neuer Technologien wie 5G verbunden ist. Generell ist für viele zukünftige Anwendungen das Technologiekonzept des Edge Computing entscheidend. Damit ist es möglich, die für Anwendungen und Betriebssysteme benötigte Rechenleistung aus winzigen Geräten herauszunehmen und stattdessen in Cloud-Elementen anzusiedeln, die Teil von Netzwerken mit geringer Latenz sind. Dies ist ein entscheidender Faktor, wenn zukünftige Geräte - wie Wearables - leicht, erschwinglich, angenehm zu tragen mit attraktiven Formfaktoren und mit nahezu unbegrenzter Rechenleistung ausgestattet werden sollen. Was die Entwicklung in Partnerschaften angeht, so werden wir gemeinsam mit unseren Partnern vorgehen, um beispielsweise die Grenzen der jeweiligen Anwendungsbereiche zu bestimmen.
Ansätze wie offene Entwicklerplattformen können hier sehr hilfreich sein. Diese gemeinsamen Anstrengungen sind für uns eine enorme Hilfe bei der Konkretisierung unserer spezifischen Entwicklung für verschiedenste Konzepte wie Edge Computing. Nur so lassen sich konkrete Fragen definieren und beantworten, z. B. nach Größe, Eigenschaften und Verteilung von Cloudlets (den physikalischen Speichereinheiten in mobilen Netzen) oder nach der konkreten Ausprägung der Latenz. Konnektivität wird zunehmend unverzichtbar für das digitale Leben, sowohl privat als auch geschäftlich. 5G bietet die Chance, maßgeschneiderte Konfigurationen für verschiedene Anwendungsfälle zu schaffen; das ist sowohl für uns wichtig, um begrenzte Netzressourcen weiterhin effizient nutzen zu können, als auch für Kunden und Nutzer, da auch sie unterschiedliche Anwendungsfälle und damit verbundene Anforderungen haben.
Wenn wir uns die 5G-Anwendungsfälle ansehen, sehen wir derzeit eine breite Palette neuer Möglichkeiten, vor allem in der kommerziellen und industriellen Nachfrage: (Industrial) IoT und autonomes Fahren sind nur zwei von unzähligen Beispielen. Im Consumer-Bereich werden Kunden künftig von höheren Bandbreiten und geringeren Latenzen profitieren - diese Faktoren werden sich im positiven Sinne beim Videokonsum bemerkbar machen. Den revolutionären "neuen" 5G-Use-Case sehen wir allerdings noch nicht - wird es VR/AR sein oder etwas anderes? Wir können sicher nicht behaupten, AR/VR-Spezialisten zu sein, daher kooperieren wir mit anderen Unternehmen, auch Start-ups, um sowohl die technischen Enabler besser kennenzulernen als auch den Markt einzuschätzen.
Wie wichtig sind (oder werden) Partnerschaften auf der Dienstebene mit OTT-Anbietern? Gibt es unterschiedliche Auffassungen über Kooperationen mit den Big 5 (Amazon, Google, Apple, Facebook und Microsoft) auf der einen Seite und mit den kleineren, spezialisierten Anbietern wie Deezer, Spotify etc. auf der anderen Seite? Werden wir Ökosysteme sehen können, die vielleicht auf Kooperationen mit Carriern abzielen?
Wir haben bei der Telekom schon sehr früh begonnen, auf Partnerschaften zuzugehen. Ich erinnere an die Partnerschaft mit Apple und die exklusive Vermarktung des iPhones vor 10 Jahren. Oder denken Sie an Spotify, mit dem wir 2012 eine exklusive "Volume"-Partnerschaft auf den Markt gebracht haben - zu einer Zeit, als Spotify noch lange nicht so bekannt war wie heute. Auch hier beobachten wir gewisse Zyklen. Das Beispiel Spotify zeigt, dass sich Partnerschaften im Laufe der Zeit verändern; aus einer exklusiven Partnerschaft, die ursprünglich unsere Differenzierung unterstützte, kann ein offeneres Modell mit mehreren Anbietern werden. An unserem Dienst StreamOn nehmen heute eine Reihe von Musikstreaming-Anbietern teil.
Wir werden weiterhin nach Partnern suchen, insbesondere in den Bereichen außerhalb unserer Kernkompetenz, auch und zunehmend im Bereich der TV-Inhalte. Das sehen Sie heute an unseren Partnerschaften mit Sky und Netflix. Auch hier ist der Premium-Gedanke maßgebend; wir suchen uns die Partner, mit denen wir unseren Kunden die höchste Qualität in Inhalt und Erlebnis bieten können. Aus Sicht der Kunden sind hier sicherlich große Vereinfachungen vorstellbar. Heute wird man noch von jedem einzelnen Partner aufgefordert, sich als Kunde zu registrieren - mal mehr, mal weniger ausführlich - und seine persönlichen Daten anzugeben. Der "Besitz" des Kunden wird als ein zentraler Wert für jedes Unternehmen gesehen. Eine spannende Entwicklung in dieser Hinsicht sehen wir in den aktuellen branchenübergreifenden Initiativen, wie z.B. der Datenallianz Verimi, die neue Wege beschreiten. Es gibt einen aktiven Wettbewerb mit den Single-Sign-On-Verfahren bei Facebook und Google, aber mit EU-rechtskonformer Datensicherheit und Privatsphäre.
Was die Ökosysteme angeht, sehe ich hier die treibenden Kräfte auf globaler Ebene, auch mit Playern aus Asien wie Alibaba oder Tencent, und nicht nur den Wettbewerb zwischen der EU und den USA. Die nächsten spannenden Jahre werden zeigen, welche Rolle Telekommunikationsanbieter am Ende des Tages spielen werden. Neben der in absoluten Zahlen signifikant höheren Nutzerzahl wird der Umfang und die Qualität der Daten eine entscheidende Rolle spielen. WeChat bietet viele verschiedene Funktionen, die es den Nutzern ermöglichen, den größten Teil ihres digitalen Lebens in diesem einen Bereich zu verbringen. Telekommunikationsanbieter, die im europäischen Rechtsrahmen agieren, verfügen im Vergleich dazu über einen deutlich geringeren Datenschatz.