Zeitenwende im öffentlichen Sektor: Erkenntnisse und Perspektiven vom Fachkongress „Digitaler Staat 2023“

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht und alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst - auch den öffentlichen Sektor. Auf dem diesjährigen Fachkongress „Digitaler Staat“ wurde die Entwicklung der digitalen Verwaltung in Deutschland auf den Prüfstand gestellt. Hierbei standen unter anderem die Themen Cloud-Transformation, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und Datenanalyse sowie Nachhaltigkeit im Fokus.

Es ist die Rede von einer „Zeitenwende“ in der öffentlichen Verwaltung, die neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Leistungen für Bürger*innen schaffen und zur Förderung nachhaltiger Praktiken beitragen soll. Dieser „Kommentar“ lädt zu einer kritischen Reflexion der oben genannten Themen ein und stellt verschiedene Handlungsoptionen für einer digital transformierte und nachhaltige öffentliche Verwaltung in Deutschland auf.

Die Cloud-Transformation im öffentlichen Sektor: Ein Wendepunkt in der öffentlichen Verwaltung?

Die Umstellung auf Cloud-basierte Dienste stellt einen Paradigmenwechsel dar, der die Art und Weise wie Dienstleistungen im öffentlichen Sektor erbracht und genutzt werden, grundlegend verändert. In Zeiten schnelllebiger Technologie haben Cloud-Dienste das Potenzial, die Effizienz, Skalierbarkeit und Flexibilität der öffentlichen Verwaltung zu verbessern. Gleichzeitig ermöglichen sie innovative Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen und tragen zur Erhöhung der Zufriedenheit von Bürger*innen bei, deren Anforderungen immer stärker in Richtung „digital-first“ gehen. 

Der Fachkongress „Digitaler Staat“ hat verschiedene Aspekte des Cloud-Einsatzes im öffentlichen Sektor hervorgehoben, darunter Technologie-Adoption, Datenschutz und -sicherheit, Personalentwicklung und die Interoperabilität von Systemen. Gleichermaßen wurden auch die Hürden, die mit einer Cloud-Integration verbunden sind, diskutiert.

  • Wie viel Souveränität ist nötig?
  • Wie viel Public Cloud möglich?
  • Inwiefern können auch Multi-Cloud-Ansätze, also z.B. eine Mischung aus öffentlichen, privaten und hybriden Cloud-Diensten, in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung integriert werden?

Diese und weitere Fragen sollten individuell geprüft und anhand des jeweiligen Kontextes adressiert werden.

Darüber hinaus darf auch die kulturelle Komponente nicht außer Acht gelassen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, eine Kultur der Veränderungsbereitschaft und des kontinuierlichen Lernens zu fördern, sodass Akzeptanz geschaffen und die Menschen beim Übergang zur Cloud-Technologie eingebunden werden. Change-Management-Techniken, Trainings sowie agile und kollaborative Arbeitsmethoden sollten hierbei zum Einsatz kommen.  

Dass der Wandel in Richtung Cloud im öffentlichen Sektor bereits in vollem Gange ist, wurde auf dem „Digitalen Staat“ deutlich. Nun gilt es, diesen Prozess zu unterstützen und kontinuierlich voranzutreiben, um die öffentlichen Dienstleistungen der Zukunft digitaler, nutzerfreundlicher und bürgernäher zu gestalten.

Künstliche Intelligenz und Datenanalyse: Wie können Daten die Entscheidungsfindung verbessern?

Mit dem Übergang zur Cloud werden riesige Mengen an Daten generiert und gespeichert, die für Datenanalyse und Künstliche Intelligenz (KI) genutzt werden können. Dies ermöglicht es prinzipiell den öffentlichen Organisationen Muster in ihren Daten zu erkennen, Vorhersagen und noch stärker als bisher faktenbasierte Entscheidungen zu treffen.

ChatGPT hat das Interesse an KI-Lösungen auch in der öffentlichen Verwaltung gestärkt. Der Einsatz von KI setzt voraus, dass Daten in einem maschinenlesbaren Format und in guter Qualität vorhanden sind. Data-driven-government bzw. daten-getriebene Verwaltung ist ein wichtiges Element, um KI in der Verwaltung sinnvoll einzusetzen. KI kann Prozesse effizienter und automatisiert gestalten, um die Mitarbeiter*innen in der öffentlichen Verwaltung zu unterstützen. Das BMF setzt KI u.a. zur Analyse von großen Datenbeständen ein. Auch in der Kommunikation mit Bürger*innen über Chatbots wird KI bereits in mehreren Bundesministerien verwendet. Insbesondere Large Language Models, eine spezielle Form von KI, haben hierbei das Potenzial, Konversationen via Chatbots in der öffentlichen Verwaltung weiter zu verbessern.

Der Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung verlangt ein hohes Maß an Datenschutz und Vertrauenswürdigkeit. Die Datenverarbeitung von Bürger*innen als auch Verschlusssachen ist mit ethischen und gesetzlichen Risiken verbunden. Ministerielle Leitfäden zum Umgang mit KI und auch On-Premise Lösungen für die Datenverarbeitung von besonders schutzwürdigen Dokumenten sind ein Weg, um eine sichere Nutzung von KI in der Verwaltung sicherzustellen.

Die Diskussionen beim Fachkongress „Digitaler Staat“ zeigten, dass für den Einsatz von KI die Datenqualität in der öffentlichen Verwaltung nicht ausreichend ist. Derzeit gibt es oft keinen ganzheitlichen Überblick über vorhandene Daten, z. B. in einer Behörde, oder Daten werden gar nicht erst gesammelt. Deshalb ist es wichtig, die Datenkompetenz in der Verwaltung weiter auszubauen und organisatorische Silos aufzubrechen. Die Erfassung und Optimierung aktueller Prozesse der Mitarbeiter*innen ist notwendig, um diese anschließend in einer digitalen Lösung oder KI umzusetzen. Dies setzt ein intelligentes Prozessdesign und -management voraus.

Der Einsatz von KI in Verwaltungsvorgängen sollte schrittweise und in enger Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden erfolgen. Die Basis für eine erfolgreiche KI-Implementierung bildet das Vertrauen der Nutzer*innen in die digitale Lösung. Mit der Einführung von Richtlinien zur Entwicklung und Nutzung von KI-Lösungen (Digital Ethics Framework) kann die Einhaltung von ethischen und gesetzlichen Grundsätzen sichergestellt werden. Zudem muss eine hohe Datenqualität gewährleistet sein, die für Maschinen lesbar und interpretierbar ist. Pilotprojekte können als probeweise Einführungen dienen, um die Effektivität der Lösung innerhalb der Verwaltung zu prüfen, bevor diese umfassend eingeführt wird.

 

Nachhaltigkeit: Ist eine klimaneutrale Verwaltung bis 2030 möglich?

KI und Datenanalyse können genutzt werden, um nachhaltige Lösungen im öffentlichen Sektor zu fördern. Zum Beispiel kann die Analyse von Umweltdaten helfen, effiziente und nachhaltige Praktiken zu identifizieren und umzusetzen.

Das Klimaschutzgesetz legt fest, dass die Verwaltung bis 2030 klimaneutral organisiert werden soll. Für die Bundesverwaltung wird die Koordinierungsstelle Klimaneutrale Verwaltung (BMWK, vorher BMU) ein Maßnahmenprogramm im Herbst vorlegen. Die größten Hebel für die Verringerung von Treibhausgasen liegen in der digitalen Infrastruktur, der Hardware und der Beschaffung (z. B. durch die Aufnahme von Nachhaltigkeitskriterien im Vergabeverfahren). Für eine konsequente nachhaltige Transformation der öffentlichen Verwaltung stehen gleichermaßen Daten im Zentrum der Erfassung von CO2-Emissionen, dem Monitoring und der Ableitung von Maßnahmen. Bei allen Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit müssen potenzielle Rebound-Effekte1 berücksichtigt werden.

Bei der digitalen Infrastruktur können insbesondere durch Energieeinsparungen in Rechenzentren Effizienzgewinne und somit eine Reduktion von CO2 erzielt werden. Der IT-Planungsrat hat in diesem Zusammenhang die Verpflichtung zur „Blauen Engel“-Zertifizierung für neu errichtete Rechenzentren festgelegt. Folgend diesem Beschluss wird das ITZBund ein neu geplantes Rechenzentrum in Berlin entsprechend den Kriterien des „Blauen Engels“ entwerfen und realisieren. Um diese zu erfüllen, sind zahlreiche Mindeststandards zu berücksichtigen. Hierzu gehört die kontinuierliche und vollständige Erfassung relevanter Indikatoren und Leistungskennzahlen (KPIs). Dadurch wird einmal mehr die Bedeutung einer umfassenden und strukturierten Datenerfassung betont.

Viele Redner beim Fachkongress „Digitaler Staat“ hoben hervor, wie digitale Lösungen dazu beitragen können, die Nachhaltigkeit in der öffentlichen Verwaltung zu fördern. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Einsatz von sogenannten „Datenräumen“ (Data Spaces). Diese ermöglichen das Zusammenführen von Daten aus unterschiedlichen Quellen, wie beispielsweise verschiedenen Kommunen, der Abfallwirtschaft und privaten Unternehmen.

Nachhaltigkeit bedeutet auch eine Stärkung der Resilienz von Behörden. Die intelligente Nutzung und Verknüpfung von unterschiedlichen Datenquellen führt zu neuen Erkenntnissen für nachhaltiges Handeln. Die Integration von Daten ermöglicht es zum Beispiel, Satellitendaten mit Sensordaten zu verbinden, was Gefahrenanalysen verbessert und zum Umweltschutz beiträgt.

Zusammenfassung & Handlungsempfehlungen

Der „Digitaler Staat 2023“ hat ein umfassendes Bild zum Stand der digitalen Verwaltung in Deutschland geboten. Unser Fazit: Es gilt immer noch, viele Potenziale zu heben. Die verschiedenen Beispiele und Best Practices des Fachkongresses dienen als Inspiration, nun gilt es jedoch den Worten Taten folgen zu lassen und die digitale Verwaltung von morgen bereits heute zu gestalten

Abbildung 1: Handlungsoptionen für einer digital transformierte und nachhaltige öffentliche Verwaltung

Hierbei können unsere Handlungsempfehlungen unterstützen: 

  1. Cloud-Transformation: Verschiedene Modelle sollten verglichen und Multicloud-Ansätze erwogen werden, um Gestaltungsspielräume zu ermöglichen. Es empfiehlt sich mithilfe von Change-Management-Methoden, Trainings, Agilität und Kooperation die kulturelle Komponente der Cloud-Transformation zu begleiten.
  2. Künstliche Intelligenz und Datenanalyse: Eine konsequente Umsetzung der Datenstrategie des Bundes ist unerlässlich, insbesondere im Hinblick auf Datenmanagement und -infrastruktur. Datensilos müssen aufgebrochen werden, um mutig KI-Pilotprojekte umzusetzen und schrittweise das Vertrauen und die Datenkompetenzen auszubauen. 
  3. Klimaneutrale Verwaltung bis 2030: Nachhaltigkeitsziele sollten klar definiert und konkrete Handlungsfelder identifiziert werden, die dann durch entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden können (inklusive kontinuierlichem Monitoring und Reporting). Die Beschaffung sollte als zentrales Lenkungsinstrument einer nachhaltigen Verwaltung verstanden und Kriterienkataloge entwickelt werden. Zudem empfiehlt es sich, digitale Lösungen und Green-IT zu implementieren, da diese im ersten Schritt den größten Hebel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen haben.

Durch den strategischen Einsatz von Cloud-Diensten, der Nutzung von KI und Datenanalysen gepaart mit ressourcenschonenden Praktiken kann Deutschland nicht nur den Service für die Bürger*innen nachhaltig verbessern, sondern auch eine führende Rolle in der digitalen und ökologischen Transformation einnehmen. Dieser Wandel bietet zudem die Möglichkeit, die Agilität und Aufnahmefähigkeit der öffentlichen Verwaltung gegenüber technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu stärken. Damit kann ein Mehrwert geschaffen werden, der weit über den öffentlichen Sektor hinausgeht und die Gesellschaft insgesamt positiv beeinflusst.

1 Rebound-Effekte beschreiben das Phänomen, dass Effizienzsteigerungen in der Nutzung von Ressourcen durch neue Technologien, teilweise durch einen erhöhten Verbrauch bzw. auch in der eigentlichen Produktion kompensiert werden. Dies führt zu einer Reduzierung der erwarteten Einsparungen.