Wie die Digitalisierung Effizienzen im Finanzbereich realisieren kann

Ein Interview mit Babak Ghasemi, Telekom Deutschland GmbH

Babak Ghasemi ist Finanzchef im Privatkundensegment der Telekom Deutschland GmbH und arbeitet mit seinem Team an der Einführung neuer digitaler Technologien, um Effizienzsteigerungen in den Finanzprozessen der Telekom Deutschland zu realisieren. Er berichtet von seinen Erfahrungen aus der digitalen Transformation der Einkaufs- und Buchhaltungsprozesse und zeigt auf, welche Technologien er zur Prozessoptimierung eingeführt hat. Warum man keine Angst vor Veränderungen und zunehmender Automatisierung haben sollte, erklärt er im Gespräch mit Detecon-Berater Emil Matevski. Zudem zeigt er, wie auch seine Kunden durch die digitale Effizienz profitieren.

Welchen Stellenwert hat die Effizienzsteigerung im Kontext der Digitalisierung für Sie?

Babak Ghasemi: Die Frage nach der Effizienz war schon immer ein wichtiges Thema für Unternehmen - nicht nur im Zeitalter der Digitalisierung. Auch die vorhergegangenen Entwicklungsprozesse der industriellen Revolution hatten das Ziel einer effizienten und schnellen Produktion. Heute, mit unseren globalen Liefer- und Logistikketten allerdings, ist die Steigerung der Effizienz ein noch zentraleres Thema geworden. Schlanke und effiziente Unternehmensprozesse können nicht nur die Profitabilität eines Unternehmens verbessern, sondern darüber hinaus ein besseres Kundenerlebnis ermöglichen. Mit dem Einsatz der richtigen digitalen Technologien können Unternehmen so einfach wie noch nie Effizienzen realisieren.

Dennoch tun sich viele Unternehmen schwer, Effizienzpotenziale auf der Basis von digitalen Technologien zu heben. Woran liegt das?

Effizient zu sein, bedeutet vor allem den Mut zu haben, aus alten Mustern herauszubrechen und Veränderungen zuzulassen. Und an dem Punkt tun sich viele Menschen immer noch schwer. Mitunter wird die Digitalisierung als Bedrohung für die Arbeitsplatzsicherheit gesehen. Das ist aber nicht zwangsläufig das Ergebnis von Digitalisierungsprozessen. Darüber hinaus fehlt es vielen Unternehmen an der richtigen Digitalisierungsstrategie und das Know-How, um auf Basis von digitalen Technologien effizient zu arbeiten. Als wir 2016 im Konzern entschieden haben die Einkaufs- und Accounting-Tätigkeiten in unser Shared Service Center innerhalb der Deutsche Telekom Europe Services Europe (DTSE) zu überführen, haben wir uns das Ziel gesetzt, unsere Effizienz durch die Optimierung unserer Prozesse zu steigern. Mit meinem Team habe ich über drei Jahre lang einen Transformationsprozess durchgeführt, um unsere Automatisierungsquote zu steigern und für unsere Kunden digitaler zu werden. Heute blicken wir stolz auf das Ergebnis und können sagen, dass wir unser Leistungsportfolio mit vollem Erfolg einem Effizienzprogramm unterzogen haben. Ein höherer Automatisierungsgrad, der für Effizienzsteigerungen unabdingbar ist, führt insgesamt nicht zwangsläufig zu weniger Arbeit, sondern im besten Fall zu mehr Zeit für höherwertige Tätigkeiten. Unsere Mitarbeiter sind der wichtigste Baustein unseres Unternehmens. Insbesondere in Zeiten der Digitalisierung.

Welche neuen Technologien nutzen Sie zur Effizienzsteigerung und welchen Einfluss haben diese in ihrem direkten Arbeitsumfeld?

Die neuen Technologien helfen uns, schneller, einfacher und transparenter zu werden. Um in 2016 den Procure-to-Pay (PTP) Wertschöpfungsprozess vom Einkauf bis zur Bezahlung optimieren zu können, brauchten wir ein ganz klares und nach Möglichkeit in Echtzeit verfügbares Bild der Prozesslandschaft und ihren Schwächen. Kernelement unserer Strategie war daher die Einführung der Process-Mining-Technologie mit einer Software aus dem Hause Celonis. Beim Process Mining werden Protokolldateien von unseren IT-Systemen erfasst und in ein umfangreiches Echtzeitbild über die tatsächliche Funktionsweise unserer Prozesse umgewandelt. Dadurch waren wir in der Lage, einen objektiven Überblick über unsere Geschäftsabläufe zu erhalten, unsere Prozesse in Echtzeit zu analysieren und eine bessere Zusammenarbeit bei der Prozessoptimierung und Transformation zu ermöglichen. Nach dem die notwendige Transparenz geschaffen war, konnten wir im nächsten Schritt das tatsächliche Effizienzpotential heben. Dabei geholfen haben uns technologische Softwarelösungen von Salesforce oder der Einsatz von Robotics Process Automation, um bestehende Prozesse zu optimieren.

Können Sie den Erfolg auch mit Zahlen belegen?

Natürlich. Zur Messung der Effizienzen im Bereich PTP beispielsweise haben wir unsere KPIs einem externen Benchmark, mit dem im Finanzbereich etablierten Unternehmen Hackett, unterzogen. Da Hackett immer zwischen World Class und Peer Level Benchmark unterschieden hat, konnten wir den Erfolg hier noch besser herausstellen. In konkreten Zahlen ausgedrückt: Unsere Einkaufswagen (EK) hatten im Jahr 2018 eine Durchlaufzeit von 0,52 Tagen - Hackett Benchmark: 0,66 Tage -, die EK no-touch Rate, die den automatisierten Durchlauf der Bestellungen angibt, lag bei 94,8 % - Hackett Benchmark: 66% -, unsere Automatisierungsquote im Einkauf lag bei 66 %; hierzu sind keine Benchmark-Daten vorhanden. Im Bereich der Kreditorenbuchhaltung hatten wir bei der Rechnungsbearbeitung eine Durchlaufzeit von drei Tagen - Hackett Benchmark: drei Tage -, die no-touch Rate lag bei 80,3 % - Hackett Benchmark: 79 % - und schlussendlich haben wir einen riesen Erfolg bei der Vermeidung von Skontoverlusten eingefahren und 94% Skontoverluste vermieden - Hackett Benchmark: 84%. Diese Zahlen sprechen wohl für sich!

Wie sieht es mit dem Einsatz von Robotics Process Automation (RPA) aus?

Wir haben RPA Lösungen zur Automatisierung von manuellen, einfachen, regelbasierten und repetitiven Tätigkeiten eingeführt. Die Softwarelösungen, sog. Front-End-Assistant Lösungen, nutzen die gleichen Systeme (Frontends/User Interfaces) wie heute ein Mitarbeiter. Damit sind keinerlei Anpassungen an den bestehenden IT-Systemen notwendig. Mit Hilfe dieser Technologie konnten wir bereits wesentliche Effizienzen in unseren Einkaufs- und Buchhaltungsprozessen heben. Natürlich muss hier auch ein nachhaltiges Betriebs- und Pflegekonzept aufgesetzt werden. Die Bots müssen nämlich in die betrieblichen Prozesse integriert werden. Hier haben wir bei PTP bereits umfangsreiche Erfahrungen im Change- und Transformationsprozess machen können. Diese Erfahrungen sind für die Einführung von weiteren RPA Lösungen, die wir jetzt auch im Finanzbereich der Telekom Deutschland einführen möchten, sehr wertvoll. Wir möchten unsere Mitarbeiter von manuellen Aufgaben bei Tätigkeiten im Bereich Reporting, Monatsabschluss oder bei Testautomatisierungen entlasten. Der neu gewonnene Freiraum kann für höherwertige Tätigkeiten wie die inhaltliche Analyse, Digitalisierungsthemen oder Projektarbeit genutzt werden.

Und welchen Stellenwert haben Chatbots bei Ihnen?

Unsere Chatbots sind operativ ein gewinnbringender Faktor. Unser Chatbot „Einstein“ bei PTP beantwortet Fragen und weist auf Wissensartikel sowie externe Portale hin, holt Feedback für uns ein, unterstützt bei der Ticketerstellung und -bearbeitung. Außerdem leitet er Live Chats während unserer Öffnungszeiten an unsere First Level Agenten weiter. Darüber hinaus dient er zur Statusabfrage von Belegen. Er hat eine eigene Persönlichkeit und erzählt uns interessante Fakten aus der Telekom. Einstein kann auch Small Talk mit seinem Gegenüber führen. Und das alles 24/7. Diesen Dauerbetrieb, den schnelle Effizienzeffekte bedingen, können wir allein durch menschliches Personal gar nicht leisten.

Nutzen Sie auch Cloud-Lösungen?

Natürlich spielen Cloud-Lösungen bei der Frage nach Effizienzsteigerungen eine zentrale Rolle. In der Zusammenarbeit mit Salesforce haben wir eine Service Cloud zur Einführung einer neuen Supportarchitektur innerhalb der Wertschöpfungskette der PTP Aktivitäten integriert. Hauptbestandteile der Architektur sind Tickettool, Telefonie-Management, Wissensdatenbank und Self-Services. Ziel dabei ist es, die Prozessabläufe im Supportumfeld zu optimieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Aktuell arbeiten wir im Finanzbereich der Telekom Deutschland an der Digitalisierung unseres Berichtswesen und greifen dabei auf eine Analytics Cloud Lösung von SAP zurück. Hierbei handelt es sich um ein Self-Service-Analytics Tool. Es dient als Frontend Tool für die Visualisierung eines digitalen Reportings und ermöglicht Echtzeitanalysen, als auch Planung-, Simulations- und Prognosemöglichkeiten.

In welchen Technologien sehen Sie die langfristige Basis für Effizienzsteigerungen innerhalb von Finanzabteilungen?

Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend an Bedeutung für den Finanzbereich. Die Deutsche Telekom hat bereits vor Jahren in KI investiert und interne Ressourcen sowie Know-how aufgebaut. In nahezu allen typischen Anwendungsfeldern für KI-Systeme sind fertige Lösungen implementiert oder werden umfangreich getestet. Dazu zählen Chatbots zur Interaktion mit Kunden, Credit Scoring zur Bewertung von Kunden, Textmining bei Kunden E-Mails, Vorhersagemodelle für Wartungsfälle bei Endkundengeräten, Betrugserkennung sowie Advanced Analytics Modelle, zum Beispiel im Rahmen des Netzausbaus. KI ist aber kein Thema, das kurzfristig großen Einfluss bringen wird. Sinnvolle Anwendungsfälle für KI-Systeme brauchen große Datenmengen mit sehr guter Datenqualität und sehr viel Zeit, teilweise mehrere Monate bis Jahre. Das Fachwissen von Data Scientists oder Business Experts mit Data Understanding im eigenen Unternehmen ist zwingend notwendig, um KI-Projekte zu realisieren. Hier ist also eher Weitsicht gefragt.

Und was empfehlen Sie für die Realisierung kurzfristiger Erfolge?

Das Thema Advanced Analytics gibt etwas mehr Spielraum her, um kurzfristig Effizienzen zu heben. Analytics bleibt zudem eines der erfolgskritischen Tools auf dem Weg in die Digitalisierung des Finanzbereichs. Wir arbeiten hier beispielsweise aktuell an einem Vorhersagemodell, das mittels einfacher Fortschreibungs-/Regressions-Modelle stattfindet, um auf Basis von internen Finanzdaten einen teilautomatisierten Forecast für relevante KPIs zur Prognose des laufenden und Folgejahres zu erzeugen. Im Fokus der Modellierung stehen aktuell 16 von 28 GuV Positionen, die wir ins Projekt aufgenommen haben. Für einen Konzern unserer Größenordnung ist das eine große Aufgabe, da eine verlässliche Planung für unsere Stakeholder ein Orientierungspunkt in Richtung Ergebnis ist. Auch beim Thema Mengenreduktion von Rechnungen und Zahlungen verfolgen wir einen analytischen Ansatz und konnten dadurch bereits in diesem Jahr die Anzahl der Servicekontakte erheblich verringern. Ein voller Erfolg war auch unser Projekt zur Vorhersage der Cash Capex Verbindlichkeiten bei der Telekom Deutschland. Mit unserer entwickelten Lösung unterstützen wir das Capex Management bei der Cash Capex Prognose und bringen Transparenz in die aktuell fälligen und noch zu erwartenden Capex Rechnungen. Dieses Projekt ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die digitale Effizienz im Finanzbereich.

Wie profitieren Ihre Kunden von den eingeführten Technologien?

Unsere Kunden gewinnen Zeit durch kürzere Prozesslaufzeiten, Geld durch Reduzierung von Ineffizienzen in der Prozesslandschaft, Zufriedenheit, weil das Kundenerlebnis besser wird und Kapazitäten, um anspruchsvollere und analytische Aufgaben, die ohnehin stärker an Bedeutung gewinnen, zu übernehmen.

Inwieweit können digitale Technologien dabei behilflich sein, sich im Wettbewerb besser zu positionieren?

Wenn Sie wissen, welche Entscheidungen ihre Kunden morgen treffen werden und welche Trends sie beeinflussen werden, können sie ihre Vertriebsmaßnahmen zielgenauer ansetzen. Darüber hinaus helfen uns die neuen Technologien im Finanzbereich unsere Kennzahlen besser zu managen und damit unser Kapitalmarktversprechen genauer einzuhalten. Je kontrollierbarer und transparenter die Vorgänge ihres Geschäftes für sie sind, desto effizienter können sie ihr Geschäft steuern und sich damit im Wettbewerb besser positionieren. Allerdings rate ich davon ab zu glauben, dass jede neue Technologie immer pauschal ihren Zweck erfüllt. Man muss sich schon ganz genau überlegen, welche Technologie für welche Problemstellung einen Mehrwert schaffen kann. Die Investitionen sind in der Regel hoch und amortisieren sich erst mittel- bis langfristig. Wir generieren weitere Anwendungsfälle, um Prozesse und Geschäftsvorgänge noch stärker transparent und effizient zu machen. Dabei werden wir noch stärker an unsere Fachbereiche heranrücken, um auch spürbare Effizienzen mit Wirkung für den Endkunden herbeizuführen.

Das Interview führte