Wie das Lieferkettengesetz die Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie stärkt

Agieren statt reagieren, um im nachhaltig orientierten Geschäft mitspielen zu können: Externe Anforderungen und Vorschriften hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit nehmen seit geraumer Zeit zu und verpflichten Unternehmen zum Handeln. Automobilbauer werden sich künftig zum Beispiel an der Einhaltung der Standards messen lassen müssen, die das Lieferkettengesetz vorgibt.

Die Anstrengungen zur Einhaltung der Klimaziele werden immer größer. Neben politischen Beschlüssen wie dem Pariser Klimaabkommen oder dem European Green Deal verlangen viele Unternehmen auch von Lieferanten und Anbietern deutliche Klimaschutz-Anstrengungen. Bei Nichtbeachtung drohen Ausschluss aus Marktsegmenten oder Verlust von Wettbewerbsfähigkeit. Und nicht zuletzt auch die eigenen Mitarbeiter*innen begeistern sich für ihren Arbeitgeber umso mehr, wenn dieser glaubwürdig etwas für den Klimaschutz unternimmt. Zum Beispiel muss der CO₂-Ausstoß um 262 Millionen Tonnen reduziert werden, um die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Dieses Ziel wird auf die emittierenden Sektoren heruntergebrochen und hierbei spielt der Mobilitätssektor eine entscheidende Rolle: Weltweit entfielen im Jahr 2018 hierauf ca. 24 Prozent der CO₂-Emissionen. Die Automobilindustrie spielt daher bei der Senkung dieser Emissionen eine wesentliche Rolle.

Nachhaltigkeit in der Lieferkette

Der Begriff Nachhaltigkeit wird in vielfältiger Weise verwendet. Aus der Perspektive einer Unternehmensberatung verstehen wir Nachhaltigkeit als gesellschaftliche wie auch unternehmerische Herausforderung und sehen darin eine Chance: Wir wollen Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements in differenzierter Weise betrachten und daraus unternehmerische Nutzenpotentiale entwickeln. Ein Business-As-Usual ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend, denn vielmehr geht es um die Frage der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Dabei erkannte schon Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) die zentrale Bedeutung von Holz als Rohstoff für die Baubranche, Energieerzeugung und Erzgewinnung. Durch die damit zusammenhängende Abnahme der Holzbestände drohte eine Rohstoffkrise, woraufhin von Carlowitz die systematische Forstwirtschaft entwickelte, die wiederum die weltweite Forstwirtschaft beeinflusste. Bereits diese frühe Erkenntnis zeigt, dass es besser ist, von den Zinsen zu leben, als das Kapital zu verzehren. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes stellt die Definition von Nachhaltigkeit von Gro Harlem Brundtland in dem Bericht „Our Common Future“ (1987) dar: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Somit kann heutzutage das Thema Nachhaltigkeit als offener Lernprozess verstanden werden, der sich in der sogenannten Triple Bottom Line der Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch und sozial) widerspiegelt.

Durch die Globalisierung der Wirtschaftskreisläufe haben immer mehr Unternehmen viele ihrer Produktionsschritte in entfernte Länder verlagert. Dabei ist Deutschland besonders stark in internationale Lieferketten eingebunden. Die Rohstoffe vieler Produkte sowie Produkte selbst werden zu nicht vertretbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern abgebaut und hergestellt. Das Bundeskabinett hat den „Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ am 3. März verabschiedet, wodurch deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihrer globalen Verantwortung für bessere Umwelt- und Arbeitsbedingungen nachzukommen.

Ab 2023 soll das deutsche Lieferkettengesetz zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen gelten. Ein Jahr später bereits auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen. Gemäß der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte werden Unternehmen verpflichtet, zu ermitteln, inwieweit ihre Geschäftstätigkeit zu Menschenrechtsverletzungen führen kann. Dabei bezieht sich die Sorgfaltspflicht auf die gesamte Lieferkette des Unternehmens – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Dies bedeutet, dass Transparenz über die gesamte Lieferkette geschaffen und die Produktion stärker anhand der Nachhaltigkeitsdimension ausgerichtet werden muss. Neben der sozialen Dimension hinsichtlich der Lieferkette spielt auch die ökologische Dimension eine immer wichtigere Rolle. Unternehmen müssen ihre Lieferketten genau evaluieren, verstehen und Transparenz schaffen.

Im Kontext eines OEMs hat die Produktion eines Fahrzeugs immer stoffliche und energetische Nebeneffekte. Durch eine unternehmensinterne Sichtweise können die physischen Prozesse analysiert und dadurch Möglichkeiten aufgezeigt werden, um die Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern. Was den OEMs intern u.a. beim Recycling der Produkte bereits gelingt, stellt diese extern durch die neuen Emissionsminderungsziele ihrer Flotten vor neue Herausforderungen. Denn es stellt sich die Frage inwieweit auch die Nachhaltigkeitsleistung bei der Nutzung des physischen Produktes (Fahrzeugs) beeinflusst werden kann. Der Klimazielplan für 2030 der EU-Kommission sieht hier z.B. vor, dass eine Reduzierung der CO2-Emissionen pro km von PKWs um 50% gegenüber der Zielmarke für 2021 stattfinden muss.

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen und hinsichtlich der ökologischen Nachhaltigkeitsdimension transparent messen zu können, bedarf es international gültiger Reportingstandards wie z.B. dem Greenhouse Gas Protocol, mit dem Emissionen fachgerecht evaluierbar sind. Dabei spielt vor allem der Scope 3 (laut GHG Protocol, siehe Abbildung 1) eine wichtige Rolle, in welchem die Emissionen, die aus der Lieferkette des Unternehmens inklusive der Produktnutzung beim Kunden entstehen, analysiert werden. Des Weiteren werden aber auch Konzepte, die das Thema Mobilität ganzheitlich betrachten wie u.a. Ansätze von Smart Mobility immer stärker an Bedeutung zunehmen.

Abbildung 1: Eigene Darstellung basierend auf Greenhouse Gas Protocol

Wie gut sind Automobilhersteller für Nachhaltigkeit aufgestellt?

Im Rahmen von diversen Projekten mit unseren Kunden zum Thema Nachhaltigkeit stoßen wir bei der Detecon immer wieder auf Fragen des Vergleichs und der Positionierung von Unternehmen zueinander. Insbesondere versuchen Unternehmen, ihre technologischen Leistungen in ihrer nachhaltigen Entwicklung hervorzuheben und dadurch ein positives Image gegenüber dem Endverbraucher aufzubauen. Nicht selten wird das Image eines Konzerns durch langfristige Strategien bestimmt und entscheidet damit über die Geschäftsprozesse.

Um die aktuelle Situation von Unternehmen zum Status der Nachhaltigkeit zu ermitteln, ist es notwendig, Parameter zu definieren, nach denen eine Bewertung vorgenommen werden kann. In der sog. „Detecon Sustainability Rating Matrix“ (Abbildung 2) werden zwei Werte näher betrachtet. Auf der X-Achse sind die Unternehmen nach aktuellen und konsolidierten Ratings (2020/2021) von renommierten ESG-Ratingagenturen aufgelistet. Die Y-Achse ist durch eine deutschlandweite Umfrage (2018/2019) bestimmt und spiegelt das Nachhaltigkeitsimage in Bezug auf die Marken wider, die in Bezug auf nachhaltige Antriebsarten besonders innovativ sind. Befragt wurden rund 1020 Personen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren.

Abbildung 2: Eigene Darstellung *Statista: 1.021 befragte Personen; 18 bis 69 Jahre alt; Deutschland 2018/2019  **Bewertung auf Basis ausgewählter renommierter ESG-Ratingagenturen (S&P Global, CDP Climate Change, Sustainalytics, MSCI)

ESG Ratings

In der Finanzwelt ist damit eine Einstufung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens gemeint, welche bei der Kreditvergabe für Neuinvestitionen relevant ist. Im letzten Jahrzehnt hat das Thema Nachhaltigkeit im Anlagemanagement zunehmend an Bedeutung gewonnen, so dass Ratingagenturen Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen. ESG (Environment, Social und Governance) bilden die drei Säulen, auf denen nachhaltige Ratings derzeit aufbauen. ESG-Rating-Agenturen messen nach verschiedenen Aspekten, unter anderem danach, inwieweit das Engagement eines Unternehmens auf ESG-Risiken einspielt und wie diese gemanagt werden. Darüber hinaus spielt die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gegenüber langfristigen ESG-Risiken eine Rolle, ebenso wie die gesamte ESG-Performance über eine Vielzahl von Metriken.

Durch das Zusammenspiel von aktuellen Markenimage-Bewertungen und ESG-Ratings lassen sich Unternehmen in Cluster einordnen und ihre Charakteristika in der „Detecon Sustainability Rating Matrix“ ablesen. Diese Matrix spiegelt eine Momentaufnahme auf Basis von Umfragedaten und renommierten ESG-Ratingunternehmen wider. Zwischenzeitliche strategische sowie technische Entwicklungen können die Darstellung der Matrix verändern und die Bewertung des Ratings beeinflussen.

Im Folgenden werden zunächst die jeweiligen Kategorien beschrieben:

Scalers

... haben eine starke Wahrnehmung bei Partnern und Kunden durch konstante Marktpräsenz und Wachstum. Sie starten neue Partnerprogramme, M&A und sichern ihr Wachstum durch kontinuierliche innovative Geschäftsideen.

Trail Blazer

... werden von Kunden geschätzt und von renommierten Rating-Unternehmen für ihren positiven Markteinfluss hoch bewertet. Sie sind Pioniere mit innovativen Dienstleistungen und Produkten und ebnen den Weg zur Technologieführerschaft.

Contenders

... werden hoch bewertet, hatten aber in der Vergangenheit mit einigen Herausforderungen in der Marktentwicklung zu kämpfen. Ihre Strategien haben großes Potenzial für mehr Marktwert, wenn die wichtigsten Herausforderungen verbessert werden.

Stragglers

... haben ihre Geschäftsaktivitäten bisher auf ihre Kernkompetenzen (Produktion von spezialisierten Produktsegmenten) konzentriert. Das Engagement für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen ist ausbaufähig.

Hervorhebung von drei Unternehmen

BMW verankert das Thema Nachhaltigkeit fest in seinen Unternehmenszielen und bietet stets neue Möglichkeiten sowohl interne Entwicklungen neu zu denken, aber auch durch externe Partnerschaften die Technologieführerschaft hoch zu halten. Insbesondere durch den neuen Ideenwettbewerb „Open Call 360° Sustainability“ wird die Möglichkeit der Zusammenarbeit in sieben Feldern gefördert: Erneuerbare Materialien, nachhaltige Lieferkette und Produktion, mobile Intelligenz, smartes Gebäudemanagement, kundenorientierte Mobilität sowie neue zukunftsrelevanten und nachhaltigen Technologien.

Tesla ist einer der wenigen Automobilhersteller ohne Historie bis ins 19. Jahrhundert. Jedoch entfacht Tesla eine hohe Marktdynamik durch das Angebot ausgereifter Elektromobilität und entsprechend geschickt begleitender Marketing- und Imagekampagnen. Außergewöhnliche technischen Lösungen kombiniert mit einer großen Anzahl an Innovationen begründen das Nachhaltigkeitsimage des Herstellers. Die Tatsache, dass sich Tesla ausschließlich auf die Produktion von E-Fahrzeugen konzentriert, spielt dabei eine wichtige Rolle. Diese Strategie spiegelt sich auch in der Detecon Sustainability Rating Matrix wider. Die Dynamik des Unternehmens prägt die Wettbewerbssituation.

Porsche, als Teil des Volkswagen-Konzerns, wird in verschiedenen Ratings gesondert betrachtet. Vor allem, weil der Automobilhersteller aus Stuttgart-Zuffenhausen weltweit einen exzellenten Ruf als Sportwagenhersteller genießt und sich damit von "Alltagsfahrzeugen" abhebt. Besonders mit dem vollelektrischen Porsche Taycan sticht Porsche unter den Stromern hervor, jedoch wird der Hersteller dennoch im Image vor allem mit den langjährig erfolgreichen Verbrennern verbunden. Initiativen wie "Porsche Impact" ermöglichen es den Besitzern, Emissionen durch Investitionen in zertifizierte Projekte zu kompensieren. Die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die gesamte Wertschöpfungskette bei Porsche zeigt die angestrebte Ausweitung in den Unternehmenszielen, welche bereits erste Früchte trägt und den Hersteller basierend auf den ESG Ratings gut aufstellt.

Way Forward

Es wird deutlich, welchen enormen Einfluss die Automobilindustrie auf das Thema Nachhaltigkeit hat und dass erfolgreiche Initiativen einen großen Impact hinterlassen können. Dies spiegelt sich nicht nur im Markenimage, sondern auch in der Bewertung von Umweltexperten wider. Besonders relevant ist das steigende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Automobilhersteller vor dem Hintergrund der erst kürzlich verkündeten, verschärften Klimaschutzziele für Deutschland (aufgrund neuer EU-Vorgaben), welche das Ziel der Klimaneutralität bereits bis 2045 vorsehen. Zudem sollen bis 2030 65% weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. Bisher lag dieses Ziel bei 55%. Für 2040 werde ein Reduktionsziel von 88% gesetzt.

Sowohl Unternehmen als auch jeder Einzelne ist aufgerufen, die Mobilität von morgen nachhaltig zu gestalten und zu verändern, um einen positiven Einfluss zu hinterlassen und maßgeblich zur Erreichung der Klimaziele, aber auch den sozialen Nachhaltigkeitsstandards in der Lieferkette beizutragen.

Gestalten Sie zusammen mit Detecon den Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität!

 

Weitere Nachhaltigkeit-Insights sowie strategische Ansätze finden Sie hier.

Wir danken unseren Alumni Natalie Gath, Robert Wagner und Christoph Johannes Sauer für die Mitarbeit an diesem Artikel.