Telco-Reise in Richtung Netto-Null: Lösungen (2/2)

Die Klimakrise setzt auch in der Telekommunikationsindustrie das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf die strategische Agenda. Die Branche strebt in weiten Teilen das Ziel an, bis spätestens 2050 Netto-Null zu erreichen. Teil 2 dieses Artikels bietet eine ausführliche Evaluierung von Lösungen und nächsten Schritten. (Jetzt Teil 1 lesen).

Lösungen und Maßnahmen

Transparente Daten. Transparente und verlässliche Daten sind die Grundlage für jede Strategie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, da sie es den Unternehmen ermöglichen, ihre Umweltauswirkungen zu bewerten und wirksame strategische Empfehlungen zu finden. Im ersten Schritt sollten sich Telekommunikationsunternehmen auf die Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsberichte konzentrieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, einen vollständigen CCF auf Grundlage des GHG-Protokolls zu erstellen. Gemäß dem GHG-Protokoll sollten Scope 1 und 2 bei der Offenlegung des CCF erfasst werden, während die Berichterstattung über Scope 3-Emissionen nicht erforderlich ist (United States Environmental Protection Agency, Center for Corporate Climate Leadership).

In der ICT-Branche werden jedoch auch die Scope-3-Emissionen immer wichtiger, da Wettbewerber, Kunden und Aktionäre eine vollständige und transparente Berichterstattung fordern. Die Scope-3-Emissionen stellen eine größere Hürde innerhalb der Branche dar. Die 15 Kategorien von Scope 3 hängen von Sekundärquellen, branchenweiten Datenbanken und vielen Annahmen ab. Dennoch lohnt es sich, alle relevanten Kategorien zu bewerten, um ein Gesamtbild als Grundlage für die Emissionsminderungsstrategie zu entwickeln. Zur Unterstützung gibt es mehrere Unternehmen, die Datenbanken, Tools und Beratungsdienste für die Scope-3-Bewertung anbieten. Ein verifizierter Scope-3-Emissionsbericht kann dem berichtenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da er die Glaubwürdigkeit, die wahrgenommene Transparenz und ein positives Image erhöht. Darüber hinaus erhöhen einheitliche und branchenweite KPIs die Transparenz und ermöglichen es den berichtenden Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu überwachen und zu verfolgen.

Insbesondere in den Bereichen Energieverbrauch und Energieeffizienz ermöglichen konsistente KPIs innerhalb der Branche, die Fortschritte zu vergleichen und zu verfolgen. Zu den wichtigen KPIs zählt der Gesamtenergieverbrauch in Verbindung mit der Zusammensetzung der Energiequellen. Hier ist es wichtig, in gleichen Einheiten (z. B. MWh) zu berichten, sodass der Anteil der erneuerbaren Energiequellen ersichtlich ist. Des Weiteren stellen die Energieintensität und die Kohlenstoffintensität die Auswirkungen von Energieeffizienz und erneuerbaren Energiequellen dar. Somit kann das berichtende Unternehmen seine Fortschritte und die Auswirkungen seines Energieverbrauchs verfolgen und berichten.

Letztlich wirkt sich eine transparente Berichterstattung über die Auswirkungen auf die 17 SDGs positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit aus. Es ist wichtig, die Auswirkungen jedes einzelnen SDGs mit einer detaillierten Beschreibung in Anbetracht auf spezifische Projekte zu berichten. Es gibt sieben SDGs, die sich auf die ökologische Nachhaltigkeit konzentrieren: Nr. 6: Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen, Nr. 7: Erschwingliche und saubere Energie, Nr. 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden, Nr. 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion, Nr. 13: Klimaschutz, Nr. 14: Leben unter Wasser und Nr. 15: Leben an Land. In der Telekommunikationsbranche beziehen alle Unternehmen die Auswirkungsmessung der Umwelt-SDGs in ihre Nachhaltigkeitsberichte ein. Jedoch unterscheiden sich die Anzahl der berichteten SDGs und der Detailierungsgrad in den Nachhaltigkeitsberichten. Es wird empfohlen, eine detaillierte Bewertung der Auswirkungen auf jedes einzelne SDG vorzunehmen. Hier überzeugt der Detaillierungsgrad mehr als die Quantität.

Unterschiedliche Berichterstattung für verschiedene Regionen. Aufgrund unterschiedlicher Stromnetze in verschiedenen Ländern oder Regionen kann der THG-Fußabdruck eines berichtenden Unternehmens je nach Produktionsstandort und Verkaufsregion höher ausfallen. Um solche Unterschiede transparent darzustellen, können Telekommunikationsunternehmen in ihren Berichten separate Kapitel für verschiedene Regionen erstellen. So werden die Auswirkungen für die Nutzung der verkauften Produkte in Regionen mit emissionsintensiveren Stromnetzen entsprechend dargestellt. Diese Berichtslösung kann insbesondere für Unternehmen mit einem höheren Anteil an Produktverkäufen in Entwicklungsregionen, wie Afrika oder Indien, von Vorteil sein. Hier weisen die Stromversorungsnetze nur einen geringen Anteil an erneuerbaren Energien auf, und die Betreiber sind oft nicht in der Lage, den Netzumbau hin zu mehr erneuerbaren Energien zu beeinflussen.

Kollaboration ist der Schlüssel. Die Bemühungen um Nachhaltigkeit und Emissionsreduzierung betreffen nicht nur einzelne große Unternehmen, sondern alle. Wie bereits erwähnt, können Scope-3-Emissionen mehr als 90 % des gesamten Kohlenstoff-Fußabdrucks von IKT-Unternehmen ausmachen (Friedrich, Roman, et al 2021). Darüber hinaus verlangen Kunden und Aktionäre zunehmend Verantwortung, z. B. durch transparente Informationen über Rohstoffe (Cherel-Bonnemaison, et al 2021). Dementsprechend sind die vor- und nachgelagerten Tätigkeiten die wichtigsten Bereiche, an denen gearbeitet werden muss, um Netto-Null zu erreichen. Da diese Aktivitäten außerhalb der direkten Kontrolle der einzelnen Unternehmen liegen, ist es wichtig für die ICT-Branche, mit ihren Lieferanten und Kunden zusammenzuarbeiten, um eine grüne Lieferkette und Produktion zu schaffen. Hierbei muss die Zusammenarbeit von beiden Seiten kommen.

Auf der einen Seite müssen die berichtenden Unternehmen aktiv Daten von ihren Zulieferern sammeln und Verbesserungsmöglichkeiten auswerten, um nachhaltiger zu werden. Mögliche Maßnahmen sind Schulungen und Workshops für Lieferanten zur Verbesserung nachhaltiger Praktiken, aber auch der Wechsel zu anderen Lieferanten. Auf der Seite des Lieferanten ist eine transparente Berichterstattung und die Weitergabe von Daten an die Kunden unerlässlich. Beispielsweise wirken sich die Scope-1- und Scope-2-THG-Emissionen der Lieferanten auf die Scope-3-Emissionen der Betreiber aus. Eine transparente Berichterstattung der Anbieter ermöglicht es den Betreibern daher, ihre Scope-3-Emissionen detaillierter abzuschätzen. Ähnlich verhält es sich mit dem PCF. Auch hier wird der gesamte Lebenszyklus eines Produkts bewertet, beginnend mit der Gewinnung von Rohstoffen und endend mit der Abfall-Entsorgung. Damit wird die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der gesamten Wertschöpfungskette ersichtlich, da die notwendigen Daten gesammelt und die Wirkung eines Produkts verbessert werden müssen.

Schaffung branchenweiter Methodiken. Branchenweite Methoden und gemeinsame Verfahren ermöglichen Vergleichbarkeit und Wettbewerb. Eine große Herausforderung für Anbieter und Betreiber in der Telekommunikationsbranche ist die Entwicklung eines PCF für ihre Netzwerkausrüstung. Zwar gibt es branchenspezifische Beispiele (z. B. ITU L.1410, ETSI ES 203 199) und eine detailliertere Berechnung für eine Basisstation (NGMN Alliance 2021), jedoch ist eine konsequente Richtlinie nicht vorhanden. Um solch eine Richtlinie zu entwickeln, kann eine Arbeitsgruppe aus der Telekommunikationsbranche und eine unabhängige Standardisierungsinitiative eine solche Berechnungsmethodik entwickeln und den konkreten Inhalt für die Telekommunikationsbranche festlegen.

In einem zweiten Schritt kann eine andere Arbeitsgruppe in Kombination mit NGMN oder GSMA den Standard in der Branche vorantreiben und Verbindlichkeit schaffen. Folglich profitiert die Zusammenarbeit zwischen Telekommunikationsbetreibern und -anbietern von einer einheitlichen Methodik, da sie die Betreiber beim Vergleich verschiedener Produkte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit unterstützt, aber auch Anbieter mit einem konkreten Leitfaden unterstützt. Ein ähnlicher Ansatz kann für die Definition von konsistenten KPIs gewählt werden. Hier kann ein Katalog von aussagekräftigen KPIs für Energieeffizienz entwickelt und innerhalb der Branche vorangetrieben werden. Erste Überlegungen dazu finden sich bereits in einem Bericht der GSMA und einem Whitepaper von NGMN (GSMA Intelligence 2021;NGMN Alliance 2021).

Ehrgeizig sein. Wie bereits erwähnt, steigt der Druck, das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Folgt man dem derzeitigen Trend, würde die globale Erwärmung bis Januar 2034 1,5 °C erreichen, was schwerwiegende Auswirkungen auf natürliche und menschliche Systeme haben würde (European Commission; Climate Copernicus 2021; IPCC 2018). Physikalische Risiken in Form von häufigeren Wetterextremen wie Stürmen, Dürren und Waldbränden könnten Einrichtungen beschädigen und die Belegschaft beeinträchtigen(Colback 2020; Deloitte 2021). Ein konkretes Beispiel für die Telekommunikationsbranche sind die Überschwemmungen im deutschen Ahrtal im Sommer 2021. Das Mobilfunknetz brach zusammen, weil Stromleitungen, Basisstationen, Kabel und Strommasten durch das Hochwasser unterbrochen wurden (Lindern, et al 2021). Der Wiederaufbau des Mobilfunknetzes dauerte Monate, und viele Flutopfer mussten auch ohne Internetverbindung auskommen (Jansen 2021).

Darüber hinaus lösen Kipppunkte des Klimas Veränderungen in einem Teil des Klimasystems aus, die unumkehrbar sind, wie das Abschmelzen von Eisschilden und Gletschern, der Zusammenbruch von Kreisläufen und das Absterben von Wäldern, Korallenriffen und mehr (Lenton 2021). Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von solchen Kipppunkten nimmt mit der globalen Erwärmung zu und hat eine hohe Wahrscheinlichkeit bei 2 °C globaler Erwärmung Lenton 2021). Ein Anstieg der globalen Erwärmung um 0,5 °C hat also enorme Auswirkungen auf den Planeten und sollte von jedem menschlichen System und jeder Organisation priorisiert werden. Ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategien mit innovativen Lösungen werden immer wichtiger, um die globale Erwärmung zu begrenzen und die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu bewältigen. Als Orientierungshilfe bietet die SBTi einen Leitfaden für die Festlegung wissenschaftlich fundierter Ziele, um netto null zu erreichen (Science based targets initiative). Dementsprechend wird empfohlen, dass Telekommunikationsunternehmen ehrgeizige Ziele auf der Grundlage von SBTi festlegen, um den Trend auf 1,5°C zu begrenzen.

Nächste Schritte, langfristige Aussicht

Kreislaufwirtschaft. Um ökologische Herausforderungen wie begrenzte Ressourcen, globale Erwärmung und zunehmende Abfallmengen zu bewältigen, müssen Geschäftsmodelle und Wirtschaftsprozesse neu erfunden werden (European Parliament; Ellen MacArthur Foundation). Derzeit funktionieren die meisten Unternehmen linear, was bedeutet, dass die Produkte aus Rohstoffen bezogen, hergestellt, verwendet und nach einiger Zeit entsorgt werden (Taylor 2020). Daher ist die Menge der zu deponierenden Abfälle immens und die Rohstoffe sind begrenzt. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft bietet eine Möglichkeit, Geschäftsmodelle neu zu erfinden. Ein Bericht der Ellen MacArthur Foundation beschreibt einige einfache Grundsätze, die den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ermöglichen, darunter die Abfallbeseitigung, der Aufbau von Widerstandsfähigkeit durch Vielfalt, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, das Denken in Systemen und die Verwendung von Abfällen als Inputfaktoren (Ellen MacArthur Foundation 2015).

Für die Telekommunikationsbranche gibt es wichtige Initiativen zur Kreislaufwirtschaft, die in den Bereichen Lieferkettenmanagement, Betrieb sowie Produkt- und Dienstleistungsportfolio umgesetzt werden können (Kreher 2021). In den meisten Fällen ist die Verlängerung der Lebensdauer eines Produkts durch Wiederverwendung mit geringeren Emissionen verbunden als das Recycling aufgrund des damit verbundenen Energieverbrauchs. So kann beispielsweise die Reparatur von Geräten als zusätzliche Einnahmequelle eine Möglichkeit sein, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Ein Beispiel aus der IKT-Branche ist das Fairphone. Das Unternehmen hat den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft durch die Entwicklung eines modularen Smartphones und die Erhöhung dessen Lebensdauer eingeleitet, indem es dem Nutzer anbietet, defekte Teile auszutauschen und die Hardware aufzuwerten (Fairphone). Darüber hinaus schließen sie den Kreislauf, indem sie Kunden ermutigen, ihre alten Geräte zurückzugeben und mit Partnern zusammenzuarbeiten, um den Wert der benutzten Ressourcen zu maximieren (Fairphone).

Technologische/digitale Innovationen. Mehrere technologische und digitale Innovationen ermöglichen es Unternehmen, ihren Energieverbrauch zu senken und die Energieeffizienz zu erhöhen und dadurch die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Im folgenden Abschnitt werden wir einige Innovationen nennen, die für die Telekommunikationsbranche von großer Bedeutung sein könnten. Erstens bietet 5G die Möglichkeit, den überflüssigen Energieverbrauch von Basisstationen zu reduzieren, indem Komponenten in den Ruhezustand versetzt werden, wenn sie für eine gewisse Zeit ungenutzt bleiben (NGMN Alliance 2021). Während diese Funktion bei 4G in gewisser Form vorhanden ist, ist sie bei 5G aufgrund des schlanken Control Channel Designs effizienter. Beispielsweise bleibt die Netzauslastung in der Nacht gering, was als Gelegenheit genutzt werden kann, um Energie bei einigen Komponenten zu sparen (Frenger, et al 2019). Zudem kann künstliche Intelligenz die Aktivierung bestimmter Arten von Abschaltfunktionen durch die Verwendung von Daten wie Konfigurations- und Leistungsstatistiken unterstützen (NGMN Alliance 2021).

Zweitens ist die Netzgestaltung eine wichtige Strategie zur Reduzierung des Energieverbrauchs, da es die Kombination der effizientesten verfügbaren Frequenzbänder ermöglicht (NGMN Alliance 2021). Das Co-Design-Konzept ermöglicht die Verteilung und Steuerung von Datenkanälen für mehrere Frequenzbänder, wodurch der Energieverbrauch, der mit jedem Band verbunden ist, durch eigene Steuerkanäle reduziert wird (NGMN Alliance 2021). Außerdem muss der Fokus auf den Energieverbrauch im gesamten Lebenszyklus des Produkts gelegt werden, d. h. von der Wiege bis zur Bahre (Burrell). Dies kann ein innovatives Design fördern und die Treibhausgasemissionen im gesamten Lebenszyklus reduzieren. Schließlich kann künstliche Intelligenz die Betreiber dabei unterstützen, die Beschaffung von lokal erzeugter und aus dem Netz bezogener Energie zu optimieren und so die Nutzung von Energie zu ermöglichen, die überwiegend vor Ort am mobilen Standort erzeugt wird (NGMN Alliance 2021). Hier können Techniken des maschinellen Lernens erkennen, dass im Winter weniger Energie vor Ort produziert wird als im Sommer, und ihre mobile Standortkonfiguration unter Berücksichtigung auf den Energieverbrauch entsprechend anpassen.

Handabdruck Konzept. Als neues Konzept hat sich die Diskussion um den Handabdruck verschärft. Das Konzept des Handabdrucks ist für die Telekommunikationsbranche besonders interessant, da sich die Digitalisierung positiv auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsaktivitäten auswirkt. 

Erstens ist der direkte Handabdruck/die Befähigung für die Telekommunikationsbranche von größtem Interesse. Konkret bedeutet dies, dass die Telekommunikationsbranche anderen Branchen ermöglicht, durch die Nutzung des Mobilfunknetzes Emissionen zu vermeiden. Die GSMA geht von einer beträchtlichen positiven Auswirkung von rund 2,135 Millionen Tonnen CO2e im Jahr 2018 aus, was zehnmal mehr ist als die Emissionen des Sektors (Google Cloud 2021). Als langfristiges strategisches Ziel kann die Befähigungswirkung der Telekommunikationsbranche kommuniziert werden, um die positiven Auswirkungen der Digitalisierung, der Konnektivität und anderer Dienste und Produkte hervorzuheben. Bei der Berichterstattung über den Befähigungsfaktor sollten jedoch zwei Aspekte berücksichtigt werden. Auf der einen Seite sollte die Reduzierung der eigenen nachhaltigen Auswirkungen im Mittelpunkt jeder Nachhaltigkeitsstrategie stehen. Daher sind Scope 1-3 Berichterstattungen und Reduzierungsstrategien von entscheidender Bedeutung und sollten priorisiert werden. Die Berichterstattung über das Befähigungskonzept birgt das Risiko, den Fokus von der Dringlichkeit der Reduzierung von THG-Emissionen abzulenken und Kunden, Investoren und andere Stakeholder in die Irre zu führen, was einen Verlust an Glaubwürdigkeit bewirkt.

Auf der anderen Seite ist eine Kompensation der Scope 1-3 THG-Emissionen eines Telekommunikationsunternehmens durch ermöglichte THG-Emissionsreduktionen in anderen Branchen inakzeptabel. Ein solches Verhalten wirkt wie eine Greenwashing- oder Verschleierungsstrategie und führt zu einer suboptimalen Ressourcenallokation. Wenn Telekommunikationsunternehmen beschließen, über die Befähigung zu berichten, sollte dies als separater KPI für bestimmte Dienste oder Produkte erfolgen. Beispielsweise berechnet die Deutsche Telekom ihre Befähigung als separaten KPI und listet zusätzlich den Beitrag jedes Dienstes auf (Deutsche Telekom 2020). Da die Digitalisierung, die Konnektivität und die Nutzung neuer Technologien jedoch einen enormen Einfluss auf die Nachhaltigkeit in anderen Branchen haben, könnte es von Vorteil sein, eine Diskussion darüber anzuregen, wie diese Auswirkungen dargestellt werden können. Hierbei sollten verschiedene Einrichtungen und Interessengruppen, wie die gesamte Wertschöpfungskette, Standardisierungsorganisationen und Allianzen wie NGMN und GSMA, in die Diskussion einbezogen werden.

Zweitens kann der indirekte Handabdruck für die Telekommunikationsbranche bestimmt werden, was jedoch eine verminderte Wirkung hat. Ein konkretes Beispiel ist der Übergang zur Remote-Arbeit während der Corona-Pandemie. Der angestrebte Nutzen für die Nutzer war ihre Gesundheit, da das Daheimbleiben die Wahrscheinlichkeit senkt, sich anzustecken. In vielen Unternehmen war jedoch ein positives Nebenprodukt dieses Prozesses die Vermeidung von Emissionen, beispielsweise durch Geschäftsreisen oder das Pendeln der Mitarbeiter. Da der indirekte Handabdruck oft unbeabsichtigt ist, scheint eine Berechnung irrelevant.

Drittens zielt der relative Handabdruck/Scope 4 darauf ab, die positiven Auswirkungen des Innovationspotenzials zu berücksichtigen, die durch Scope 1-3 möglicherweise nicht angemessen angesprochen werden. Während die Fortschritte bei der Emissionsreduzierung ein wichtiger Fokus sind, ist Innovation erforderlich, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen, auch wenn die Entwicklungsphase vorübergehend die THG-Emissionen erhöht (Rio ESG 2021). Scope 4-Emissionen sollen die vermiedenen Emissionen erfassen, die durch den Einsatz effizienterer Produkte oder Dienstleistungen entstehen (Klein 2020). Die Telekommunikationsbranche könnte dieses Konzept nutzen, um die innovativen Lösungen für bestimmte Produkte, Dienste oder Projekte hervorzuheben. Es sollten jedoch einige Empfehlungen befolgt werden.

Erstens muss bei der Berichterstattung über Scope 4 ein vollständiger CCF für Scope 1-3 vorhanden sein. Sich auf Scope 4 zu konzentrieren, ohne einen CCF zu haben, erweckt den Eindruck von Greenwashing und ist eine suboptimale Ressourcenallokation. Zweitens sollte Scope 4 weder in den CCF noch in den PCF integriert werden. Der PCF und der CCF zielen darauf ab, ein Bild der gesamten Klimaauswirkungen von Unternehmen oder Produkten zu entwickeln. Scope 4 darf nur verwendet werden, um die Auswirkungen bestimmter Modernisierungsprojekte im Vergleich zu einer Baseline zu berichten, wo es nötig ist, alte und neue Versionen von Geräten zu vergleichen. Die vermiedenen Emissionen dürfen jedoch weder vom CCF noch vom PCF abgezogen werden. Drittens muss bei der Berechnung von Scope 4 der gesamte Lebenszyklus der verglichenen Projekte berücksichtigt werden, um einen möglichen Anstieg der Emissionen in einer anderen Phase zu berücksichtigen.

Vielen Dank an Tim Krüger für seine Mitarbeit an diesem Artikel. 

 

Literatur:

United States Environmental Protection Agency, Center for Corporate Climate Leadership. Scope 3 inventory guidance.

Friedrich, Roman, et al (2021). Putting Sustainability at the Top of the Telco Agenda. Bosten Consulting Group.

Cherel-Bonnemaison, et al (2021). Buying into a more sustainable value chain. McKinsey & Company.

NGMN Alliance (2021). Green Future Networks, Network equipment eco-design and end to end service footprint.

GSMA Intelligence (2021). Going green: benchmarking the energy efficiency of mobile.

NGMN Alliance (2021). Green Future Networks, Network energy efficiency.

European Commission; Climate Copernicus (2021). How close are we to reaching a global warming of 1.5°C?

IPCC (2018). Global Warming of 1.5°C. Special Report. Annex I.

Colback (2020). The role of business in climate change. Financial Times.

Deloitte (2021). Organizations are feeling the pain of climate change: Here are five ways it's affecting their business. Forbes.

Lindern, et al (2021). Warnsysteme in Deutschland, Deutschland warnt - aber leider falsch. Zeit Online.

Jansen (2021). Digitale Infrastruktur, Viele Flutopfer noch ohne Internet. Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Lenton (2021). Tipping points in the climate system. Weather, Vol. 76, 10.

Science based targets initiative. Net-zero. The net-zero standard.

European Parliament. Circular economy: definition, importance and benefits.

Ellen MacArthur Foundation. Circular economy introduction. What is a circular economy?

Taylor (2020). What is the linear economy and why do we need to go circular? Planet Ark.

Ellen MacArthur Foundation (2015). Towards the circular economy, Economic and business rationale for an accelerated transition.

Kreher (2021). How a circular economy can help enable 'green telco'. KPMG.

Fairphone. Story, Our impact. Longevity.

Fairphone. Story, Our impact. Circularity.

Frenger, et al (2019). A technical look at 5G energy consumption and performance. Ericsson.

Burrell. Sustainability and the life of a base station. Nokia.

Google Cloud (2021). Sustainability. Four consecutive years of 100% renewable energy - and what's next.

Deutsche Telekom (2020). Corporate Responsibility Report. Environment, Enablement factor.

Rio ESG (2021). What is Scope 4? Reporting avoided CO2 Emissions & More.

Klein (2020). Scope 4 emissions. Driving corporate climate action. DFGE.