Personalabteilungen in Zeiten des Metaverse

Personalabteilungen sind für Unternehmen eine strategische Schnittstelle zwischen Management und Mitarbeitenden. Vor dem Hintergrund globaler Trends, insbesondere der Digitalisierung, muss sich das Personalmanagement eines Unternehmens ständig neu ausrichten. Im Interview mit Detecon New-Work-Expertinnen Sophie Müller und Dr. Tanja Matt gibt Georg Pepping, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei Detecon-Muttergesellschaft T-Systems, Einblick in die Chancen und Herausforderungen, die die digitalen Spitzentechnologien mit sich bringen.

Warum ist es für die HR so entscheidend, in Zeiten immer neuer Technologien, Tools und Prozessen, den stetigen Anschluss zu bewahren?

Personalabteilungen sind für viele Mitarbeitende ein täglicher Kontaktpunkt. Im Digitalisierungsprozess sind sie mitverantwortlich für die Entwicklung einer strategischen Agenda, also eines Fahrplans, der festlegt, welche zukünftige Arbeitskultur durch die neuen Technologien geschaffen werden soll und wie der Umsetzungsplan dafür aussieht. Dazu sollten sie im engen Austausch mit anderen Abteilungen und Führungskräften stehen. Wenn HR-Abteilungen allerdings selbst zu wenig digitalisiert sind – was aktuell noch bei vielen Unternehmen der Fall ist – dann entstehen Widersprüche und interne Spannungsfelder, da die Mitarbeitenden keinen Zugriff auf die entsprechenden Personalprodukte und -services haben. Dieses Digitalisierungspotenzial gilt es schon deshalb anzugehen.

Aber auch der äußere Druck auf Unternehmen ist gestiegen. Der Arbeitsmarkt ist global und hat sich in vielen Bereichen von einem Arbeitgeber- in einen Arbeitnehmermarkt gewandelt. Zudem nutzen wir alle beruflich wie privat mehr und mehr digitale Tools, Features und Applikationen – es besteht folglich eine Erwartungshaltung, die Unternehmen erfüllen müssen. Daher ist es wichtiger denn je, bestehenden und neu in das Unternehmen kommenden Mitarbeitenden eine Digital Experience zu bieten. Und das vom ersten Berührungspunkt an mit dem Unternehmen. Innovative digitale Technologien spielen dabei eine äußerst wichtige Rolle – angefangen beim Recruiting über das Onboarding bis hin zum Arbeitsalltag. Gerade für die folgende Generation Mitarbeitenden ist schon bei der Bewerbung ein digitaler Prozess ein Muss.

Wie steht ihr bei T-Systems zu dieser Entwicklung? Oder anders gesagt, wie digital ist eure HR?

Für uns bei T-Systems ist dieser Wandel natürlich von besonders großer Bedeutung, nicht zuletzt, weil wir selbst Kunden in Digitalisierungsthemen beraten. Daher versuchen wir, als Vorreiter zu agieren und testen vermehrt digitale HR-Anwendungen. In mehreren Ländern pilotieren wir beispielsweise Eightfold, ein KI-Tool, das maschinelles Lernen einsetzt, um Recruiting, Management und Skilling zu verbinden. Darüber hinaus veranstalten wir kleinere Recruiting-Events bereits im Metaverse. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Trainings, Onboardings und auch das Treffen mit Kolleg*innen bei uns mehr und mehr im Metaverse oder vergleichbaren virtuellen Foren stattfinden können. Ich sage bewusst „können“, denn das Ziel der Digitalisierung darf es nicht sein, dass keinerlei zwischenmenschliche Interaktionen mehr stattfinden. Die Unternehmens- und Arbeitskultur muss sowohl im virtuellen als auch im physischen Raum positiv erlebbar sein.

Zudem setzen wir uns mit neuen Themen auseinander. So haben wir dieses Jahr bereits mehrere Sitzungen zu Generativer KI im HR-Bereich durchgeführt, um die Möglichkeiten der generativen KI zu verstehen und entwickeln auch hier erste Use Cases. Unser eigener Anspruch ist es, Vorreiter zu sein und nicht den Anschluss zu verpassen.

Von allen digitalen Technologien wird das Metaverse in letzter Zeit immer wieder als eine Art Neuerfindung des Zwischenmenschlichen im digitalen Zeitalter angepriesen. Kann es helfen, auch die Herausforderungen der HR zu bewältigen?

Ich denke, dass das hybride Arbeiten gekommen ist, um zu bleiben. Wir müssen folglich die Qualität des physischen wie des virtuellen Kontaktes stärken. Das Metaverse kann hierbei prinzipiell helfen, bislang sind die Technologien und ihr Zusammenspiel dafür aber nicht ausgereift genug. Ich bin jedoch überzeugt, dass die verbesserte Technologie schon bald den virtuellen und physischen Raum so nah zueinander bringen, dass wirklich neue Use Cases im Metaverse möglich werden. Da denke ich bei HR neben dem Recruiting besonders an den Bereich Training und Lernen. Viele Formate, die heute besser im Präsenzlernen durchgeführt werden, werden dann in den virtuellen Raum verlagert. Machine Learning und AI werden zudem individualisiertes Lernen ermöglichen. Vergleichbares gibt es schon heute. Ich lerne beispielsweise Französisch über eine App. Die misst nicht nur meinen allgemeinen Fortschritt, sondern erfasst meine individuelle Lernkurve, mit allen Stärken und Schwächen und trainiert zielgerichtet häufige Fehler. Und das kombiniert mit Gaming-Elementen. Durch den Einsatz derartiger Algorithmen können Mitarbeitende gezielt geschult werden und sowohl schnellere als auch langfristigere Erfolge erzielen. Genau solche personalisierten Trainingsmöglichkeiten wird das Metaverse in den verschiedensten Bereichen ermöglichen, nur eben im dreidimensionalen Raum mit VR- und AR-Elementen.

Leider gibt es keine neuen Technologien, die nur mit Vorteilen einhergehen. Welcher Risiken müssen wir uns im Zuge der Digitalisierung der HR-Funktion bewusstwerden?

Meines Erachtens ist das größte Risiko, uns vor allem mit den Risiken zu befassen, ohne dass wir zuvor die Chancen gesehen haben. Disruptive Technologien wie Large-Language-Modelle bergen zunächst einmal enormes Potenzial. Sie sind aber auch nicht ohne Risiken. Deshalb gibt es zu Recht warnende Stimmen. Es versteht sich von selbst, dass wir einen verantwortungsvollen Umgang mit neuer Technologie brauchen. Das darf aber nicht bedeuten, dass wir alles im Vorhinein verbieten. Die Devise sollte kontrolliertes und verantwortliches Ausprobieren lauten. Erfolgreiche Digitalisierung bedarf neben Technologie auch immer eines Digital Mindset, die Befähigung, Technologie, Daten und IT mit Menschen und Personal interdisziplinär erfolgreich zu verbinden.

Wie muss sich das Führungsverständnis verändern, um dem digitalen Wandel am besten zu begegnen?

Besonders jetzige Führungskräfte und das Management wurden noch auf klassische und oftmals analoge Abläufe und damit einhergehende Management- und Führungstechniken geschult. Ihnen muss ein Verständnis für digitale Technologien und ihre Potenziale vermittelt werden. Wir nennen das Digital Literacy und mit digitalen Leadership-Programmen wie Level-Up bieten wir als Konzern viel, um ebendieses Verständnis gerade bei Führungskräften auszubauen. Mit einem analogen Mindset werden sie die Digitalisierung nicht vorantreiben können, unabhängig vom Budget. Darüber hinaus hat sich durch die Digitalisierung das Anforderungsprofil an Manager*innen geändert. Sie müssen mehr als Coaches und „People Leader“ agieren und sich mit den geänderten Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden auseinandersetzen.

Entstehen dadurch neue Anforderungen an das gesamte Personal?

Die heute eingestellte Generation besteht vermehrt aus jungen Leuten, welche mit digitalen Themen aufgewachsen sind, den „Digital Natives“. Deshalb ist das Thema digitale Kompetenz meines Erachtens überwiegend für jetzige Führungskräfte relevant, die noch auf analoge Abläufe geschult wurden. Hier können die etablierten Beschäftigten von den Skills der neuen Mitarbeitenden profitieren und lernen. Reverse Mentoring, altersgemischte Teams sowie Job Shadowing sind Tools beziehungsweise Methoden, um ein voneinander Lernen zu unterstützen. Die Herausforderung liegt also eher bei uns: Wir als Unternehmen müssen digitale Touchpoints entlang des „Employee Lifecycles“ aufbauen, um auch für die junge Generation attraktiv zu sein.

Wie würdest du abschließend die HR der Zukunft beschreiben?

Die HR heißt schon heute oftmals „People and Culture“ - ein Indikator für den Bedeutungszuwachs des menschlichen Aspekts. Deshalb braucht es zukünftig die Dualität eines tiefen Verständnisses von Technologie und Mensch. Was kann die Technologie, aber auch was braucht der Mensch? Ein Kollege hat einmal gesagt: „Wir müssen uns mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen, aber wir sollten die natürliche Intelligenz nicht vernachlässigen.“ Und das trifft den Nagel auf den Kopf.

Mitarbeitende werden sich einerseits zukünftig zunehmend selbst organisieren, unter anderem mit der Hilfe von intelligenten Chatbots und anderen digitalen, lernenden Assistenten, wie Co-Assistants und Co-Pilots. Es ist wichtig, die dafür notwendigen internen Daten - zu denen auch die Personaldaten gehören - so in einem Datenmodell zu organisieren und aufzubereiten, dass sie für den Einsatz solcher digitalen Tools und lernender Systeme nutzbar sind. Dazu gehört es auch, Wege zu finden, wie geschützte interne Daten wie Personaldaten mit öffentlich zugänglichen Daten verknüpft werden können, so dass der Datenschutz und damit vor allem der Beschäftigtendatenschutz gewährleistet ist. Wir werden auch neue Rollen im HR-Bereich schaffen und einrichten müssen: neben Data Engineers und Data Scientists zum Beispiel auch Prompt Engineers.

Andererseits sind Faktoren wie Culture nicht mehr nur das optionale i-Tüpfelchen, sondern ein zentraler und langfristiger Wettbewerbsfaktor. In einer hybriden, globalisierten und technologisierten Arbeitswelt werden Teams zunehmend von unterschiedlichen Standorten miteinander arbeiten. Es wird möglich sein, auf modulare Fähigkeiten zuzugreifen, das, was aktuell unter einer „skill based organization“ diskutiert wird. Somit wird es eine neue Form der Administration geben, die Personalabteilungen unter Einsatz der ermöglichenden Technologie aufbauen müssen. In der Zukunft wird es zudem neue Anforderungen an die Personalbearbeiter*innen selbst geben. Das vertiefte Wissen zu Personalentwicklung, Arbeitsrecht, Change und anderen klassischen HR-Themen, wird von den Mitarbeitenden auf die generative KI übergehen. Zukünftige Mitarbeitende werden eine vertiefte Expertise („I-Shape Profil“) über erstens IT, zweitens Daten und drittens Menschen brauchen. Und viertens, die Fähigkeit, diese Dimensionen erfolgreich miteinander zu verbinden („T-Shape Profil“). Nur so können Personalabteilungen ihren Mitarbeitenden ein motivierendes Arbeitsumfeld bieten und Unternehmen innovativ bleiben.

Vielen Dank für das Interview, Georg Pepping!