Edge Computing soll die nächste Ära des Internets einläuten. Auch Deutschland bereitet sich darauf vor. Derzeit entsteht ein neues Ökosystem, das den Hype Realität werden lässt. Welche Strategien verfolgen die verschiedenen Akteure und wie sehen die Auswirkungen auf die Branche aus?
Die Zukunft des Edge Computing ist rosig. Schätzungen zufolge wird die Menge der im Edge verarbeiteten Daten deutlich ansteigen. Sind es heute noch weniger als 20 Prozent der Unternehmensdaten, die außerhalb der Cloud erzeugt und verarbeitet werden, kann ihr Anteil auf bis zu 75 Prozent steigen. Auch wenn diese Zahl mit Vorsicht zu genießen ist, bleibt eine Tatsache bestehen: Edge Computing ist ein Faktor, mit dem man in Zukunft rechnen muss.
Der Edge Computing Markt im Fokus
Die Infrastruktur von Edge muss Konnektivität und Computing miteinander kombinieren, um einerseits Rechenkapazität mit niedriger Latenz und hoher Bandbreite zu bieten und andererseits latenz-empfindliche Anwendungen mit hohem Energiebedarf bereitzustellen. Auf den Markt drängen deshalb Akteure aus den Bereichen der Netzwerk- und Cloud-Infrastruktur. Die Deutsche Telekom beispielsweise hat fünf Edge-Standorte in ihren zentralen Büros in Deutschland eingerichtet. Zeitgleich hat sie eine gesonderte Einheit gegründet: MobiledgeX soll den Open-Edge-Ansatz vorantreiben und verbindet Entwickler mit Telco-Edge-Netzwerken. Einen anderen Ansatz hat Vodafone gewählt: Durch die Partnerschaft mit AWS will man das Edge-Produkt (AWS Wavelength) über das eigene 5G-Netz auf den europäischen Markt zu bringen. Die Ambitionen beider Betreiber sind auf den Aufbau einer robusten Infrastruktur und die leichte Nutzung der Edge-Performance durch Entwickler gerichtet.
Telekommunikationsunternehmen sind jedoch nicht die einzigen Akteure. Energieversorger wie Vattenfall mit eigenem Kommunikationsnetz steigen ebenfalls in das Geschäft mit Edge-Cloud-Diensten ein, indem sie sich mit innovativen Anbietern von Rechenzentren wie etwa Cloud & Heat aus Dresden zusammenschließen. So können beide Rechendienste angeboten und gleichzeitig die Abwärme für das lokale Heizungssystem genutzt werden.
Noch leidet die schnelle Entwicklung von Edge Computing in Deutschland an der mangelnden Nachfrage nach anspruchsvollen Anwendungen. Die Betreiber zögern deshalb Investitionen in den Ausbau einer robusten landesweiten Infrastruktur hinaus. Die Entwickler (und Geräte-OEMs) hingegen tun sich schwer, die Anwendungen zu integrieren, solange die Infrastruktur nur rudimentär vorhanden ist. Es ist demnach kein Zufall, dass sich das Interesse - sowohl in Deutschland als auch weltweit - wieder den Konzernen zugewandt hat. MobiledgeX zum Beispiel hat eine Version seiner Software herausgebracht, die speziell auf dieses Umfeld zugeschnitten ist.
Der Unternehmensfokus - Vorsprung in der Fabrik
Dennoch besteht akuter Bedarf – und das macht Edge für Unternehmen so attraktiv. Automatisierung und Digitalisierung von Fabriken stehen bei den Giganten aller Industrien ganz oben auf der Liste. Das erfordert eine quellen-nahe und umfangreiche Verarbeitung und Analyse der Daten. Der perfekte Case für Edge Computing! Die ersten Schritte großer Hersteller werden deshalb als Startpunkt eines Domino-Effektes angesehen. Dazu gehört auch die Gründung von Organisationen mit dem Ziel der übergreifenden Abstimmung.
Das Edge Computing Consortium Europe (ECCE) ist eine solche breit angelegte Industrie-Initiative, die von 18 Anbietern gestartet wurde, darunter Fraunhofer FOKUS und Kuka. Ziel sind die Realisierung eines Referenzarchitekturmodells, eines Referenztechnologie-Stacks und Empfehlungen für bewährte Verfahren. Der Erfolg von Initiativen wie dieser würde eine Katalysatorrolle bei der Beschleunigung der Einführung von Edge Computing in der Industrie spielen. Die Hyperscale-Anbieter sind ebenfalls vertreten - von den vollständig verwalteten Angeboten Microsoft Azure Stack und Amazon (Outpost) bis hin zu hardware-agnostischen Angeboten von Google Anthos.
Der Gewinner ist eindeutig der Enduser - ob als Unternehmen oder Einzelperson. Ein reichhaltiges Ökosystem sorgt dafür, dass Edge Computing sowohl in der Fabrik als auch im Netzwerk leicht zugänglich und erschwinglich ist. Dies wiederum wird die Entwicklung einer neuen Klasse von Pervasive-and-Immersive(π)-Anwendungen vorantreiben - und die Art und Weise verändern, wie wir arbeiten und mit der Welt um uns herum interagieren.
Wir danken Joseph Noronha für die Mitarbeit an diesem Artikel.