Digitale Ethik und digitale Souveränität in der Smart City

Die praktische Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben in Kommunen birgt einige Herausforderungen. Dazu zählt vor allem die Anforderung der digitalen Ethik und digitalen Souveränität im Umgang mit den Daten. Akteur*innen der Smart City stehen hier vor einer Gratwanderung, bei der es heißt, Daten zu nutzen, um einen Mehrwert für die Gesellschaft darzustellen, aber gleichzeitig die Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz der einzelnen Mitglieder zu wahren.  

Im Rahmen der Digitalisierung wird seit einigen Jahren über die Verantwortung von Organisationen gegenüber der Gesellschaft gesprochen. Dies betrifft vor allem den Umgang mit den vielen Daten, die die Digitalisierung generiert.

Daten: Auch in der Smart City Fluch und Segen zugleich

Diese Daten sind gleichermaßen geliebt und gefürchtet, denn: Auf der einen Seite entstehen durch das Sammeln von Daten neue Geschäftsmodelle, die für viele einen Mehrwert bieten. Auf der anderen Seite steht die Gefahr, dass die Analyse dieser Daten zu gläsernen Nutzer*innen führt, die unbewusst manipuliert werden (können). Um eine digitale Souveränität für Organisationen und Individuen zu gewährleisten, müssen im Rahmen der Digitalisierung ethische Grundsätze im Sinne aller diskutiert werden.

Was versteht man unter digitaler Ethik und digitaler Souveränität?

Die digitale Ethik fragt nach dem richtigen Umgang mit Big Data und den moralischen Grenzen der Digitalisierung. Die Idee ist, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine nicht nur durch die Grenzen der Technologie sondern auch die der Moral bestimmt wird. (https://www.egovernment-computing.de/was-ist-digitale-ethik-a-871759/)

Digitale Souveränität ist eine entscheidende Voraussetzung für die eigenständige Handlungsfähigkeit von Staaten, Organisationen und Individuen (Digital Gipfel, 2018). Nach der Definition der Bitkom (Bitkom, 2019) werden unter digitaler Souveränität aktuell auch industriepolitische Aspekte, sicherheitspolitische Fragestellungen aber auch verbraucherpolitisch und individualrechtlich geprägte Herausforderungen wie der Einsatz der aktuellen Datenschutzrichtlinien verstanden. (Abbildung Bikom: Dreischicht-Model)

Abbildung 1: Drei Dimensionen der Digitalen Souveränität, Bitkom 2019

Aktuelle Fragestellungen der digitalen Ethik

Der Einsatz digitaler Technologien generiert eine Vielzahl von Fragestellungen der digitalen Ethik. Eines der meistdiskutierten Beispiele, wenn es um den Einsatz von digitalen Technologien mit Blick auf Sicherheit und Akzeptanz geht, ist das Dilemma der Unfallentscheidung bei autonom fahrenden Autos: Wie soll sich das Fahrzeug verhalten, wenn ein Personenschaden unvermeidbar ist? Sollte ein autonomes Fahrzeug beispielsweise in einem riskanten Ausweichmanöver das Leben seiner Passagiere gefährden, um eine Kollision mit Fußgänger*innen zu vermeiden? Macht es dabei einen Unterschied, ob es sich bei den Fussgänger*innen um Kinder, Schwangere oder Obdachlose handelt? (smc, 2018). Hier wird nicht nur das Ergebnis der Situation digital ethisch evaluiert, sondern auch die Nutzung der Daten, welche das Profil der Personen in der Situation beschreiben.

Ein anderes Beispiel für einen Konflikt in der digitalen Ethik stellt die automatisierte Auswahl von Bewerber*innen durch einen Algorithmus dar. Dieser kann ungewollt diskriminieren, da sich die Systeme meist an älteren, bereits bestehenden Anforderungsprofilen orientiert, in der Annahme, dass die Personaleinstellungen in der Vergangenheit gute Wahlen waren und das System Diversität hinsichtlich Geschlecht, Alter, Ethnie, Ausbildung und sozialer Herkunft außer Acht lässt. Typische Fragen, die sich der digitalen Ethik stellen sind also

  • Wie viel Verantwortung dürfen Algorithmen tragen?
  • Welche Aufgaben soll/ kann/ darf künstliche Intelligenz übernehmen?

Problemstellung in der Smart City

Digitale Hilfsmittel sind ein Schritt zur Realisierung der intelligenten Stadt bzw. einer Smart City. Der Nutzen dieser ist aus der freien Wirtschaft bereits bekannt, wartet aber seit Jahren auf den Einsatz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Seit der Entstehung der Idee von Smart Cities, bestehen Herausforderungen für Politik, Verwaltung und Betrieb. Besonders präsent wurden diese aber erst durch die Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und die dadurch entstehende dringliche Notwendigkeit von Daten und Technologien, um Informationen in Echtzeit zu erhalten. Zu den Herausforderungen gehören:

  • die Sicherung von Daten
  • der Schutz der Privatsphäre
  • die Gewährleistung von Inklusion und
  • schneller Datenaustausch bei Behörden und Organisationen.

Fragen der digitalen Ethik und Souveränität werden Städte und Regionen in Zukunft beschäftigen. Digitale Technologien spielen in der Smart City die entscheidende Rolle, da sie Effizienzsteigerungen und Verbesserungen der Lebensqualität ermöglichen. Die Smart City wird auf diese Weise aber zu einer Datenmaschine. Das heißt: „Big Data“ hat Potenzial für Optimierungen und die Umsetzung ganz neuer Ideen, gleichzeitig sollten nur so viele Daten erzeugt werden wie notwendig.

Sehr deutlich wird diese Konflikt bei Sicherheitskonzepten der Smart City: Digitale Lösungen funktionieren nun mal nur auf der Basis der Erfassung von menschenbezogenen Daten. In welchem Umfang ist dies zulässig?

Auch Kosten spielen eine Rolle. Die Konzepte einer Smart City orientieren sich deshalb häufig an bereits vorhandenen digitalen Lösungen anderer Städte, anstatt individuelle „best-fit“ Lösungen für eine Stadt zu finden. Ähnlich verhält es sich mit dem Energieverbrauch: Der Anspruch einer Smart City ist im Kontext von Nachhaltigkeit stets,  auf energiesparsame Konzepte zu setzen. Digitalisierung selbst verbraucht jedoch immer mehr Energie.

Und auch die Attraktivität von Städten mit modernster digitaler Infrastruktur birgt einen Konflikt: Wenn eine Smart City immer mehr Menschen in die Stadt zieht, führt dies zu weiterer Überlastung der Infrastrukturen und des Lebensraums, während die ländlichen Regionen immer mehr Bewohner*innen verlieren.

Beispiele der Datennutzung in (internationalen) Smart Cities

Data Analytics, also die Analyse von Massendaten, wird genutzt, um Städte lebenswerter zu machen. Es wird angenommen, dass aus diesen Analysen Schlüsse gezogen werden, anhand derer sich Lebensumstände und -qualität bewerten lassen. Sowohl die kommunale Verwaltung kann davon profitieren als auch andere Akteure.

Um die Rolle der digitalen Ethik in Bezug auf Smart Cities deutlich zu machen, ist es hilfreich, Beispiele aufzuzeigen. Ein Positivbeispiel für die Datennutzung ist die Stadt Melbourne. Dort werden Daten über den Fußverkehr gesammelt, um das Wirtschaftsverhalten zu analysieren. Auf diese Weise kann beobachtet werden, wie Menschen sich in der Stadt bewegen. Dies bildet die Grundlage für ein Angebot für Gebäude, in denen Restaurants oder Geschäfte platziert werden können. Aus Sicht der digitalen Ethik ist diese Analyse unproblematisch, da die Daten anonymisiert sind und keine Rückschlüsse auf Alter, Geschlecht etc. zulassen.

Ein weiteres Beispiel für den unbedenklichen Umgang mit Daten findet sich in Köln. Hier werden Daten aus Baustellenmarkierungen (Warnkegeln) genutzt, um den aktuellen Status der Baustelle zu markieren. Für eine Verkehrsroutenoptimierung werden diese Daten an Dritte, wie beispielsweise Rettungsfahrzeuge weitergeleitet.
 

Ein Negativbeispiel findet man in der Stadt Singapur. Hier wurde der Polizei Zugriff auf die Daten aus einer App gewährt, um die Kontaktverfolgung während der Pandemie zu beschleunigen. Diese Daten wurden aber auch für andere Zwecke genutzt, zum Beispiel zur Bekämpfung von Terrorismus, Mord und Drogenhandel. Das ist vor allem deswegen problematisch, weil durch die Muster der Analyse Personen beschuldigt werden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldig sind oder nicht.

Methodische Ansätze der digitalen Ethik

Städte tragen die Verantwortung für ihre Bürger*innen und müssen deshalb den Anspruch haben, sich im Rahmen der Digitalisierung ethisch richtig zu verhalten. Dies bedeutet, vor allem die Souveränität für sich selbst und für die Stadtgesellschaft zu erhöhen.

In der Vergangenheit sind hierfür zwei Ansätze entstanden, die wir für relevant halten: Die „Policy Roadmap G20 Globale Smart City Alliance“ und der „Zyklus strategischer Umgang mit Daten“.

Nach dem Aufruf der G20-Minister*innen wurde die „G20 Global Smart Cities Alliance“ gegründet, um Städte bei der Ermittlung und Entwicklung grundlegender Strategien für Smart-City-Technologien zu unterstützen. Diese Allianz mit Mitgliedern aus aller Welt hat sich dazu verpflichtet, eine politische Roadmap zu erstellen, die politischen Entscheidungsträger*innen und Technologieanbieter*innen als Grundlage für eine solide Technologie-Governance dient. Die G20 Global Smart Cities Alliance orientiert sich an diesen fünf Grundprinzipien:

  • Gerechtigkeit, Inklusion und soziale Auswirkungen
  • Sicherheit und Resilienz
  • Datenschutz und Transparenz
  • Offenheit und Interoperabilität
  • Operative und finanzielle Nachhaltigkeit.

Der „Zyklus strategischer Umgang mit Daten“, entwickelt vom Deutschen Städtetag, trägt diesen Namen, weil sich Technologien stetig und dynamisch weiterentwickeln. Auf den Markt kommen immer neue Lösungen für die digitale Stadt. Diese Technologien müssen im Hinblick auf digitale Ethik und Souveränität immer wieder neu diskutiert und geprüft werden. Dazu gehört die Untersuchung von neuen Datennutzungsoptionen, von neuen Aspekten eines Selbstverständnisses sowie die Anforderungen an die Dateninfrastrukturen. Diese gegenseitige Bedingung von Weiterentwicklungen kann in einem Zyklus dargestellt werden:

Abbildung 2: Zyklus für eine souveräne Stadt, Deutscher Städtetag 2021

Ausblick

Viele Ideen und Möglichkeiten stehen im Raum. Bei der Erfahrungsgewinnung in den Kommunen vor Ort stehen wir jedoch noch eher am Anfang. Vieles wird sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Werden die zentralen Elemente für eine souveräne und nachhaltige Digitalisierung bereits jetzt berücksichtigt, lassen sich die skizzierten Konflikte aus der Datengewinnung und -nutzung auf ein Minimum zum Wohle und Fortschritt aller reduzieren.

Wir danken unserem Alumnus Simon Nicolas Fröhlich für die Erstellung dieses Artikels.