Digitainability als Wegweiser im ICT-Sektor

Wenn Unternehmen wirklich nachhaltig sein wollen, brauchen sie eine umfassende Strategie, um ihre negativen Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren. Nachhaltigkeit ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein wesentlicher Baustein, der in die gesamte Organisation integriert werden muss. Parallel zur fortschreitenden Digitalisierung erweitert sich der Anwendungsbereich der ICT rapide und ermöglicht ganzheitlichere und datengesteuerte Strategien.

Unsere Experten Dr. Shivam Gupta und Christoph Zorn erläutern Synergieeffekte der Verbindung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung und zeigen, wie Digitainability Organisationen effizienter gestalten kann. So entstehen Vorteile für die Umwelt als auch für Wirtschaftlichkeit und Governance. Das Digitainability-Konzept unterstützt eine bessere Entscheidungsfindung durch die Bereitstellung von Daten zur Überwachung von wirtschaftlichen, ökologischen und Governance-Faktoren und ermöglicht frühzeitiges Handeln.

Christoph, welche besondere Bedeutung hat die Nachhaltigkeit für den ICT-Sektor?

Christoph: Der ICT-Sektor ist ein zentraler Bestandteil der Wirtschaft und unserer global vernetzten Welt. Bereits heute verursacht er etwa 3–5 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen. Verglichen dazu, Gebäude und Beton verantworten etwa 6–8 Prozent. Somit gehören ICT-Technologien künftig neben dem Bausektor zu den größten Verursachern von CO₂-Emissionen. Analysen der ökologischen und sozialen Auswirkungen aller Aktivitäten in der riesigen Wertschöpfungskette sind daher ratsam. Angefangen beim Ressourcen- und Energieverbrauch, über das Management des Produktlebenszyklus, ob Funkturm oder Speichereinheiten, bis hin zur Software und den Menschen, die sie entwickeln. Die Optimierung dieser Vorgänge durch die Reduzierung negativer Auswirkungen ist eine wesentliche Aufgabe.

Digitainability verknüpft Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Was ist das Besondere daran?

Shivam: Der Begriff Digitainability verknüpft Nachhaltigkeit und Digitalisierung und beschreibt den achtsamen Einsatz von Technologien für eine nachhaltige Entwicklung. Das Konzept entstand im Jahr 2020 aus meiner Forschung an der Universität Bonn, die sich mit datengesteuerten Ansätzen und KPIs zur Messung der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Nachhaltigkeit befasste. Meine Recherchen ergaben, dass weder Technologie noch Nachhaltigkeit isoliert voneinander betrachtet werden können. Wir können die Digitalisierung nicht ignorieren, wenn wir nach Lösungen für Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter suchen und die Realisierung von Nachhaltigkeit erfordert die Nutzung der Digitalisierung in einem klaren Kontext. In den letzten Jahrzehnten konzentrierte sich die Industrie fast ausschließlich auf ökonomische Faktoren. Heute sehen wir uns mit den ökologischen und sozialen Folgen dieser verengten Sichtweise konfrontiert. Da Nachhaltigkeit nicht immer greifbar ist, hilft die Digitalisierung dabei, zeitnah Daten zu sammeln, die der Definition klarer Handlungsschritte dienen. Dies führt weg von philosophischen Theorien über Nachhaltigkeit und setzt Projekte in die Praxis um.

Detecon ist die erste Organisation, die das Konzept der Digitainability einführte. Unser Know-how im Bereich der Digitalisierung zeigt sich in den von uns angebotenen Nachhaltigkeitsservices. Inzwischen hat sich der Begriff der Digitainability in vielen Branchen etabliert, etwa bei strategischen Diskussionen der International Telecommunication Union (ITU) der UN. Das Konzept stellt eine Chance dar, eine Industrie 5.0 zu schaffen, die einerseits eine wirtschaftlich effiziente Digitalisierung und andererseits ein umwelt- und sozialverträgliches Handeln ermöglicht. Nachhaltigkeit ist ein Ergebnis; Digitainability ist der handlungsorientierte Ansatz, der Digitalisierung zur Realisierung von Nachhaltigkeit nutzt.

Christoph: Der Schlüsselfaktor von Digitainability sind Daten – die Erfassung aller künftig verbesserbaren Stellschrauben. Die größte Herausforderung ist, im Meer der verfügbaren Informationen die wirklich relevanten Daten zu identifizieren und zu klären, in welcher Kombination sie das Ziel einer nachhaltigeren Entwicklung erreichen. Gleichzeitig müssen wir unsere Verfahren für die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen von Grund auf neu gestalten und das Konzept der Digitainability von Anfang an integrieren.

Was hinderte Unternehmen in der Vergangenheit am nachhaltigen Wirtschaften?

Christoph: Ein Haupthindernis ist die mangelnde Bildung in Bezug auf ausschlaggebende Maßnahmen. Nachhaltigkeit ist eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin und erfordert ein tiefes Verständnis vom Was, Wie und Warum. Die schlichte Denkweise »einfach machen« ist zu kurzsichtig (wie übrigens auch das Greenwashing). Nachhaltiges Streben beinhaltet die Analyse und Bewertung eigener Handlungen, der Organisationsstruktur und der Input- und Output-Flows, um sie zu verbessern und positive Werte zu schaffen. Aktuelle Regelungen wie die EU-Taxonomie und die ESG-Debatte beweisen die zunehmende Anerkennung dieser Methode. Ich bin davon überzeugt, ein Umdenken kann die scheinbar endlose Diskussion über Nachhaltigkeit als Kostenfaktor und Investitionsverpflichtung beenden, da wir immer mehr allgemeines Wissen über Zusammenhänge. Um diesen Wandel zu fördern, plädiere ich für das Denken in Ökosystemen – niemand von uns sollte sich und sein Handeln als isoliert betrachten, denn alles ist miteinander verbunden. Digitainability baut auf diesem Bewusstsein auf, indem es hochqualitative Daten aus transparenten Quellen generiert, die in umfassende Maßnahmen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit münden – Daten sind in der Tat das neue Öl.

Shivam: Entscheidend ist das Bewusstsein für die Vorteile von Nachhaltigkeit, Technologie und Daten. Derzeit konzentrieren sich alle auf das Reporting und stürzen sich auf Daten, ohne klarzustellen, in welchem Kontext sie stehen und wie sie die Nachhaltigkeitsziele fördern. Das Reporting ist ein nach außen gerichteter Prozess, aber ich glaube, dass Organisationen die Daten im Hinblick auf den internen Nutzen reflektieren müssen. Man muss die Daten kontextbasiert darstellen und so verknüpfen, dass sie sinnvolle Rückschlüsse zulassen. Technologien wie das IoT, die Cloud und 5G werden diese Hyperkonnektivität fördern. Weiterhin wichtig ist das Trugbild von Nachhaltigkeit als Investition. In Wirklichkeit führen Nachhaltigkeitsaktivitäten zu Effizienzgewinnen, sichern die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens und senken kurzfristig die Betriebskosten. In der Tat ist Nachhaltigkeit genau das, was wir brauchen, um unsere Prozesse zu rationalisieren und unsere Ziele zu erreichen. An diesem Punkt bündelt das Konzept der Digitainability zahlreiche Maßnahmen.

Shivam, wie kann das Detecon „ICT Enablement Potential Framework“ die Verarbeitung von Daten unterstützen?

Shivam: Unser innovatives Framework bietet eine umfassende Unterstützung für ernsthaft interessierte Organisationen, ihre Klimaauswirkungen zu verringern und Schritte zur Nachhaltigkeit zu gehen. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die direkten als auch die indirekten Auswirkungen der ICT-Infrastruktur und -Dienste berücksichtigt. Strukturierte Lösungen berücksichtigen jeden wesentlichen Aspekt. Mit dem Framework können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen, die zu einem nachhaltigen Wandel und einer Reduzierung der Kohlenstoffemissionen führen. Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht nur eindeutig umweltbezogene Aktivitäten Kohlenstoff freisetzen, sondern auch verschiedene indirekte Prozesse innerhalb einer Organisation dazu beitragen. Die Umsetzung unseres Frameworks ist für wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit entscheidend, da es diese drei Säulen ausbalanciert. Das Framework liefert wertvolle Daten, die eine wirtschaftliche Entscheidungsfindung erleichtern und negative Umweltauswirkungen, rechtzeitig eindämmt.

Was ist der nächste Treiber für Nachhaltigkeit, insbesondere im ICT-Sektor?

Christoph: Die Zukunft von nachhaltigen Organisationen ist definitiv digital. Ein Megatrend ist der digitale Zwilling. In seiner optimalen Form spiegelt er ein ganzes Unternehmen vom Input über den Output bis hin zum Outcome wider. Er bietet uns den dringend benötigten Glashauseffekt, der eine vorausschauende Analyse aller optimierbaren Abläufe ermöglicht.

Shivam: Die Integration von Data Spaces, KI, IoT und digitalen Zwillingstechnologien ist schon so weit fortgeschritten, das Betriebsmanagement zu revolutionieren und die Nachhaltigkeit in ungeahnte Dimensionen zu heben. Jeder Digital Twin stellt eine Gelegenheit zur Optimierung von Zielen und Identifikation optimierbarer Bereiche und Aufbau entsprechender Strategien dar. Durch die Einführung digitaler Zwillinge können Unternehmen zudem mehrere Prozesse gleichzeitig angehen. Diese revolutionäre Entwicklung ist abhängig von der Hyperkonnektivität und der Herstellung nahtloser Verbindungen zwischen verschiedenen Sensoren, Geschäftsprozessen und Systemen. Darüber hinaus legen auch neue Hardwareentwicklungen ein größeres Augenmerk auf die Umweltfreundlichkeit, senken Betriebskosten und steigern Energieeffizienz.

Unternehmen, die sich der datengesteuerten Revolution öffnen, können ihre Ressourcennutzung optimieren, Emissionen reduzieren und positive Veränderungen vorantreiben. Es ist an der Zeit, diese Chance zu ergreifen. Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära, in der Nachhaltigkeit und digitale operative Exzellenz Hand in Hand gehen. Digitainability ist die Zukunft.

Welche Rolle spielt Detecon bei dieser Entwicklung?

Christoph: Detecon steht vor der gleichen Herausforderung wie unseren Kunden – auch wir müssen ganzheitlich nachhaltig handeln. Ein Schlüsselfaktor ist die Aufklärung über Nachhaltigkeit. Alle Kolleg*innen müssen das Konzept verstehen und in ihren Arbeitsalltag integrieren, sodass jeder Einzelne eine tragende Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie einnimmt. Wir befinden uns am Anfang der Lernkurve, aber ich bin zuversichtlich. Denn wir haben alle Ressourcen in unserer Unternehmens-Toolbox: unsere Angestellten und Mitarbeiter*innen. Wir beraten zur datengesteuerten Nachhaltigkeit, nutzen dafür das Top-Management, strategische Maßnahmen, Zielvorgaben und Spitzentechnologien (wie 5G, künstliche Intelligenz oder IoT). Aus diesem Grund bin ich sicher, dass wir nicht nur unsere Kunden, sondern auch uns selbst verbessern.

Shivam: Nachhaltigkeit ist ein vielschichtiges Konzept, das je nach Branche, Bereich und Projekt ganzheitliche Elemente berücksichtigen muss. Unser Digitainability-Angebot unterstützt Kunden dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen – nicht nur beim Reporting, sondern auch bei der zukunftsfähigen Transformation. Wir bei Detecon erkennen die Bedeutung dieser Ziele und fördern sie aktiv mit innovativen Ansätzen und unserer Digitalisierungskompetenz. Unsere Initiativen sind auf die Besonderheiten jeder Branche und jedes Bereichs zugeschnitten und liefern wertvolle Erkenntnisse. Wenn wir Nachhaltigkeit erreichen wollen, müssen wir mutig und selbstbewusst sein und uns auf die messbaren Auswirkungen unseres Handelns konzentrieren. Durch die Nutzung von Daten, die Digitainability gewinnt, befähigen wir Organisationen, sich durch die rechtzeitige Förderung ganzheitlicher Nachhaltigkeit neu zu entfalten.

Vielen Dank, Christoph und Shivam, für diese interessanten Einblicke in den Themenkomplex der Digitainability.