Georg Pepping, T-Systems: We.Work.New - über das Arbeiten in der „New Reality“

Georg Pepping, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei T-Systems und sein HR-Team, haben bereits vor mehr als sieben Jahren den Aufbruch der Deutschen Telekom in eine neue Arbeitswelt vorbereitet und gestaltet. Als Sponsor des Projekts We.Work.New verantwortet er die Gestaltung der zweiten Evolutionsstufe – das New Normal bei T-Systems. In unserer Reihe „Working in the New Reality” sprachen Verena Vinke und Dr. Tanja Matt mit ihm über die neue Arbeitsweise bei T-Systems. Darüber hinaus teilt er seine Learnings, die andere Unternehmen bei der Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt helfen können.

Dr. Tanja Matt: Die Coronakrise hat uns Anfang 2020 alle überrascht und die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Bleibt das so?

Vieles, was wir vor Corona kannten, wird wiederkommen, aber nicht mehr im gleichen Maße. Genauso wie wir wieder ausgehen oder reisen werden, werden wir auch wieder in Büros arbeiten oder auf Geschäftsreise gehen. Aber vermutlich in einem deutlich anderen, nämlich geringeren Umfang. Und ebenso werden viele Dinge, die wir – notgedrungen – nun in der Krise praktiziert und gelernt haben, bleiben. Was zudem bleiben wird und zukünftig noch wichtiger werden wird, ist die verstärkte Mensch-Maschine-Interaktion, also menschliche Kollaboration unterstützt durch Technologie. Für HR zum Beispiel im Recruiting oder im Bereich Training & Weiterbildung. Da sehen wir jetzt erst die Anfänge und in HR Tech wird derzeit viel unternehmerisches Kapital investiert, die das Potenzial derartiger Tools belegen. Außerdem sehe ich einen nachhaltigen Trend und höhere Aufmerksamkeit für die sozialen Aspekte der Arbeit, die durch die Pandemie in den Fokus gerückt sind: Ansteckungsrisiken oder Homeschooling machen auch vor Führungskräften nicht Halt. Diese gemeinsame Erfahrung, das erlebe ich auch in der T-Systems, führt zu mehr Aufmerksamkeit und Empathie füreinander. Die Themen wie „Employee Experience“, „Mental Health & Well-being“ und „Psychological Safety“ in Teams für ein gesundes und förderndes Arbeitsumfeld werden aufgewertet.

Dr. Tanja Matt: Was ändert sich noch? Wird sich auch die virtuelle Zusammenarbeit entwickeln?

Unbedingt! Interessant ist nicht nur, wie die Tools Zusammenarbeit über räumliche Distanzen hinweg ermöglichen und unterstützen. Noch interessanter finde ich, wie hierdurch die Zusammenarbeit als solche sich verändert. So erlebe ich durch die Corona-Pandemie eine Demokratisierung von Arbeit und den Abbau von hierarchischer Distanz. Mit der virtuellen Arbeit im Home-Office und die Nutzung von Video-Konferenzen verschwindet die Distanz zwischen Management und Mitarbeitenden immer mehr: Es wird vertrauter, näher, unmittelbarer. Ich freue mich über diese Entwicklung.

Verena Vinke: Was sind die drei größten Herausforderungen, denen sich die T-Systems stellen muss?

Die erste Herausforderung ist: Wie schaffen wir es nach Corona, diese hybride Arbeitswelt zu professionalisieren und nachhaltig erfolgreich zu machen? Und mit erfolgreich meine ich: Für unsere Mitarbeiter, für unsere Kunden und Partnerunternehmen, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten sowie für uns als Unternehmen selbst. Mit unserem „Activity-Based-Working Ansatz“ sind wir hier meiner Überzeugung nach auf dem richtigen Weg. Die Aufgaben bestimmen den Ort, an dem die Arbeit ausgeführt wird. Kunden- und Kreativworkshops kann man virtuell machen, besser sind diese aber, wenn man sich dazu physisch vor Ort in einem unserer Meet&Connect Hubs trifft. Geht es um einen reinen Informationsaustausch wie zum Beispiel ein Sales-Cadence Meeting, kann man das besser und einfacher virtuell machen. Wir können hierdurch die Balance zwischen Arbeit und Privatleben verbessern und eine Win-Win-Situation herstellen.

Die zweite Herausforderung liegt im Bereich Führung und Zusammenarbeit. Von heute auf morgen mussten in der Pandemie sowohl Führungskräfte als auch Teams zu 100 % im Home-Office arbeiten. Die Art der Kommunikation und der Zusammenarbeit hat sich schlagartig geändert. Und so musste sich auch die Art der Führung ändern.

Als dritte Herausforderung sehe ich die Themen Lernen und Skill-Management. Die neue Arbeitsweise erfordert neue Kompetenzen.

Verena Vinke: Mit We.Work.New soll die Produktivität steigen, Kosten sinken und die Mitarbeiterzufriedenheit gestärkt werden. Warum gerade diese Ziele?

Wir haben sogar noch ein viertes Ziel: unsere Kunden in den Fokus stellen beim aktivitätenbasierten Arbeiten. Die Kunden-Perspektive und die Mitarbeitenden-Perspektive müssen meiner Meinung nach immer fokussiert werden. Das Ziel der Produktivitätssteigerung ist eine Resultante der ersten beiden Ziele, wenn man es richtig macht. Und das wollen wir. Und Kosteneffizienz heißt, dass die Einsparung nicht benötigter Bürofläche notwendig ist. Nur dann können wir die Investitionen in einen Umbau der verbleibenden Büroräume, in Ausstattung und Tools sowie in die Befähigung unserer Führungskräfte und Mitarbeiter tätigen. Zwischen diesen vier Pfeilern gilt es die richtige Balance zu finden. Fokussiere ich mich nur auf das Ziel Kosteneinsparungen, werde ich weder aus Kunden- noch aus Mitarbeiterperspektive erfolgreich sein. Und die Produktivität werden wir auch nicht steigern. Die Kunst ist, alle vier Dimensionen im Auge zu behalten und alle vier gleichermaßen zu bedienen. Viele Unternehmen betrachten lediglich eine der vier Dimensionen und das ist meiner Meinung nach falsch. Und: Das ist ein Prozess. Ein Konzept zu entwickeln, ist das eine. Es anzuwenden, zu evaluieren und in der weiteren Folge auch im erforderlichen Umfang anzupassen, etwas anderes. Hier ist Dranbleiben gefragt, um We.Work.New und damit aktivitätenbasiertes Arbeiten nachhaltig erfolgreich zu machen.

Verena Vinke: Bei solchen Zielen kommt das Thema Evaluation, also die Messbarkeit nicht selten zu kurz. Wie wird dies bei We.Work.New gemacht?

Wir arbeiten mit OKRs und das Team hat ein Dashboard mit Power BI entwickelt, um die Effekte messbar zu machen. Manche Aspekte kann ich kurzfristig messen, beispielsweise die Kostenersparnis. Aber interessant sind natürlich auch die Mitarbeiter- und Kundendimension, bei der wir die Effekte erst mittel- bis langfristig sehen werden. Hier werden wir viel auch mit Befragungen arbeiten. Diese Themen muss man über einen längeren Zeitraum beobachten und auch offen dafür sein, dass man in verschiedenen Iterationen Anpassungen vornimmt.

Verena Vinke: Bereits 2015 habt ihr mit dem Programm Future Work und mit mobiler Arbeit den ersten Schritt in die moderne Arbeitswelt gesetzt. Jetzt legt ihr eine Schippe drauf. In welcher Hinsicht tut sich ein Unternehmen wie T-Systems bei so einem Wandel leichter als andere?

Aus meiner Sicht genießen wir zwei Vorteile:

Zum einen sind wir ein reines IT-Unternehmen. Wir beraten unsere Kunden nicht nur zu IT, sondern wir arbeiten tagtäglich mit IT. Dementsprechend fällt uns auch die Einführung und Anwendung von IT-Kollaboration Tools leichter.

Zum anderen betreuen wir als global tätiges Unternehmen unsere Kunden immer schon standort- und länderübergreifend: Die Zusammenarbeit über Standorte und Grenzen hinweg ist gelebte Realität und hat von jeher schon viel virtuelle Zusammenarbeit erfordert. Aber: als sehr stark technologisch getriebenes Unternehmen dürfen wir uns nicht allein auf die technische Dimension verlassen. Nur weil die Tools funktionieren, heißt es noch lange nicht, dass wir erfolgreich zusammenarbeiten. Die menschliche Dimension von Zusammenarbeit darf nicht aus dem Auge verloren werden.

Verena Vinke: Was bringt uns das schönste Büro mit der neuesten Technologie, wenn wir es nicht schaffen, die Menschen mitzunehmen?

Das stimmt. Wir empfehlen bei Videokonferenzen: Video an! Weil wir Menschen darauf trainiert sind, Gesten zu lesen. Sprache hören ist relevant, aber gerade Gesichter lesen, Emotionen erkennen können, ist noch wichtiger. So stellen wir sicher, dass alle aktiv teilnehmen. Wie mache ich ein Meeting lebendig? Es kann sehr schnell langweilig und passiv werden – das kann natürlich auch in physischen Meetings passieren. Eine Session sollte darum nie länger als eine Stunde dauern und interaktiv sein. Oder auch: Wenn wir in einem Raum sind, sieht man den Leuten in der Regel an, ob sie einverstanden sind, mit dem was gesagt wurde. In einer Video-Session passiert das nicht unbedingt. Also muss man sich angewöhnen nachzufragen. Es sind auch viele handwerkliche Sachen, die wir dazulernen. Ein Fehler ist, dass ich das, was ich aus physischen Meetings kenne, in die virtuelle Welt transportiere – oder vice versa.

Dr. Tanja Matt: Du hast erwähnt, dieser ganze Prozess wird zwei bis drei Jahre dauern. Nehmen wir an, diese Zeit ist um. Woran würdest Du merken, was durch We.Work.New erreicht wurde?

Ich würde dies an den beiden Dimensionen Kunde und Mitarbeitende festmachen. Aus Mitarbeitersicht sicherlich Mitarbeiterzufriedenheit, Work Life Balance, Gesundheit. Aus Kundensicht ist die Kundenzufriedenheit entscheidend. Wir haben ein Geschäftsmodell mit sehr hoher Kundeninteraktion. Dort muss sich die Art wie wir arbeiten auch niederschlagen.

Dr. Tanja Matt: Abschließend noch eine letzte Frage: Was sind die wichtigsten Lessons Learned, die Du mit Blick auf We.Work.New anderen Unternehmen mit auf ihren Weg ins New Normal geben möchtest?

Das sind einige. Das erste Learning ist für mich die Notwendigkeit, ein Konzept ganzheitlich anzugehen. Es ist nicht damit getan, schlicht die Bürofläche zu reduzieren oder umzugestalten. Es geht darum, von der Strategie und den Anforderungen des Geschäfts, in dem ich tätig bin, das geeignete Arbeitsplatzkonzept und das damit einhergehende Arbeitskultur- und Führungskonzept zu entwickeln und ganzheitlich umzusetzen.

Mein zweites Learning ist, dass die Freiheit des Einzelnen, nach eigener Wahl auch mal von zu Hause arbeiten zu können, zu kurz springt. Ich bin vom Ansatz des aktivitätenbasierten Arbeitens sehr überzeugt. Es geht nicht darum, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, nach eigener Wahl ein bis zwei Tage von zuhause aus arbeiten zu lassen. So entsteht über die Zeit eine fragmentierte Welt. Aus meiner Sicht muss die Entscheidung im Team getroffen werden. Die Frage „Was arbeiten wir?“ sollte bestimmen, wie und wo wir arbeiten und für welche Tätigkeiten wir physisch zusammenkommen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Und das nicht nur hinsichtlich der eigentlichen Arbeit, sondern auch im Hinblick auf die sozialen Aspekte der Arbeit, die menschlichen Ebene hinter und bei der Arbeit – wenn man so will, das typische Feierabendbier.

Mein drittes Learning ist, dass man zu jedem Schritt und gerade auch beim ersten Schritt („die Gestaltung des Konzepts“) die Mitarbeiter einbinden und mitgestalten lassen muss. Uns hat die Befragung der Mitarbeiter, wie wir arbeiten wollen, wie wir unsere Kunden und Partner bestmöglich bedienen können, welche Büros und Tools wir dafür brauchen und wie sich unsere Führungs- und Zusammenarbeitskultur verändern muss, sehr geholfen.

Das vierte Learning liegt meines Einsehens nach in der Erkenntnis, dass man nicht alles im ersten Schritt richtig machen kann. Man kann und muss viel darüber nachdenken, ein gutes Konzept zu entwickeln. Aber am Ende muss man den Mut haben, sich darauf einzulassen und es schlicht auszuprobieren. Erst dann sieht man, ob das Konzept erfolgreich ist. Hier war das Versprechen gegenüber Mitarbeitern wie Betriebsrat wichtig, dass wir den Umsetzungsprozess aktiv begleiten und das Konzept bei Bedarf auch anpassen. Wir waren zum Beispiel bewusst sehr mutig bei den Annahmen, wieviel Fläche wir nicht mehr benötigen. Sollten wir in ein paar Monaten feststellen, dass wir doch mehr Fläche brauchen, müssen wir nachsteuern. Nur indem wir in die Veränderung gehen, können wir sie auch gestalten. Das ist im Kern agiles Management, also Plan – Do – Analyze -Adapt.

Und ein solcher Veränderungsprozess, das ist mein fünftes Learning, fängt bei einem selbst an. Jeder muss die Bereitschaft haben, auch sich und die Art, wie er arbeitet und führt, an das aktivitätenbasierten Arbeiten anzupassen. Ein solcher Change wird nicht funktionieren, wenn er nicht durchgängig im Unternehmen umgesetzt wird und gerade das Management nicht den ersten Schritt macht – „Leaders go first“ ist das Motto. Hier hat uns sicher geholfen, dass wir als Geschäftsführung bereits 2018 auf eine offene, für alle zugängliche offene Bürofläche, gegangen sind.

Vielen Dank, Georg Pepping, wir wünschen dir und deinem Team alles Gute für die Zukunft.

Georg Pepping ist seit 2010 Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei T-Systems. Er begann seinen beruflichen Werdegang im Konzern Deutsche Telekom 1997 bei der T-Data Gesellschaft für Datenkommunikation mbH. Seit 1999 war er in unterschiedlichen Positionen in die Konzernzentrale der Deutschen Telekom AG in Bonn mit Grundsatzfragen im Bereich „Konditionen, Tarif- und Mitbestimmungspolitik“ verantwortlich, zuletzt als Leiter des Zentralbereichs Human Resources Management (HRM).

 

Vielen Dank für die Mitarbeit an diesem Interview an Verena Vinke.

Das Interview führten