Tobias Lauterborn: Umsetzung des KHZGs in Reinland-Pfalz und NRW

Für die meisten Bundesländer ist die Antragsfrist abgelaufen und die Bedarfsmeldungen sind eingereicht. Welche Herausforderungen und Chancen gab es beim Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) retrospektiv? Ein Interview mit Tobias Lauterborn, Leiter Konzernbereich IT bei der Dernbacher Gruppe Katharina Kasper und Pascal Frank von Detecon.

Detecon: Was halten Sie von der grundsätzlichen Idee einer großen Förderung durch den Bund und die Länder?

Lauterborn: Prinzipiell halte ich es für eine gute Idee, die Krankenhäuser finanziell zu unterstützen. Manchmal hat man jedoch den Eindruck, die letzten zehn Jahre, in denen es kaum Fördermittel gab, in sehr kurzer Zeit aufholen zu wollen. Vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) werden „Spielregeln“ vorgegeben, die die einzelnen Bundesländer weiter definieren können. Wir haben beispielsweise insgesamt vier Krankenhäuser in zwei verschiedenen Bundesländern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Daher müssen wir uns an unterschiedliche Regelungen halten. Das betrifft Abgabefristen, Vorgaben für Förderungen, nicht förderbare Aspekte, Übertragung von Fördermitteln und vieles mehr. Bei solch einem großen und wichtigen Bundesprojekt, was hoffentlich die Welt der Digitalisierung nicht nur im Krankenhaus, sondern auch bei niedergelassenen oder weiterbehandelnden Ärzten und Patienten deutlich verändern wird, sollte insgesamt mehr Struktur vorhanden sein.

Wo sehen Sie das größte Optimierungspotenzial für zukünftige weitere Förderungen?

Das Ziel, digitaler zu werden, beinhaltet die Komponente, sicherer zu werden. Wir hatten große Schwierigkeiten beim Nachweis von „15 Prozent Informationssicherheit“. Lange Zeit war unklar, was genau damit gemeint ist. Viele haben immer von Security gesprochen, aber bei Informationssicherheit steckt durchaus mehr dahinter. Außerdem kam hinzu, dass die 15 Prozent pro Fördertatbestand erfüllt werden mussten und diese sich nicht über mehrere Fördertatbestände erstrecken können. Das zeigt sich am Beispiel einer Firewall, denn sie ist vermutlich für mehrere Fördertatbestände wichtig. Mit diesen Vorgaben eine Security-Strategie bzw. Gesamtstrategie aufzubauen, macht es für Krankenhäuser, die meistens im Verbund beantragen, kompliziert.

Die Länderunterschiede waren deutlich: Rheinland-Pfalz hat beispielsweise eine Digitalisierungsstrategie gefordert. In NRW sollten eher die Standardformulare ausgefüllt werden. Auch das Thema Ausschreibung hatte seine Tücken: Was genau muss ausgeschrieben werden? Auch hier wieder: je nach Bundesland unterschiedlich. Ein Produkt für all unsere vier Häuser für Fördertatbestand zwei wäre schön gewesen. Aber für zwei Häuser muss eine Ausschreibung stattfinden, für die anderen beiden nicht. Das macht eine Produktstrategie äußerst kompliziert, denn es müssen zwei Systeme angebunden werden, man arbeitet nicht wirtschaftlich und baut die Schnittstellen doppelt auf. Die Abgabe über das entwickelte Einreichungs-Onlineportal funktionierte nur schleppend. Es gab Schwierigkeiten bei der Auswahl von Zuständigkeitsbereichen und dem Hochladen von Unterlagen – all diese Hürden erschweren diesen Prozess enorm.

Wenn ein Bundesgesetz gemacht wird, dürfen die einzelnen Spielräume der Bundesländer nicht so groß sein. Außerdem wäre es sinnvoll, einen Gesetzesbeschluss gemeinsam mit Leuten von der „Basis“ zu gestalten.

Am 28.10.2020 trat in Deutschland das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft, ein Investitionsprogramm, das für eine modernere Ausstattung und digitalisierte Prozesse in den Krankenhäusern sorgen soll. Bund und Länder fördern diesbezüglich bestimmte Modernisierungsmaßnahmen. Jedem Bundesland steht ein Anteil der insgesamt vom Bund zur Verfügung gestellten drei Milliarden Euro zu. Die meisten Bundesländer haben ihre Bedarfsmeldungen für eine Förderung bereits von den Kliniken eingefordert, einzelne Häuser haben ihre Fördermittel bereits erhalten. Bis spätestens Ende 2021 müssen alle Förderanträge von den Ländern an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) weitergegeben werden.

Neben der Förderung werden ab 2024 Abschlagszahlungen fällig, wenn nicht ein Mindestdigitalisierungsgrad erreicht wurde. Was denken Sie dazu?

Die Frist ist am 01.01.2025 – das wage ich zu bezweifeln. Einerseits ist eine Frist nicht schlecht, damit die Fördermittel auch in einem gewissen Zeitraum umgesetzt und die Häuser auf den gleichen Stand kommen. Andererseits müssen die Krankenhäuser das auch erst einmal in dieser Zeit bewältigen. Wann das Bundesamt für Soziale Sicherung eine Rückmeldung zu den Anträgen gibt, ist noch unklar, das kann zeitlich zum Teil knapp werden. Ich bin gegen die Abschlagszahlungen, denn die Häuser sind ausreichend mit dem Fachkräftemangel, der Covid-19-Situation und dem Diagnosis Related Groups (DRG)-System, beschäftigt. Hinzu kommt jetzt noch das KHZG. Andere Methoden, wie z. B. eine prozentuale Rückzahlung bei Nicht-Erfüllung ohne Begründungsgrundlage wäre eine mögliche Option.

Wenn Sie das KHZG nach der Beantragung betrachten: Was ist Ihrer Meinung nach besonders gut gelungen?

Ich hoffe auf eine einheitliche Digitalisierung in gewissen Bereichen. Als Patient ist es egal, in welcher Klinik er sich befindet, er hat über das Patientenportal ansatzweise die gleichen Möglichkeiten. Speziell aus unserer Sicht hatten wir mit dem Ministerium von Rheinland-Pfalz einen sehr guten Partner, unser Verhältnis war geprägt von offener Kommunikation. Es bestand ein großes Interesse daran zu erfahren, welche Hürden oder Fragen wir hatten und wie uns am besten geholfen ist.  

Wie ist aus Ihrer Sicht das allgemeine Stimmungsbild in anderen Kliniken?

Ich denke, das Stimmungsbild ist bezüglich des KHZGs leider nicht so gut. Nicht, weil man sich gegen die Digitalisierung sträubt, sondern weil der Weg bis zur Abgabe und Umsetzung so umständlich je nach Bundesland ist. Einige haben gar nicht alles beantragt, weil sie nicht wissen, wann das alles umgesetzt werden soll. Mein Eindruck ist, dass etwas schnell auf den Weg gebracht werden sollte, damit Deutschland bei der Digitalisierung nicht mehr hinterherhinkt. Dabei wird zu wenig berücksichtigt, was Digitalisierung für Krankenhäuser bedeutet, angefangen bei der IT-Sicherheit über die Akzeptanz bei unseren Patienten bis hin zur Schulung unseres Personals.

Wenn Sie bei der Beantragung und Durchführung einen Wunsch gehabt hätten, welcher wäre das?

Einheitlichere Regeln für alle.

Inwiefern hat das KHZG ihren Häusern geholfen?

Das KHZG schafft eine gute Basis, worauf sich aufbauen lässt. Einige Häuser sind viel weiter bei der Digitalisierungsstrategie – oftmals die Unikliniken. Auf dem Land sind die Fördermittel und das Personal sehr begrenzt. Dort hat das Gesetz aber dennoch geholfen. Wo vorher keine Digitalisierungsstrategie vorhanden war, wurde sie jetzt gefördert.

Würden Sie eine solche Förderung anderen Ländern in Europa empfehlen?

Das Gefühl bleibt, schnell gegenüber anderen EU-Ländern aufholen zu wollen. Österreich und die Schweiz sind uns teilweise weit voraus. Es ist wichtig, nicht ein großes Projekt, sondern eine langfristige Förderung anzustreben. Dann haben die Häuser Zeit, sich zu entwickeln und das finanziell zu tragen.

Wie schätzen Sie die Kliniklandschaft nach Abschluss, also nach 2025, ein?

Ich vermute, dass es wieder einen kleinen Stillstand bzw. eine Erholungsphase für die Kliniken gibt. Das dauert hoffentlich keine fünf bis zehn Jahre, weil wir ansonsten wieder in das gleiche Dilemma geraten, wie es jetzt der Fall ist. Man spricht bereits vom KHZG 2.0. Ich persönlich denke, dass aus den Kann-Kriterien dann die Muss-Kriterien werden. Das wäre zumindest der logische Schritt, damit man nicht wieder stehen bleibt. Das findet dann aber hoffentlich in einer anderen Art und Weise und nicht mit einer einmaligen Geld-Ausschüttung, sondern kontinuierlich und langfristig statt. Wichtig ist, dass es für die Kliniken zu stemmen ist, vor allem finanziell. Ich hoffe, dass wir nicht deutlich mehr Kliniken abbauen, sondern vor allem die ländliche Struktur gestärkt wird. Die Gesundheit der Patienten und nicht die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses sollte weiterhin im Vordergrund stehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Tobias Lauterborn leitet den Konzernbereich IT und das KHZG-Projekt der Dernbacher Gruppe Katharina Kasper, mit Kliniken in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Nach der Berufsausbildung mit dem Schwerpunkt IT-Fachinformatiker Systemintegration studierte Herr Lauterborn zusätzlich Medizininformatik (B. Sc.). Er arbeite außerdem am Klinikum-Mittelmosel und in der Stiftung Kreuznacher Diakonie. Lauterborn programmierte im Laufe der Zeit diverse Softwarelösungen im Medizinumfeld, beispielsweise zur Stationsbestellung und der Dokumentation von Implantaten. Außerdem leitete er Projekte im Bereich Telematikinfrastruktur.

Das Interview führte