Smart City Wedel: Chatbots in der öffentlichen Verwaltung

Die Stadt Wedel wird digital: Jörg Amelung und David Karohl berichten über die Beweggründe, an einem Pilotprojekt der ITVSH teilzunehmen, das die öffentliche Verwaltung mit dem Chatbot „Govii“ ein Stück mehr digitalisiert. Doch wie wird Govii von den Bürger*innen angenommen, für welche Use Cases bringt er bereits einen Nutzen und was ist das allgemeine Zielbild, welches mit der Implementierung verfolgt wird? Erfahren Sie in diesem Interview, welche Erfahrungen die Stadt Wedel auf dem Weg zur Smart City bisher gemacht hat.

Detecon: Woher kam die Motivation für die Stadt Wedel, am Pilotprojekt der ITVSH teilzunehmen, in dessen Rahmen der Chatbot „Govii“ eingesetzt wird?

J. Amelung: Wir sind von Beginn an Mitglied im ITVSH. Der Informationsfluss ist sehr gut, sodass wir immer auf dem neuesten Stand sind, wenn es darum geht, was gerade im Bereich Digitalisierung passiert. Außerdem haben unsere Mitarbeiter*innen viel Spaß daran, neue Dinge zu probieren – vielleicht etwas untypisch in der Verwaltung. Wir haben gehört, dass die Landeshauptstadt Kiel den Chatbot „Govii“ bereits einsetzt. Daraufhin haben wir uns Govii genauer angesehen und fanden das Projekt sehr spannend. Deshalb haben wir beschlossen, Govii auch in unserer Stadt zu implementieren, da wir im digitalen Bereich zu den Vorreitern gehören wollen. Darüber hinaus wird sich der Bürgerservice – nicht nur bei uns – komplett verändern, sodass der Einsatz eines Chatbots in der Verwaltung sehr hilfreich sein kann.

Das heißt, die Akzeptanz des Chatbots seitens der Mitarbeiter war sofort da. Wie beschreiben Sie die Akzeptanz und das Feedback der Bürger*innen zum Nutzungserlebnis mit dem Bot?

D. Karohl: Ein Grund, weshalb wir an diesem Pilotprojekt mitwirken wollten, war, um die Weiterentwicklung besser steuern zu können. Aktuell befindet sich unser Chatbot noch in der Lernphase. Da wir als Pilot fungieren, können wir ein Stück weit mit steuern, wie der Chatbot letztendlich im operativen Geschäft einsetzbar sein wird. Damit nehmen wir auch Einfluss auf den Nutzen für die Bürger*innen.

Da der Chatbot noch lernt, haben wir noch keine umfängliche Erfahrung mit der Bürger*innen-Akzeptanz gemacht. Bisher sind noch viele Antworten auf Fragen, die man dem Chatbot stellt, nicht brauchbar. Daher nehmen wir aktuell noch viele Anpassungen vor, damit die Informationsquellen, auf die der Chatbot Zugriff hat, möglichst groß werden.

Unsere Interviewpartner

Jörg Amelung verantwortet als Fachbereichsleiter seit mehr als 11 Jahren die strategische Ausrichtung der IT bei der Stadt Wedel und ist Mitglied in der Trägerversammlung des ITVSH. Das Thema Digitalisierung – Zukunftsfähige Stadtverwaltung – ist ihm dabei ein zentrales Anliegen.

David Karohl leitet den Internen Dienstbetrieb bei der Stadt Wedel. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung aus den Bereichen IT, Wirtschaft und Finanzen und bereitet derzeit mit seinen Teams den digitalen Weg der Stadtverwaltung.

Für welche konkreten Use Cases ist der Bot in Wedel bereits im Einsatz und für welche Anwendungsfälle wird er trainiert?

J. Amelung: Aktuell dient der Chatbot als Bürger*innen-Information. Früher mussten sich die Bürger*innen bei Fragen durch unsere Website klicken, heute können sie diese Fragen direkt an den Chatbot stellen. Ein Beispiel: Jemand braucht einen neuen Personalausweis und unser „Govii“ antwortet direkt mit den passenden Formularen und verlinkt direkt zur Online-Terminvergabe-Seite.

Wir arbeiten mit FrontDesk bei der Online-Terminvergabe zusammen. Das System wird in drei unserer Fachdienste, in denen es viele Bürgerkontakte gibt, eingesetzt. Hier machen wir Termine nur noch online. Vor gut einem Jahr, während der Corona-Pandemie, haben wir damit angefangen und es hat sich bisher super bewährt! Natürlich hat dies unsere Arbeitsabläufe anfänglich etwas durcheinandergebracht, jedoch haben wir diese dann zügig an die neuen Systeme angepasst.

Auch die Bürger*innen sind begeistert und nehmen die neuen Strukturen gut an. Unser Ziel ist es, dass all diese Bereiche und der Chatbot miteinander verbunden werden. Aktuell lernt der Chatbot noch, aber er liefert hier bereits einige gute Ergebnisse.

Wann planen Sie, dass der Chatbot zielsicher Antworten in den verschiedensten Bereichen liefern kann? Von welchem Zeithorizont sprechen wir hier?

J. Amelung: Aktuell lernt unser Chatbot fleißig und unsere Mitarbeiter arbeiten kontinuierlich daran, „Govii“ mit Informationen zu füttern, sodass er täglich besser wird. Hierzu haben wir eine Pressemeldung herausgegeben und unsere Bürger*innen dazu aufgefordert, den Chatbot zu nutzen und einfach Fragen zu stellen, damit er lernt. Auch wenn die Antworten bisher nicht immer zielführend sind, ist dies notwendig, damit er weiter lernen kann - und das bei jeder Frage. Je mehr Fragen wir ihm also stellen, desto schneller lernt er!

Und wie wird dies von den Bürger*innen angenommen? Stellen diese dem Chatbot genügend Fragen?

D. Karohl: Das ist natürlich auch eine der organisatorischen Hürden. Diese Auswertung von Menge und Qualität der Fragen kann nur die Entwicklerfirma Teleport machen, welche den Bot händisch betreut. Hier kämpfen wir aktuell noch etwas damit, dass wir eine Auflistung von gestellten Fragen bekommen, sodass wir nachverfolgen können, welche Fragen gestellt werden und ob eventuell auch der Weg der Informationen für den Bot verbaut ist. Hierfür gibt es unter anderem den Zuständigkeitsfinder vom Land Schleswig-Holstein, wo der Bot Informationen sammeln und verarbeiten soll.

Wenn beim Zuständigkeitsfinder Informationen falsch hinterlegt sind, dann kann der Bot natürlich nicht vernünftig antworten. Und das finden wir nur heraus, wenn wir die Auswertungen darüber bekommen, in welchen Bereichen der Bot noch Schwierigkeiten hat. Aber grundsätzlich würde ich sagen, dass der Chatbot nie zu 100% fertig sein wird, weil er kontinuierlich lernt und sich weiterentwickelt. Behörden haben natürlich auch ein relativ breites Spektrum an Aufgaben im Gegensatz zu einem Telekommunikationsversorger beispielsweise.

Dieser hat eine große Masse an Anfragen zu bewältigen, aber einen überschaubaren Aufgabenbereich. Wir hingegen haben im Verhältnis eher weniger Fragen, aber dafür die gesamte Bandbreite. Bis der Bot damit umgehen kann, wird wohl noch ein wenig Zeit ins Land gehen.

Können Sie bereits absehen, dass der Einsatz von Govii über den zurzeit angedachten Use Case hinausgehen kann?

D. Karohl: Grundsätzlich, ja. Wobei man sagen muss, konkret steht für uns erst einmal im Vordergrund, dass für die Bürger*innen alle wichtigen Informationen zu jeder Zeit und unabhängig von den Öffnungszeiten des Rathauses zur Verfügung stehen. Denn die Bürger*innen haben natürlich nicht nur von 8:30 bis 13.00 Uhr Fragen, sondern auch nachmittags und abends. Und genau hier soll der Bot unterstützen.

Was jedoch die Zukunftsvisionen angeht, muss man sagen, dass die Möglichkeiten so stark im Wandel sind, dass es wahrscheinlich in zwei Jahren noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten für diesen Bot geben wird. Grundsätzlich steht für uns die Anbindungen zu den OZG Leistungen im Vordergrund. Zukünftig ist dies möglicherweise sogar Behördenübergreifend möglich.

J. Amelung: Wir sind aktuell dabei, unsere Verwaltung zu digitalisieren und unsere Verwaltungsabläufe im Hinblick auf das OZG umzugestalten und anzupassen. Dabei soll dann unser „Govii“ die Schnittstelle bilden. Bei der Steueranmeldung beispielsweise kann der Bot dann die entsprechenden Antworten geben, das Formular zur Verfügung stellen und auf unserer Seite den digitalen Workflow auslösen.

Sind Sie im Rahmen des Pilotprojekts auch im Austausch mit den anderen Städten?

J. Amelung: Es gibt über den ITSVH einen regelmäßigen Informationsaustausch. Hier werden auch die Erfahrungen in regelmäßigen Workshops ausgetauscht, um zu schauen, was noch verbesserungsfähig ist. Hier kann man die Nutzung in den unterschiedlichen Kommunen gut vergleichen und dabei voneinander lernen.

D. Karohl: Beim Start des Pilotprojekts haben wir beispielsweise mit der Stadt Pinneberg zusammengearbeitet, da diese den Chatbot auch nutzen möchte und wir uns gemeinsam die Arbeit teilen konnten. Die Stadt Pinneberg hat dann die juristische Prüfung der Verträge übernommen und wir haben uns um den Datenschutz gekümmert. Hier konnten wir einige Synergieeffekte herausziehen.

Gibt es bereits Learnings und Erfahrungen, welche Sie an andere Städte weitergeben würden?

D. Karohl: Die erste große Erkenntnis bestand tatsächlich darin, dass solche Projekte zuerst immer sehr einfach klingen, es aber im Endeffekt doch einiges zu managen und zu regeln gibt. Die Planung im Vorfeld kostet hierbei am meisten Zeit.

Es klingt immer sehr einfach, wenn man sagt „Wir führen einen Chatbot ein“. Aber die gesamte Arbeit, welche im Vorfeld zu erledigen ist, ist schon nicht unerheblich.

Insgesamt fand ich das Projekt aber sehr schön für mein gesamtes Team, da wir hier auch als Gemeinschaft sehr daran gewachsen sind. Da die Implementierung natürlich für uns alle etwas Neues war, konnten wir dies zusammen entdecken und erlernen.

J. Amelung: Ich sage immer „Stillstand ist Rückschritt“ und von daher kann ich nur sagen, dass es auch als öffentliche Hand wichtig ist, Dinge zu wagen, auch wenn diese nicht immer einfach sind. Es gibt viele Regularien, die eingehalten werden müssen, und man muss die Politik überzeugen. Das sind alles Schwierigkeiten, aber wer nicht wagt der nicht gewinnt - deshalb sehe ich es als Pflicht, immer etwas Neues zu tun.

Ich finde, dieses Projekt macht sehr viel Spaß und hat gleichzeitig einen hohen Nutzen.

Das klingt sehr vielversprechend. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei der weiteren Umsetzung!

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Das Interview führte