KHZG-Umsetzung in Hessen. Im Gespräch Mathias Raab und Niko Ringelstein

Die Kliniken haben ihre Anträge für das KHZG größtenteils eingereicht. Andernorts, wie beispielsweise in der Kreisklinik Groß-Gerau in Hessen, beginnt nun die Umsetzung. Ein Interview mit Mathias Raab, Prozess- und Projektmanagement und Niko Ringelstein, Leiter IT-Abteilung mit Consultant Pascal Frank von Detecon.

Detecon: Was halten Sie rückblickend von einer derart großen bundesweiten Förderung?

Ringelstein: Es ist eine gute Idee und notwendige Maßnahme, weil es viel Nachholbedarf bei der Digitalisierung gibt. Die Umsetzung ist aber etwas holprig und wurde seitens des Gesetzgebers meiner Meinung nach etwas über das Knie gebrochen, denn wir hatten anfangs sehr wenige Informationen.

Raab: Ich sehe das ähnlich. Wenn man etwas weiter ausholt, spricht es Bände, dass es so etwas wie das KHZG mit einem solchen Fördertopf vom Bund überhaupt gibt. Eigentlich tragen die Länder solche Investitionen. Wir sind froh, dass es einen solchen Investitionsrahmen gibt. Realistischerweise kann das aber nur der Anfang sein. Derartige Projekte verursachen diverse Folgekosten für die Wartung, Mitarbeiter-Systeme, Applikationen etc. Der Auftakt war gut, aber der Föderalismus hat im negativen Sinne zugeschlagen. Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln. Erst nachdem die Antragseinreichung erfolgte, kamen noch konkretere Informationen. In Hessen hat es dennoch ganz gut funktioniert.

Was ist vor allem positiv zu vermerken?

Raab: Die Fördertatbestände und Schwerpunkte wurden klar gesetzt. Durch diese Vorgehensweise hatten die Häuser ein klares Bild davon, was der Gesetzgeber sich vorstellt und konnten dementsprechend Projekte aktiv vorantreiben und Lücken im System identifizieren. Das hat generelle Digitalisierungsbestrebungen deutlich beschleunigt.

Ringelstein: Die einzelnen Fördertatbestände waren kategorisiert und es wurde auf spezifische und essenzielle Themenbereiche konzentriert. Das sieht man beispielsweise an den anteiligen und verpflichtenden IT-Sicherheitskosten – ein sehr wichtiger Aspekt.

  • Diplom-Gesundheitsökonom (Universität Bayreuth)
  • Seit über zehn Jahren in verschiedenen Krankenhäusern unterschiedlicher Trägerschaft und Größe aktiv
  • Schwerpunkt Projekt- und Prozessmanagement / Inhouse-Consultant

Inwiefern ist die Tiefe der Fördertatbestände richtig gewählt, Stichwort KI oder Cloud-Themen?

Ringelstein: Das KHZG wurde für Gesamt-Deutschland aufgesetzt. Daher müssen die Themen auch ausreichend weit gefasst sein, damit jeder etwas fördern kann. Häuser, die auf einem relativ hohen Digitalisierungsstand sind, sollen ebenfalls vom KHZG profitieren.

Raab: Mir ist gar nicht ganz klar, auf welcher Basis die Fördertatbestände eigentlich beruhen. Ich vermute, dass einige Referenzen im Ministerium zu dieser Ausrichtung und der Schwerpunktsetzung geführt haben. Mir ist dennoch keine Umfrage bekannt, wo Häuser konkret zum Status quo ihres Digitalisierungsgrades befragt wurden. Man sagt in Deutschland immer nur, dass wir hinterher sind. Konkrete Studien, die das wirklich aufzeigen, kenne ich persönlich nicht. Wir sind eine Kreisklinik mit überschaubarem Budget und in der Digitalisierung verhältnismäßig weit, zumindest bei einigen Themen wie WLAN und Tablets. Einige Fördertatbestände haben gut gepasst und wir haben uns das herausgesucht, was Relevanz hat – mit KI und Robotik haben wir aber beispielsweise keine Berührungspunkte.

„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen scheitert vor allem am Finanzierungssystem und an mangelhaften Anreizen.“ - Mathias Raab

Was sind Ihrer Meinung nach Kritikpunkte am KHZG?

Ringelstein: Ich hatte immer das Gefühl, dass wir nie so ganz genau wissen, was wir eigentlich zu tun haben. Es kamen diverse Fragen auf: Wie und wann genau muss der Antrag gestellt werden? Was müssen wir alles abgeben? Was kann nachgereicht werden? Es geht bei den Anträgen um sehr viel Geld, also sind das auch existenzielle Fragen für die Häuser. Der Antrag soll schließlich auch bewilligt werden.

Raab: Wir können uns ganz offen gesagt gestehen, dass wir ohne externe Unterstützung krachend gescheitert wären. Der Gesetzgeber forderte für gewisse Dinge zertifizierte IT-Beratungen, die bei der Gestaltung bzw. Erstellung der Anträge helfen. Man musste aber dennoch viel Zeit und Energie aufbringen, um einen akzeptablen Antrag erstellen zu können und trotz externer Unterstützung kamen Rückfragen zu einzelnen Punkten. Für mich ist es nicht vorstellbar, dass Häuser wirklich komplett allein damit klargekommen sind.

  • Ausgebildeter Fachinfomatiker Systemintegration
  • Seit dem Jahre 2000 in der Klinik-IT tätig
  • Seit 2011 in der IT der Kreisklinik
  • Seit September 2020 Leiter der IT der Kreisklinik

Nach der Umsetzung der Projekte stehen ab 2025 Abschlagszahlungen an, wenn der Mindestdigitalisierungsgrad nicht erreicht wurde. Was halten Sie davon?

Raab: Ich kann diesen Ansatz durchaus verstehen. Die Frage ist, ob Mahnungen sinnvoll sind oder besser diejenigen honoriert werden, die aktiv etwas tun. Grundsätzlich ist es mir ein Rätsel, warum es in Deutschland schwierig zu sein scheint, Fördermittel abzurufen. In der Vergangenheit hat es immer wieder Gesetzgebungsverfahren gegeben, wo Fördermittel bereitstanden und diese konsequent nicht abgerufen wurden. Ein gewisses Druckmittel ist daher vielleicht nicht verkehrt.

Ringelstein: Mir stellt sich die Frage, inwiefern das kontrolliert wird. Wer bemisst das und wie genau wird das gemacht?

Was ist das allgemeine Stimmungsbild dazu in anderen Kliniken?

Raab: Ich weiß von Kliniken, die mehr Investitionen tätigen wollten und denen die Förderung nicht weit genug ging. Ich bin der Auffassung, dass es nur der Anfang sein kann und in einem zweijährigen Turnus ein solcher Topf bereitgestellt werden sollte. Andere Häuser sehen das vermutlich ähnlich – gerade im IT-Bereich, wo die Technologie schnell überholt ist.

Inwiefern hat das KHZG Ihrem Haus geholfen?

Ringelstein: Momentan stehen wir am Anfang unserer Umsetzung, aber so wie es aussieht, hat es durchaus schon geholfen. Es gibt Punkte, die bereits auf der Agenda standen, aber ohne das KHZG hätten wir vermutlich in einigen Bereichen keine solche Verbesserung für uns herbeigeführt.

Wenn Sie einen Wunsch bei der Beantragung gehabt hätten, welcher wäre das?

Raab: Ein detaillierter Leitfaden hätte sehr geholfen. Was wird in welcher Form benötigt und das mit entsprechend zeitlichem Vorlauf. Die Anforderungen erst im Nachhinein zu konkretisieren, war für die Reihenfolge des gesamten Ablaufs eine Katastrophe.

Ringelstein: Man hätte im Optimalfall mit der Vorbereitung ein halbes Jahr mehr Zeit bekommen sollen, um dann vernünftig zu starten. Das wäre auch für die Optimierung der Onlineportale und für das Hochladen der Anträge zuträglich gewesen.

Wie schätzen Sie die Kliniklandschaft ohne weitere Regelungen nach 2025 ein?

Raab: Ich habe zumindest die Hoffnung, dass die Häuser die Projekte auch danach weiterführen. Es wird am Ende aber immer an der Finanzierung hängen. Wenn Geschäftsführer sehen, dass die Mittel nicht da sind, dann wird an den Sparschrauben gedreht und Projekte werden eingestampft. Die Botschaft in Richtung der Politik ist: Es war ein guter Auftakt, aber der Bund sollte das Geld kontinuierlich und zweckgebunden in die Digitalisierung des Gesundheitssystems stecken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Am 28.10.2020 trat in Deutschland das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft, ein Investitionsprogramm, das für eine modernere Ausstattung und digitalisierte Prozesse in den Krankenhäusern sorgen soll. Bund und Länder fördern diesbezüglich bestimmte Modernisierungsmaßnahmen. Jedem Bundesland steht ein Anteil der insgesamt vom Bund zur Verfügung gestellten drei Milliarden Euro zu. Die meisten Bundesländer haben ihre Bedarfsmeldungen für eine Förderung bereits von den Kliniken eingefordert, einzelne Häuser haben ihre Fördermittel bereits erhalten. Bis spätestens Ende 2021 müssen alle Förderanträge von den Ländern an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) weitergegeben werden.

Das Interview führte