Vorwärts ist, wenn alle in die gleiche Richtung rudern

Manchmal ist weniger mehr. Um Führungskräfte darin zu unterstützen, das Wesentliche zu erfassen, im Blick zu halten und tausende von Mitarbeitern mitzuziehen, benötigt die OKR-Methode gerade mal zwei grundlegende Fragen. Dennoch existieren eine Reihe von Missverständnissen, wenn es um die Umsetzung der Methode geht. Detecon-Experte Philipp Schett klärt auf.

Auch in Deutschland kommt man in letzter Zeit kaum daran vorbei: OKRs, die Managementmethode aus dem Silicon Valley. Drei Buchstaben, die für „Objectives and Key Results“ stehen. Das Handelsblatt berichtet darüber, in Berlin, Köln und München schießen OKR-Meet-ups aus dem Boden, und bei Google stieg die Anzahl der Suchanfragen zu diesem Begriff in kurzer Zeit um das Vierfache.

Die Erwartungen sind wie bei jeder neuen Methode groß – schließlich sollen OKRs hinter dem Erfolg von Intel stehen. Auch Twitter und Facebook bedienen sich dieser Methode, Bill Gates führt OKRs zu Bekämpfung verheerender Krankheiten ein und Bono, um Leben in Afrika zu retten. (Quelle: John Doerr, „Measure What Matters. OKRs: The Simple Idea that Drives 10x Growth“, 2017.)

Warum erfreut sich eine Methode, die bereits seit Jahrzehnten angewendet wird, ausgerechnet jetzt so enormer Beliebtheit? Die Antwort ist erschreckend einfach: Weil sie Unternehmen darin unterstützen, das Wesentliche im Blick zu halten. Permanenter Wandel und eine wachsende organisatorische Komplexität mit oft ineffizienten Hierarchien und langsamen Prozessen machen heute die Unterscheidung von Wesentlichem und Nebensächlichem schwer.

Trotzdem müssen Führungskräfte über immer komplexer werdende Zusammenhänge mit lose gekoppelten Teams kommunizieren, die oft regional verteilt und in verschiedenen Zeitzonen unterwegs sind. Eine Methode, die in dieser Situation die stringente Strategieumsetzung unterstützt und alle Mitarbeiter miteinbezieht anstelle Sachverhalte top-down zu diktieren, löst dementsprechend schnell Begeisterung aus.

Wir teilen diese Begeisterung. Wie jedes andere Werkzeug können jedoch auch OKRs kontraproduktiv eingesetzt werden. Bislang gibt es keinen allgemein anerkannten Standard für die Umsetzung. Daher begegnen wir immer wieder einer Reihe von Missverständnissen – und klären diese auf:

1. Mit OKRs kontrollieren Manager ihre Organisation topdown:

OKRs schaffen Transparenz. Das verführt so manchen Manager dazu, sie als „Reporting-Tool“ einzusetzen, um Mitarbeiterleistungen kontrollieren. Der Nutzen von OKRs liegt aber vor allem darin, Kontext zu geben. Deshalb raten wir konsequent zur Umsetzung von OKRs auf Teamebene: Teams arbeiten dann gemeinsam daran, ihre eigenständig gesetzten Ziele zu erreichen. Dies geschieht in Abstimmung mit dem Rest der Organisation, wird aber nicht vom Vorgesetzten diktiert. Im Idealfall schaffen Führungskräfte mit OKRs eine Kultur, die sich am Ergebnis orientiert statt auf Aufgaben konzentriert. Denn: Wenn zwar alle Aufgaben erledigt sind, aber nichts verbessert wurde, stellt sich kein Erfolg ein. Inspirierende und ambitionierte Objectives schaffen dagegen einen Rahmen, in dem sich leistungsstarke Mitarbeiter entfalten können. Durch die Einbindung aller Mitarbeiter in den Strategieumsetzungsprozess schaffen OKRs Traktion für jedes Team und helfen, alle auf die Unternehmensziele auszurichten.

Was sind OKRs eigentlich?

OKRs wurden in den 1980er Jahren von Andy Grove, dem ehemaligen CEO von Intel, eingeführt. Grove hatte zu dieser Zeit ein großes Problem damit, Intels neueste Generation von CPUs auf den Markt zu bringen. Daher leitete er aus dem etablierten „Management by Objectives“-Paradigma von Peter Drucker die OKR-Methodik ab mit dem Ziel, die Transparenz innerhalb des Unternehmens zu fördern, absolute Klarheit zu schaffen und die Mitarbeiter auf das Unternehmensziel, die CPU-Generation zum Marktführer zu machen, auszurichten. Dass Google OKRs erfunden hat, ist also eine gängige Fehleinschätzung – Google hat allerdings stark zur Popularisierung beigetragen.

Andy Grove betonte stets, dass OKRs im Wesentlichen auf diesen zwei Fragen basieren:

 

„[...] Wohin soll ich gehen? Die Antwort liefert das Objective [...]. Wie werde ich mich auf den Weg machen und sehen, ob ich dort ankomme? Die Antwort liefern uns die Key Results.“

 

Objectives sind möglichst inspirierend formulierte Ziele, die klar vorgeben, in welche Richtung es geht. Objectives sind oft etwas langlebiger als Key Results, sie können also auch zwei oder drei Quartale überspringen. Die Key Results dagegen sollten in jedem Quartal überprüft werden – sie messen den Fortschritt gemessen am Objective. Aufgaben, Initiativen und Projekte sind dann wiederum den Key Results nachgelagert – sie führen uns zum Ziel.

Andy Groves Aussagen stammen aus der Zeit der OKRs der ersten Generation, die sich darauf konzentrierten, Flexibilität, Klarheit und Bottom-up-Organisation an strategischen Prioritäten zu orientieren und Leistung messbar zu machen. OKRs, wie sie heute definiert werden, beinhalten noch die Kernmerkmale. Der Schwerpunkt hat sich aber von den „subjektiven Selbsteinschätzungen“ über den Fortschritt hin zu „harten“ Kennzahlen, die von digitalen Plattformen gesammelt werden, verlagert.

2. OKRs sind simpel – Objectives sind qualitativ, Key Results sind quantitativ:

Eine Methodik, die aus zwei Bausteinen besteht, ist keine Raketenwissenschaft. Aus diesem Grund unterschätzen viele Unternehmen den Aufwand und die Transformation, die mit der Einführung einhergeht. Denn auch wenn die Methodik tatsächlich simpel aufgebaut ist, so stößt sie einen Wandel an von einer Kultur, die den Output misst („Das Erstellen einer neuen Verkaufsunterlage“) hin zu einer Kultur, die fachbereichsübergreifend Resultate misst („Anzahl der Verkäufe durch die Verkaufsunterlage“). Ohne Erfahrung ist es außerdem oft gar nicht so einfach, wirklich messbare Key Results zu entwerfen.

Wenn hunderte Teams mit tausenden OKRs koordiniert werden müssen, braucht man für die ersten zwölf Monate ein starkes Team, dass das OKR-Programm koordiniert, die interne Kommunikation steuert, Führungskräfte schult und den Executive Sponsor regelmäßig mit Updates versorgt. Um Teams langfristig zu helfen, ihre OKRs zu setzen, bilden wir bei unseren Kunden interne Coaches aus.

3. OKRs, das macht bei uns HR:

OKRs haben das Ziel, die Strategie eines Unternehmens effektiv und effizient zu kommunizieren und umzusetzen. HR-Abteilungen sind aber in der Regel nicht mit einem ausreichenden Mandat ausgestattet, um in strategischen Fragestellungen des Unternehmens Entscheidungen treffen zu können. HR kann und sollte diesen Prozess unterstützen, beispielsweise durch ihre Erfahrung in der internen Kommunikation. Ideal ist der Aufbau eines cross-funktionalen Teams aus HR, Strategie, IT und Vertretern der Fachseite. Aus unserer Sicht relevant ist darüber hinaus der dauerhafte Support durch einen Executive Champion, damit OKR-Initiativen ihre Durchschlagskraft realisieren können.

4. Alles, was das Unternehmen macht, sollte sich in OKRs wiederfinden:

Der Versuch, mit OKRs auch das Tagesgeschäft steuern zu wollen, ist ein typischer Fehler, den wir häufig bei der Einführung beobachten. Das Vertrauen in die Mitarbeiter, dass sie auch das (operative) Tagegeschäft steuern, muss vorab vorhanden sein. Über OKRs werden nur die strategischen Initiativen des Unternehmens gesteuert.

5. Wenn wir uns hohe Ziele setzen, gefährden wir unseren Bonus:

Einer der wichtigsten Punkte bei der Einführung von OKRs ist, dass diese nicht an einen leistungsabhängigen Bonus gebunden sind. Da Key Results von Natur aus ambitioniert gestaltet sein und auf das bestmögliche Ergebnis abzielen sollten, sind sie nicht geeignet, die jährliche Leistung eines Mitarbeiters zu bewerten.

6. Wir updaten unsere Ziele einmal im Quartal:

Wie bei jedem Plan ist es in der Regel nicht die Erstellung des Plans selbst, die zum Erfolg führt. Teams müssen regelmäßig überprüfen, wo sie auf dem Weg zur Erreichung ihrer OKRs stehen. Nur dann kann die Transparenz von OKRs auch dazu führen, dass Führungskräfte Stolpersteine für Teams schnell erkennen und aus dem Weg räumen können. Die erfolgreichsten Unternehmen updaten ihre OKRs deshalb mindestens einmal wöchentlich und machen sie zum Kernelement ihrer Teammeetings.

OKRs sind ein wichtiges Werkzeug in der Management Toolbox

OKRs betonen also nicht die Kontrolle, sondern Fokus, Klarheit, Transparenz und Ergebnisorientierung, um den Erfolg des Unternehmens voranzutreiben. Keine Managementmethode der Welt wird allerdings eine Organisation jemals verändern, wenn die grundlegenden Dinge für den Erfolg nicht schon vorhanden sind: Vertrauen der Führungskräfte in die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, Bereitschaft und Motivation der Mitarbeiter, sich an der Umsetzung der strategischen Prioritäten zu engagieren. Wir sind deshalb der Meinung, dass OKRs in Ihrer Management Toolbox vorhanden sein sollten!