Ein Interview mit Thomas Wehr, Managing Director der Detecon Asia-Pacific Ltd.

Obwohl offiziell noch bis zum 31. Mai der Ausnahmezustand besteht, hat Thailand Anfang Mai seine Corona-Auflagen etwas gelockert. Restaurants, Märkte, Parks oder Sportvereine sind wieder geöffnet. Flüge innerhalb Thailands sind teilweise wieder möglich. Der König verbringt seine Zeit in einem Luxushotel in Garmisch-Partenkirchen, obwohl er als ausgebildeter Pilot die Flüge in sein Königreich meist selbst fliegt. In Südostasien arbeiten rund 40 Berater und Angestellte für Detecon. Mit der beginnenden Krise Anfang März musste Thomas Wehr, Managing Director der Detecon Asia-Pacific Ltd., zunächst die in verschiedenen Ländern tätigen Berater zurückholen und einen geordneten Weg in das Corona Arbeitszeitalter finden.
Thomas, wie ist es, eines der beliebtesten Reiseziele weltweit nicht verlassen zu dürfen? Es könnte schlimmere Orte für eine Krisenzeit geben?
Thomas Wehr: Von den schönen Stränden hatte man in den letzten zwei Monaten nicht so viel. Reisen innerhalb des Landes waren kaum möglich. Da in Thailand gerade die heißeste Jahreszeit ist, wäre ein Bad im Meer angenehmer als hier in Bangkok (mein Arbeitsort) und Chiang Mai (mein Wohnsitz) festzusitzen. Aber die Thailänder gehen noch vergleichsweise entspannt mit der Situation um. Daher lässt sich das alles gut ertragen. Und es gibt genug Arbeit. Langweilig wird es daher nicht.
Die Beratungsprojekte sind also nicht von der Krise betroffen?
Alle Bestandsprojekte laufen zum Glück weiter. Die Kunden haben signalisiert, dass sie die Projekte zu Ende führen wollen. Wir konnten auch neue Projekte in Singapur und Malaysia gewinnen, sogar ein komplett neuer Kunde hat uns im Rahmen eines Auswahlverfahrens im April den Zuschlag erteilt. Wir haben das Glück, viele Kunden aus dem Telekommunikationsumfeld zu haben. Derzeit beraten wir sie viel bei regulatorisch getriebenen Themen rund um 5G. Bei diesem Thema will kein Land in Rückstand geraten. Weiterhin umfassen unsere Beratungsprojekte Infrastrukturmaßnahmen rund um Telekommunikationsnetze. Auch die müssen weitergehen. Gerade jetzt sind gut ausgebaute Datennetze wichtig für die Wirtschaft und die Privathaushalte. Die Herausforderung wird sein, wie es im 2. Halbjahr weitergeht und wann wir wieder in unsere APAC Länder und damit zum Kunden können.
Ihr rund 40-köpfiges Team ist überall in Südostasiens in Beratungsprojekten tätig. Sitzen die jetzt alle in Bangkok?
Anfang März ging es in Thailand los mit ersten Reiserestriktionen. Das Land hat dann relativ zügig seine internationalen Flughäfen dicht gemacht. Wir haben uns dann kurzerhand dazu entschieden, alle Kolleginnen und Kollegen aus Malaysia, Singapur und Papua-Neuguinea nach Bangkok zurück zu holen. Allein in Papua-Neuguinea waren zehn Leute von uns. Dort ist die medizinische Versorgung nicht so gut. Das war eine gute Entscheidung, da sich das Virus in Thailand bisher doch relativ wenig ausgebreitet hat.
Thailand hatte am 9. Mai mit knapp über 3.000 erstaunlich wenige Infizierte. Obwohl die Ausgangsbeschränkungen nicht einmal so massiv waren.
Die Militärregierung hat am 24. März den Notstand ausgerufen, wodurch sie strengere Regeln durchsetzen konnte. Und da gab es schon einige Maßnahmen, die für die Thailänder sehr schmerzhaft waren. Seit Anfang April gibt es eine nächtliche Ausgangssperre. Dann wurde das thailändische Neujahrfest Mitte April abgesagt. Das sind normalerweise die wichtigsten Feiertage im Lande, an denen die Menschen zu ihren Familien in die Regionen reisen. Das konnten sie aber nicht mehr, da auch das Reisen innerhalb Thailands kaum möglich war. Und die Regierung hat aus Vorsichtsgründen den Verkauf von Alkohol verboten. Immerhin sollen die Feiertage aber später nachgeholt werden.
Wie hart trifft es die Wirtschaft in Thailand?
Es gab schon vorher Tendenzen des Abschwungs und die neue Regierung stand immer wieder massiv unter Handlungsdruck. Der Tourismus zum Beispiel hatte schon in den vorangegangenen Jahren unter dem sehr hohen Thai Baht zu leiden. Thailand ist für Touristen aus dem Euro- und Dollarraum teuer geworden und nur die hohe Anzahl der Touristen aus China hat die Zahlen stabilisiert. Dabei hängt rund ein Fünftel der Wirtschaftsleistung vom Tourismus ab. Es fehlen zudem die Treiber einer starken Binnennachfrage und der Exportmotor stottert, weil die Produktionsketten unterbrochen waren.
Und die Regierung kann, wie in vielen Schwellenländern, vermutlich kaum Hilfe leisten.
Für großartige Hilfsprogramme, Lohnfortzahlung oder Finanzspritzen für Kleinstunternehmen sind die Mittel begrenzt. Trotzdem lässt sich die Regierung Maßnahmen einfallen, die den Menschen helfen. Gerade jetzt in der heißesten Zeit in Thailand müssen die Menschen zuhause bleiben. Auszuhalten ist das nur mit Klimaanlagen, die jetzt rund um die Uhr laufen. Die Regierung hat die Stromversorger verpflichtet, Nachlässe auf die Stromrechnungen zu geben, damit die Haushalte nicht so hoch belastet werden. Oder sie teilt kleine Geldgeschenke für die Ärmsten aus, die nichts mehr verdienen, da der informelle Wirtschaftssektor nahezu komplett ausgefallen ist. Und die Telekommunikationsunternehmen mussten mehr Datenvolumen und Freiminuten für ihre Kunden anbieten, obgleich die Firmen hierfür aus dem Budget des Regulierers kompensiert wurden.
In Thailand gibt es einige sehr reiche Familien. Sie scheinen sich auch um ihr Land und die Menschen zu kümmern?
Für die meisten Wirtschaftsmagnaten ist es selbstverständlich, ihr Land und die Menschen zu unterstützen. Die Unternehmen haben eine enorme soziale Verantwortung zu tragen. Die Charoen Pokphand, kurz CP-Group, zum Beispiel gehört einer der einflussreichsten Familien im Land. Das ist ein Mischkonzern mit Unternehmen der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie, Vertrieb und Handel. CP gehört auch das zweitgrößte Telekommunikationsunternehmen in Thailand. Die CP-Gruppe hat sehr schnell entschieden, keine Mitarbeiter freizusetzen, bietet Arbeitsplatzgarantie bei vollem Lohn. Anderes Beispiel: Eine Stiftung, die zum Duty Free Imperium von King Power gehört, stiftet große Mengen an Geld für die medizinische Behandlung von Coronapatienten
Jetzt, wo die ansonsten in Südostasien verstreuten Detecon-Berater fast alle in Bangkok zusammenkommen. Bedeutet das Work from home für alle?
Es gibt in Thailand keine Tagesausgangssperre und die Bürogebäude wurden nicht geschlossen. Die ökonomischen Auswirkungen wären für das Land katastrophal gewesen. Aber es wurden sehr früh Fiebermessstationen an den Eingängen der Bürogebäude aufgebaut, an denen die Temperatur gemessen wird. Wir haben uns bei Detecon APAC für eine Mischung aus ‚Work from home‘ und ‚Work in office‘ entschieden. Es gibt einen festen Plan, wer wann ins Büro kommt. So arbeiten bei uns nie mehr als zehn Leute gleichzeitig im Office, und wir können die Abstandsregeln ganz einfach einhalten. Bei Meetings tragen alle eine Maske. Und das seitdem es im März mit der Krise losging.
Mehr als zwei Monate Krise sind vorbei. Was wünschen Sie sich für den Rest des Jahres?
Das Wichtigste ist, dass alle gesund bleiben. Für unsere Arbeit hoffen wir, dass wir bald wieder zu unseren Kunden in die Region reisen können und neue Aufträge gewinnen werden. Und ich hoffe, dass Thailand bald wieder seine Grenzen aufmachen kann und die Touristen einreisen dürfen, auch wenn das wieder volle Strände und verstopfte Straßen bedeutet, aber es geht hier rum die Existenz von so vielen Thailändern.