Shared Mobility in Zeiten des Wandels

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Gesellschaft und Wirtschaft sind allgegenwärtig. Auch die (globale) Mobilitätsindustrie bleibt nicht verschont. Unsere Experten aus den Mobilitätshubs in San Francisco, Berlin, Köln, München und Stuttgart teilen ihre Einblicke zu Shared Mobility während und nach Corona – sowie Ansichten zum Way Forward.

Um im Mobilitätsmarkt erfolgreich zu sein, müssen die Bedürfnisse der Kunden stets im Mittelpunkt stehen. Zu diesen Bedürfnissen zählen unter anderem Flexibilität, möglichst geringe Kosten, eine kurze Reisedauer – und in Zeiten von Corona nun auch zunehmend: Sicherheit vor der Ansteckung mit dem Virus. Shared Mobility Angebote adressieren größtenteils diese Bedürfnisse und zielen auf Kundengruppen wie junge Erwachsene, Touristen und Dienstreisende ab. Shared Mobility war bereits vor der aktuellen Krise ein schwieriges Marktumfeld aufgrund der geringen Marktreife, des hohen Wettbewerbsdrucks und der teilweise unscharfen Positionierung der Player. Durch Corona und das neue Bedürfnis nach Sicherheit haben sich die Bedingungen weiter verschärft.

Shared Mobility steht vor großen Herausforderungen

Im Zuge der ersten Welle der Corona-Pandemie haben Maßnahmen zum Infektionsschutz das Reiseaufkommen drastisch verringert. Bestehende Ressourcen der Shared Mobility-Anbieter wurden dadurch nur geringfügig ausgelastet, was in einigen Branchen zu Umsatzeinbrüchen von bis zu 80 % geführt hat. Auch betroffen: der ÖPNV. Einige Mobilitätsplayer reagierten durch kurzfristig sowie langfristig ausgerichtete Maßnahmen gezielt auf die neue Situation. Ein zentrales Hemmnis, Shared Mobility Dienste auch während Corona zu nutzen, ist die Befürchtung von Kunden, sich aufgrund fehlender Hygienemaßnahmen der Anbieter, mit Corona anzustecken. Transportmittel mit geschlossenen Räumen, wie z.B. Autos oder Züge, sind dabei stärker betroffen als “offene” Transportmittel, wie beispielsweise Fahrräder oder E-Scooter.

Antworten auf den disruptiven Wandel durch Corona

Kurzfristig ist es für Shared Mobility-Anbieter darum elementar, auf das Sicherheits-Bedürfnis der Kunden zu reagieren. Dafür muss die gesamte Customer Journey inklusive der Touchpoints zum Kunden anhand dieses Bedürfnisses angepasst werden. Neben der staatlich verordneten Maskenpflicht kann hier ein stärkeres Augenmerk auf die Reinigung/Desinfizierung von Transportmitteln, sowie die Implementierung von neuen digitalen Ansätzen gelegt werden. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz KI-gestützter Bilderkennung zur Kontrolle der Einhaltung der Maskenpflicht im Falle des Ride Hailing-Anbieters Uber. Durch gute Kommunikation bzw. Marketing sollten solche Sicherheitsmaßnahmen dem Kunden kommuniziert werden, um die Nachfrage anzuregen. Kurz- bis mittelfristig setzen Anbieter teils auch verstärkt auf den Aufbau von Loyalitätsprogrammen, z.B. mittels Preissenkungen (siehe WeShare: kostenfreie Zwischenstopps) oder spezieller (Abo-)Angebote, um die Attraktivität ihrer Dienste zu steigern.

Einige Anbieter haben als Reaktion auf die Pandemie auch direkt am Geschäftsmodell gefeilt. So wurden vereinzelt gezielt andere Zielgruppen angesprochen. Lyft z.B. pflegt zahlreiche Partnerschaften mit Organisationen aus dem Gesundheitswesen und befördert mit seinem Mobilitätsdienst Patienten zu Terminen oder Personal zu Ihrem Arbeitsplatz. Generell ist die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln für Shared Mobility-Anbieter eine wichtige Voraussetzung, um Kunden mittelfristig bedienen zu können und Loyalität aufzubauen. Die Deutsche Bahn bietet beispielsweise trotz Umsatzeinbußen ein gleichbleibendes Angebot basierend auf der Nachfrage an und profitiert somit durch eine Image-Bekräftigung als sicherer Fortbewegungsdienst trotz der Corona-Krise. Weitere Player fokussieren ihr Geschäft stärker auf den Gütertransport anstelle des Personentransports. Das Sicherheitsbedürfnis von Kunden spielt beim Gütertransport eine weniger starke Rolle und ist bei bereits vorhandenen Fahrzeugen und bestehender Infrastruktur ein interessantes Geschäftsfeld. Insbesondere Food-Delivery Services (bspw. Uber Eats) stellen in Zeiten von Corona eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle zum Personentransport dar. Auch neue Sharing Modelle (siehe z.B. das Elektroauto-Startup Canoo) mit längerfristiger, jedoch trotzdem flexibler Vermietung von Fahrzeugen, sodass dem Nutzer ein dediziertes E-Fahrzeug für die Dauer des Abonnements zur Verfügung gestellt wird, können Sicherheitsbedenken von Kunden vorbeugen.

Langfristige Entwicklung nach Corona

Zukünftig im Vorteil ist, wer kurzfristig möglichst viele Kunden trotz vorübergehendem Geschäftseinbruch und langfristigen Marktänderungen hält und dafür auch keine durchdachten Investitionen scheut, um insbesondere das Sicherheitsbedürfnis des Kunden zu erfüllen. Die Krise hat das Potenzial, auch langfristig das Mobilitätsverhalten und damit die gesamte Branche zu beeinflussen. Weniger Dienstreisen, mehr Home-Office und andere Tourismuspräferenzen sind nur ein paar Beispiele für den Wandel. Shared Mobility-Anbieter werden den Markt gut beobachten müssen, um ein zukunftsfähiges und auf die Kundenbedürfnisse abgestimmtes Angebot zu schaffen. Bereits vor Corona haben sich horizontale Konsolidierungen zwischen ehemaligen Konkurrenten abgezeichnet, um die Verfügbarkeit von Diensten (z.B. durch eine höhere Anzahl an Car Sharing Fahrzeugen) zu verbessern, so beispielsweise der Zusammenschluss von Car2Go und DriveNow zu ShareNow. Die Fortsetzung dieses Trends wird auch zukünftig erwartet, nunmehr verstärkt durch die Konsolidierung mehrerer Transportmittel in Mobilitätsplattformen, sowie durch Partnerschaften mit anderen Branchen (z.B. Medien, Gastronomie, etc.). So kann Kunden eine vollumfängliche und attraktive Schnittstelle für Mobilität geboten werden. Die Sammlung von Erfahrungen im Gütertransport, insbesondere auch durch moderne autonome Delivery-Systeme (z.B. Nuro.AI oder Kiwibot), kann langfristig für einige Anbieter als weiteres Standbein dienen.

Die Zukunft der Shared Mobility

Aufgrund der Corona-Pandemie wird Shared Mobility auch weiterhin grundlegenden Veränderungen unterliegen, beispielsweise in Form von Änderungen in der täglichen Fortbewegung, insbesondere auf dem Weg zur Arbeit oder aber auch während Dienstreisen. Die zunehmende Bedeutung von Home-Office wird hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Trotz des geringeren Verkehrsaufkommens durch Berufspendler, wird der Markt für Transportgeschäfte demgegenüber deutlich wachsen. Zudem fördert die Diskussion um Social Distancing die Entwicklung von autonomen Verkehrskonzepten, die den direkten Kontakt zwischen den Menschen minimieren. Die Geschäftsmodelle für Sharing-Dienste werden folglich nicht mehr nur auf einen Nutzermarkt ausgerichtet werden können, sondern sich neben neuen flexiblen Preisgestaltungen und technologischen Errungenschaften auch vertikalen Strategien widmen müssen.