Interview mit Birgit Bohle von der Telekom

Was trebit die Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der Deutschen Telekom um? Im Interview mit Detecon spricht sie über Unternehmenskultur, Agilität und New Skilling. Aber auch über Werkstolz, Komfortzonen und Schnürsenkel.

Detecon: Frau Bohle, Sie sind seit acht Monaten Mitglied des Telekom-Vorstands. Was waren Ihre Highlights?

Birgit Bohle: Ein großes Highlight war für mich mein Start. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, egal wo. Die Willkommenskultur bei der Telekom hat es mir leichtgemacht anzukommen. Schon im August, als die Entscheidung für den Posten gerade erst amtlich war, habe ich einen handgeschriebenen Brief und magentafarbene Schnürsenkel nach Hause geschickt bekommen von einem Kollegen, den ich noch gar nicht kannte. Und auch heute spüre ich das Magenta-Herzblut in so vielen Netzwerken und Initiativen. Das ist sehr wertvoll für die Arbeit eines Personalers und für das ganze Unternehmen.

Das klingt nach dem berühmten Telekom #Werkstolz.

Absolut. Ich glaube daran, dass Kultur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Marken- und Wertebotschafter transportiert wird – nach außen wie nach innen. Wir sind da auf einem guten Weg, aber ich glaube auch, dass noch viel Potenzial in uns schlummert.

Im Rahmen eines Events für Telekom- Führungskräfte sagten Sie, das Thema Customer First sei entscheidend für den Unternehmenserfolg. Aber was ist mit Employee First? Geht beides zusammen?

Der Sinn unserer Tätigkeit als Unternehmen ist es, unseren Kunden ein tolles Produkt, eine hervorragende Leistung, einen exzellenten Service zu bieten. Darauf müssen wir uns fokussieren. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Unterschied machen. Egal ob im Service-Center, im Shop oder bei unseren Technikern. Das sind die Menschen, die im direkten Kontakt zu unseren Kunden stehen. Und wenn diese ihren Job motiviert und engagiert machen, spiegelt sich das direkt im Unternehmensergebnis wider. Voraussetzung für zufriedene Kunden sind neben tollen Produkten und Technologien immer auch zufriedene und engagierte Mitarbeiter. Aber im Zentrum steht der Kunde.

Viele Unternehmen setzen bei Sparprogrammen eher im Kundenservice an, also dort, wo eigentlich das Geld verdient wird. Brauchen wir da nicht ein Umdenken und vielleicht sogar ein Umdrehen der Pyramide?

Ich glaube, dass wir viel zu aufwändige Prozesse haben. Das hat aktuell auch unsere Living Culture-Befragung gezeigt. Die Zeit, die wir mit internen Prozessen verbringen, sollten wir besser in die Menschen da draußen investieren, die sich mit dem Kunden beschäftigen. Zum Beispiel ist es wichtig, mehr Verantwortung dorthin zu verlagern, wo der direkte Kundenkontakt stattfindet. Denn die Mitarbeiter dort wissen am besten, wie ihre Kunden ticken. T-Mobile US hat uns vorgemacht, dass es sich im Kundenservice auszahlt, die Verantwortlichkeit für ein Einzugsgebiet in die Teams vor Ort zu geben. Dieses Modell werden wir auch in Deutschland übernehmen.

Was ist der Beitrag von HR, und somit auch von Birgit Bohle, zu diesem Wandel?

Zunächst einmal haben wir den Bürokratiemonstern den Kampf angesagt, um unsere Prozesse zu vereinfachen. Dazu müssen wir konsequent auch an der Digitalisierung und Automatisierung im Personalbereich arbeiten. Ein kleines Beispiel ist unsere Reisekosten-App, mit der Mitarbeiter wesentlich schneller ihre Abrechnung erledigen können. Denn wenn wir weniger Zeit mit administrativen Prozessen verbringen, haben wir mehr Zeit für unsere Kunden. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Investition in Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Die Fachausbildung ist Aufgabe der Geschäftsbereiche, unsere Aufgabe als Personaler ist die Bereitstellung von innovativen Plattformen und Tools.

Bei diesem Wandel rückt das Thema Lernen immer stärker in den Fokus. Dabei spielen Lernbereitschaft, -fähigkeit und –umfeld eine Rolle. Was wollen Sie Ihren Mitarbeitern dahingehend bieten?

Ich sehe diese drei Facetten und ich sage immer: Der Mitarbeiter ist der eigene CEO seiner Entwicklung. Das ist eine Frage der Haltung. Ich investiere als Mitarbeiter nicht nur in meine Zukunft bei der Telekom, sondern auch in meine persönliche Entwicklung, möglicherweise auch außerhalb der Telekom. Die Bereitschaft zu lernen hat oft aber auch etwas mit der Fähigkeit zu lernen zu tun. Wir müssen unseren Mitarbeitern Angebote machen, die ihnen dabei helfen, ihre Komfortzone zu verlassen und Barrieren abzubauen. Und das kann auch mal ein steiniger Weg sein. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Zeit, als ich das Kraulen lernte. Da habe ich am Anfang unglaublich viel Wasser geschluckt. Aber es lohnt sich, sich durch diese schwierige Anfangsphase durchzubeißen. Und nicht von vornherein zu sagen: ich kann nicht kraulen oder ich bin kein Data Scientist, sondern sich auf die Learning Journey einzulassen. Da gilt der Satz: “We are a bunch of know-it-all but we need to be a bunch of learn-it-all.”

…gerade in Zeiten, wo die Halbwertszeit von Wissen bei etwa drei Jahren liegt.

Richtig. Deshalb ist lebenslanges Lernen ja so wichtig.

Wie wollen Sie die Fähigkeit zu lernen fördern?

Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Freude am Lernen haben. Dafür schaffen wir Anreize mit neuen, innovativen Formaten, die Spaß machen. Es braucht nicht immer die Schulung im Tagungshotel. Viel wichtiger sind flexible Lernformate und –zeiten. Dabei helfen uns digitale Trainingsangebote als ergänzende Elemente.

Darüber hinaus ist Skill Management ein essenzieller Bestandteil unserer strategischen Personalplanung. Wir benötigen neue Fähigkeiten, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern, und die gilt es aufzubauen. Das heißt, den Menschen, die jetzt in Jobs sind, die an Bedeutung verlieren oder in Zukunft nicht mehr gebraucht werden, eine Möglichkeit zu bieten, sich in ihrem Job fortzubilden oder sich für eine ganz neue Aufgabe zu qualifizieren. Wir haben zum Beispiel gerade analysiert, dass wir 500 Kolleginnen und Kollegen aus der IT zum Software Engineer ausbilden müssen. Dazu haben wir eine Software Academy gegründet, die digitales Lernen mit klassischen Präsenztrainings kombiniert. Beim Launch unserer neuen Lernplattform youlearn in Österreich wurde am ersten Tag so viel gelernt wie im ganzen letzten Jahr nicht. Wir müssen Customer Centricity eben auch in Richtung Mitarbeiter leben und einfache, integrierte Lernmodelle anbieten. Die vielen unterschiedlichen Lernportale, über die wir heute verfügen, sind echte ‚Liebestöter‘. Bis man sich da zurechtfindet, hat man keine Lust mehr zu lernen.

Was ist in puncto Lernen Ihre Erwartung an Führungskräfte?

Ich erwarte, dass Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern als Coach auftreten. Ein Coach hört zu, motiviert, sucht das persönliche Gespräch, begleitet und nimmt sich Zeit, gemeinsam mit dem Mitarbeiter seine Interessen und Fähigkeiten - und damit auch Lernpotenziale - zu identifizieren. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern auch Zeit einräumen, sich zu entwickeln. Coach zu sein bedeutet für mich aber auch, regelmäßig Feedback zu geben, nicht nur im Jahresendgespräch, sondern vor allem situativ und spezifisch. So wird Lernen zu einer täglichen Erfahrung.

Die Telekom hat ihre Führungskräfte im Jahr 2019 auf das Motto ‚Leading Agile‘ eingestimmt. Was bedeutet Agilität für Sie?

Agilität umfasst nicht nur ein Set an neuen Tools und Methoden. Es ist vor allem auch ein Mindset und damit ein wesentlicher Treiber zur Veränderung der Unternehmenskultur. Agilität gewinnt deshalb so stark an Bedeutung, weil der Kunde ins Zentrum gestellt wird und der Mitarbeiter die Ende-zu-Ende-Verantwortung für ein Produkt trägt. Bei der Telekom setzen wir Scrum Master und Agile Coaches in allen Konzerneinheiten ein und bilden regelmäßig neue aus.

Wenn Sie drei Jahre in die Zukunft denken, woran möchten Sie Ihren Erfolg gemessen wissen?

An vier Themen: Erstens am New Skilling, also dem erfolgreichen Aufbau von zukunftsfähigen Kompetenzen bei unseren Mitarbeitern. Zweitens am Erreichen unserer Ziele bei der Rekrutierung von Experten und Talenten. Drittens an der Transformation zu einem agilen Unternehmen. Und natürlich daran, dass weiterhin Magenta-Blut unsere Herzen zum Schlagen bringt.

Vielen herzlichen Dank für dieses offene Gespräch und weiterhin viel Erfolg für Sie in der Magenta-Welt.

Zur Person

Birgit Bohle war von 2007 bis Ende 2018 in verschiedenen Management-Positionen bei der Deutschen Bahn AG tätig. Von August 2015 bis Oktober 2018 war sie Vorsitzende des Vorstands der DB Fernverkehr AG. In dieser Zeit hat das Unternehmen mehr als 15 Mio. neue Fahrgäste gewonnen und das Ergebnis deutlich gesteigert. In den Jahren 2010 bis 2015 war sie Geschäftsführerin bei der DB Vertrieb GmbH. Unter ihrer Führung wurde der Ticket-Verkauf via Internet und Mobile massiv ausgebaut, der DB-Navigator entwickelte sich zu einer der am meisten heruntergeladenen Apps in Deutschland.

Das Interview führte