Home Office. Jetzt!

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte es am Anfang ihrer Corona-Pressekonferenz am 11. März. Statt zu einer Konferenz des Europäischen Rates alle EU-Regierungschefs vor Ort in Brüssel zu versammeln, gab es die „erste Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs. Man sieht, die Digitalisierung und die neuen Formen der Kommunikation ziehen überall ein“, sagte die Bundeskanzlerin gleich zu Anfang der Pressekonferenz.

Flexibles Arbeiten technisch längst reif

Mit dem situationsbedingten Umstieg auf digitale Kommunikation steht die Politik in diesen Krisenzeiten nicht allein da. Trotz aller Digitalisierungsbestrebungen der vergangenen Jahre gehört ortsunabhängiges und flexibles Arbeiten auch in der Wirtschaft noch längst nicht zum Standard. Nach wie vor scheuen sich viele Unternehmen, die Arbeit ihrer Beschäftigten zu flexibilisieren. Obwohl die Technik längst reif ist für das Arbeiten und Entscheiden von überall. Cloud Computing, schnelle Internetanschlüsse, schneller Mobilfunk, günstige Rechner und Software, die das Arbeiten aus der Ferne unterstützt, sind längst vorhanden. Selbst geschäftskritische ERP-Software wie SAP gibt es aus der Cloud. Allein Microsoft mit Office 365 oder Teams deckt so viele Features ab, die das Arbeiten aus dem Homeoffice oder mobil unterwegs ganz einfach machen. Telefon- und Videokonferenzen mit wenigen Klicks aufgebaut. Zugriff und gemeinsames Bearbeiten von Dokumenten schon seit Jahren kein Hexenwerk mehr.

Fehlt es an Vertrauen?

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Es ist klar, dass Covid-19 enorme Herausforderungen für Unternehmen mit sich bringt: Gegen Produktionsausfälle bei Zulieferern lässt sich kurzfristig nichts tun. Wenn Messen, Fußballspiele oder Konzerte abgesagt werden, wenn Restaurants schließen müssen: Dann hilft auch kein Homeoffice. New-Work-Konzepte eignen sich kaum für produktionsnahe Jobs in der verarbeitenden Industrie, im Baugewerbe, Handel oder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Aber was ist mit all den Mitarbeitern, die für ihre Arbeit eigentlich nichts weiter brauchen als einen Rechner, Zugriff auf IT-Systeme und Daten. Außer fehlendem Vertrauen und Sicherheitsfragen spricht wenig dagegen, die Flexibilität der Arbeit durch Homeoffice und mobiles Arbeiten zu erhöhen – sofern die Mitarbeiter das wollen. Denn Zwangsarbeit im Homeoffice führt auf Dauer auch zu nichts.

Trotzdem ist flexibles Arbeiten auch in produktionsunabhängigen Wirtschaftszweigen noch längst nicht der Standard. So lag der Anteil der regelmäßigen Homeworker bei den Angestellten in Deutschland laut Statista 2018 lediglich bei 16 Prozent. Und laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2019, sagten 22 Prozent der befragten Frauen, sie dürften nicht zu Hause arbeiten. Und rund 70 Prozent aller Befragten waren der Meinung, ihren Chefs sei die Anwesenheit im Unternehmen wichtig.

Der Mensch im Mittelpunkt

Kann das sein? Warum scheuen sich so viele Unternehmen, New-Work-Konzepte einzuführen und auf die neue Lebensrealität ihrer Mitarbeiter einzugehen? Fehlt es an Vertrauen? Gibt es Sicherheitsbedenken? Oder wissen noch immer zu wenige, dass Technik kein limitierender Faktor mehr für neue Arbeitsplatzkonzepte ist. In unseren New-Work-Beratungsprojekten stoßen wir anfänglich häufig auf Skepsis. Für Viele beschreibt New Work einen epochalen Umbruch, der die Arbeitswelt von Grund auf verändert, denn es stellt die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Und es geht um die Symbiose von Leben und Arbeiten. New Work soll Freiräume für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bieten und trägt somit etwas wirklich Wesentliches und Wichtiges zum Arbeitsmarkt bei. Denn sie ermöglicht echte "Handlungsfreiheit“.

Jede Krise birgt Chancen. Und vielleicht verändert Covid-19 unsere Arbeitswelt schneller als vor Monaten gedacht. Als New-Work-Experten begleiten wir seit Jahren Unternehmen auf ihrem Weg zu einer neuen Arbeitsweise. Bei diesen Unternehmen beobachten wir jetzt, dass sie sich im Umgang mit der Krise leichter tun und teilweise Business as usual machen. Denn sie müssen jetzt nicht hektisch und unvorbereitet Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, obwohl sie nicht darauf vorbereitet sind. Für sie ist das längst Alltag. Und schlechte Erfahrungen machen damit die wenigsten.

Win-win-win-Effekt

New-Work-Konzepte punkten durch Win-win-win-Effekte: Mitarbeiter sind zufriedener und leistungswilliger, wodurch Unternehmen effizienter wirtschaften können. Und das zeitlich flexible, ortsungebundene Arbeiten wirkt sich positiv auf das Privatleben der arbeitenden Menschen aus. Wie genau verändert sich Arbeit im Vergleich zu jener, die sich im Zuge der industriellen Revolution etabliert hat.

Dezentrales Arbeiten

Räumliche Nähe ist nicht mehr erforderlich, um gemeinsam produktiv zu sein. Teammitglieder sind auf viele Standorte verteilt, wozu auch das Homeoffice gehört.

Flexible Bürolandschaften

Brauchen Unternehmen noch teure Bürogebäude mit einem eigenen Schreibtisch für jeden Mitarbeiter? Ja und nein. Wir brauchen definitiv Anlaufstellen für Sozialkontakte. Doch New Workspaces bestehen aus flexiblen Bürolandschaften für jeden Arbeitskontext: Telefonboxen für Einzelgespräche, Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten oder offene Bereiche für den gemeinsamen Austausch.

Mittendrin statt nur dabei

New Work ist geprägt von Selbstständigkeit und Eigeninitiative und damit mehr Verantwortung für den einzelnen Mitarbeiter. Es gibt mehr Freiräume und eigene Ideen fließen unabhängig von Hierarchien in die Arbeit ein. Es gibt also weniger Vorgaben, wie eine Arbeit zu erledigen ist. Stattdessen sorgt eine transparente Kommunikationsstruktur für einen offenen Austausch. Und Ziele und Termine werden gemeinsam im Team definiert. Wie und wann das Ergebnis dann erreicht wird, bleibt dem Einzelnen oder dem Team überlassen. A propos Team: Die Praxis zeigt, dass der Teamspirit selbst dort größer wird, wo die einzelnen Teammitglieder in verschiedenen Büros oder im Homeoffice arbeiten.

Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen, führen Kritiker als Gegenargument an. Dies muss aber nicht negativ sein, wenn die Mitarbeiter tatsächlich flexibel arbeiten dürfen. Berufstätige Eltern können die Arbeitsweise leichter an die Doppelbelastung anpassen. Dann haben mittags die Kinder Vorrang und abends wird gearbeitet. Übrigens empfinden Menschen, die erst im Laufe des Tages auf Betriebstemperatur kommen, dies auch als großen Gewinn.

Höhere Arbeitseffizienz

Aber Hand aufs Herz. Selbst wir, die wir seit Jahren nach den genannten New Work Prinzipien, also weitgehend flexibel und ortsungebunden arbeiten, testen das Modell jetzt erstmals in seiner ganzen Konsequenz. Wir haben uns angesichts des Auftretens von Covid-19 dafür entschieden, vorerst ganz auf persönliche interne Meetings zu verzichten und auch die Kommunikation mit unseren Kunden weitgehend auf virtuell umzustellen. Und siehe da: Es funktioniert. Die Arbeitseffizienz leidet nicht, Kunden erkennen die Vorteile. Es bleibt mehr Zeit für Deep Work. Das bestätigen auch die Mitarbeiter bei Detecon, die seit Jahren Homeoffice-Erfahrungen machen. Sie bestätigen, dass sie zuhause deutlich effizienter arbeiten könnten und eine Menge Zeit sparen für An- und Abreise zum Büro, sonstige Reisezeiten zu Kundenterminen, weniger Ablenkung und mehr Konzentration sowie ein Arbeitsumfeld, dass motivierend ist.

Diese positive Einschätzung kann sich aber dann ändern, wenn die akzeptierte „Zwangsphase“ zu einer Dauereinrichtung wird. Die allermeisten Menschen wollen Sozialkontakte und nicht einsam am heimischen Schreibtisch sozial verkümmern. Das kurze Gespräch auf dem Flur, der gemeinsame Kaffee oder das Mittagessen in der Kantine vermissen fast alle Homeworker auf Dauer. Daher müssen Unternehmen – auch wenn sie Arbeitsorte und Arbeitszeiten verstärkt flexibilisieren – den Sozialkontakt zwischen ihren Mitarbeitern aufrechterhalten. Etwa durch wöchentlich stattfindende, feste Präsenztage mit kürzeren Meetings für den Gruppen- und Teamaustausch. Was allerdings erst nach Beendigung der Corona-Virus-Zwangsphase funktionieren wird.

Auch die Bundeskanzlerin wird nach dem Ende der Krise sicher nicht auf ihre persönlichen Treffen mit den anderen Regierungschefs verzichten wollen. Manches lässt sich unter vier Augen und bei einem guten Essen schneller regeln als in Video- oder Massenkonferenzen. Aber fest steht: Der virtuelle Austausch wird einen festeren Platz in unserem Arbeitsalltag bekommen als bisher.

 

Vielen Dank für die Mitarbeit an diesem Artikel an Marc Wagner und Jan Pfeifer.

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