Covid: Gekommen um zu bleiben

Covid-19 hat die Arbeitswelt ordentlich aufgewirbelt. Was vielen deutschen Unternehmen eben noch als riskant oder zu silicon-valley-like erschien, musste von einem Tag auf den anderen umgesetzt werden. Der positive Effekt: Viele neue Arbeitsformen und -instrumente, die New Work-Experten schon seit Jahren propagieren, wurden im Praxistest für gut befunden und haben nun das Potenzial, die Arbeitswelt nachhaltig zu verbessern. So hat die Notwendigkeit, auf die Pandemie zu reagieren, die Transformation der Arbeitswelten von Unternehmen merklich beschleunigt. Auch wenn weiterhin Unsicherheit darüber besteht, ob die Krise in Deutschland schon überwunden ist oder ob mit einer nochmaligen Verschärfung der Situation zu rechnen ist, haben Unternehmen und Entscheidungsträger*innen in den letzten Monaten viel gelernt. Mit der langsam wiedereinsetzenden Normalisierung in den Unternehmen stehen Entscheider*innen jetzt vor der Herausforderung, die Learnings aus der Zeit des Lockdowns mit den Stärken ihrer bestehenden Arbeitskultur zu verbinden. Ziel ist es, den Übergang in eine veränderte Arbeitswelt zu gestalten und Strukturen zu etablieren, die im Sinne der Mitarbeiter*innen und der Unternehmensziele gleichermaßen wirken. Auf diese Weise können Unternehmen sich auch für eine mögliche zweite Welle rüsten. 

Die Instrumente, die in den letzten Monaten dazu beigetragen haben, eine neue, viel diskutierte Arbeitswelt zu schaffen, sind so neu nicht. Die technologischen Voraussetzungen waren vor dem Lockdown längst vorhanden, die deutsche Wirtschaft war dank der guten Infrastruktur im Land und der Rücklagen aus dem andauernden Hoch der letzten Jahre in einer vergleichsweise komfortablen Ausgangssituation. Auch seitens der Mitarbeiter*innen wurde vielerorts schon lange mehr Flexibilität und Selbstbestimmtheit gefordert. Was bislang aber fehlte, war oft der Wille der Entscheider*innen, neue Wege einzuschlagen und Experimente zu wagen. Die Notwendigkeit der Veränderung, die die Krise hervorgerufen hat, hat in vielen Unternehmen den Stein ins Rollen gebracht. Kritisch beäugte und belächelte Ideen werden heute als valide Optionen diskutiert, diese neue Offenheit kann den längst überfälligen New Work-Prozess jetzt in Gang zu bringen. Entscheider*innen verstehen, dass ein “back to office business as usual” nicht funktioniert. Sie entwerfen Modelle, die alt und neu verbinden, nämlich hybride Arbeitsmodelle, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Norm der Zukunft werden.

Eine neue Arbeitskultur gelingt, wenn sie als solche verstanden und gelebt wird. Sie muss auf klaren Regularien und Richtlinien basieren und unter Einbezug sozialer Komponenten fest in den organisationalen Strukturen der Unternehmen verankert werden. Für eine erfolgreiche hybride Arbeitskultur müssen drei Faktoren gegeben sein:

  • eine dezentrale, auf Agilität ausgerichtete Organisation
  • eine geeignete räumliche Arbeitsumgebung
  • digitale Plattformen und IT-Infrastrukturen

Veränderte Arbeitswelt bedeutet verändertes Führungsverständnis

Um grundlegende Arbeitsprozesse und -strukturen zu modifizieren, bedarf es zunächst einer tiefgehenden Analyse des eigenen Führungsstils der Entscheider*innen. Nicht jede gute ‚physische‘ Führungskraft ist zugleich eine gute ‚hybride‘ Führungskraft. Es muss ein Shift von Kontrolle zu Vertrauen stattfinden. Denn agiles Arbeiten scheitert oftmals daran, dass Führungskräfte nicht wissen, was Agilität grundlegend bedeutet. Viele setzen agiles Arbeiten gleich mit dem Verlust von Autorität und fürchten, dass Mitarbeiter*innen machen, was sie wollen. Erst wenn sie die Definition von agilem Arbeiten verstanden und auf ihre Arbeitsweise übertragen haben, ist es möglich, sie an die eigene Belegschaft weiterzutragen. Entscheider*innen müssen ihren Führungsstil neu definieren und Prioritäten herausfiltern. Damit kann ein Rahmen für die Mitarbeiter*innen geschaffen werden, der einerseits Flexibilität und Freiraum ermöglicht und zugleich klare Regeln und Ziele festlegt. 

Mehr Produktivität im Home Office?

Gerade in einer hybriden Arbeitswelt muss ein solcher Rahmen viel stärker sein als in der Präsenzkultur. Führungsstile können und müssen sich je nach Unternehmensbereich unterscheiden, grundlegend sollten diese aber parallel auf die übergreifende Unternehmenskultur ausgerichtet sein. Bei der Ausgestaltung dieses Rahmens dürfen neben effizienzgetriebenen Themen vor allem soziale Komponenten nicht fehlen. Denn ein hybrides Modell kann die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen steigern: Eine aktuelle Umfrage des Fraunhofer Instituts zeigt, dass 40 Prozent der Befragten im Home Office produktiver sind. Kombiniert mit Präsenzzeiten, in denen das Zugehörigkeitsgefühl gestärkt wird, erfahren die Menschen so mehr Befriedigung im Arbeitsalltag.

Mit dem hybriden Modell geht der Wunsch nach Integration von Leben und Arbeiten einher. Nicht mehr Work-Life-Balance, sondern Flexibilität und damit Selbstbestimmtheit in allen Lebensbereichen. Das beginnt bei den Arbeitszeiten und setzt sich fort bis zur Gestaltung der eigenen Arbeitsinhalte. Das Management ist in hybriden Modellen auf andere Weise gefordert als bisher: Auch Lernen und aktive Mitarbeiterförderung sind für die Zukunft besonders gefragt. Die Krise hat gezeigt, dass unsere Arbeitswelt jederzeit unvorhersehbare Erschütterungen erfahren kann. Mitarbeiter*innen mit einem agilen Mindset meistern Krisen leichter und können auf diese Weise den Erfolg des Unternehmens langfristig stärken.

Vom klassischen Büro zum Marktplatz

Auch die Nutzung von Büroflächen wird künftig eine andere sein. Klassische Büros, wie wir sie alle kennen, werden in dem Umfang nicht weiter Bestand haben. In den kommenden Jahren wird es ein Überangebot an Gewerbeflächen geben, Experten prognostizieren gar einen Rückgang von 30 Prozent. Klassische Einzel- und Großraumbüros werden sich zu Marktplätzen entwickeln. Durch die Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort können Gewerbeflächen situativ genutzt werden. Solche Marktplätze ermöglichen es beispielsweise, Workshops durchzuführen, Kunden zu empfangen oder im Team zu arbeiten. Der Fokus sollte darauf liegen, den Arbeitsraum so umzugestalten, dass kollaboratives Arbeiten weiter gefördert wird - beispielsweise durch Funktionszonen sowie Formate zur Vernetzung. Sofern die gesetzlichen Gegebenheiten es erlauben, müssen Unternehmen demnach nicht mehr für alle Mitarbeiter*innen Einzelarbeitsplätze bereitstellen. Vielmehr genügt dann eine gewisse Anzahl, die via Booking-App reserviert werden können. Die produktive Einzelarbeit wird stattdessen schwerpunktmäßig remote stattfinden. Weitere freigewordene Büroflächen können für kleine Home Zones genutzt werden, die sich einzelne Teams selbst und frei nach ihren Bedürfnissen gestalten können

Zudem ist es sinnvoll zu analysieren, wie man Einsparungen, beispielsweise durch eine geringere Anzahl an Geschäftsreise,n für smarte Konzepte, wie Business Gardening, die Begrünung von Dachgärten sowie weitere nachhaltige Strategien nutzen kann. Auch diese Konzepte sind nicht neu. Nun ist die Zeit, diese auch mit mehr Ernsthaftigkeit zu betrachten. 

Jetzt ist agiles Handeln gefragt!

Die Covid-19 Krise ist ein Katalysator für die Beschleunigung von längst überfälligen Veränderungen in der digitalisierten Arbeitswelt. Das Ambitionsniveau hat sich deutlich erhöht. Es gilt, die aktuell erzwungene Veränderung als Chance wahrzunehmen, um nun Regularien und Richtlinien für eine neue Arbeitswelt auf den Weg zu bringen. Diese müssen von den Entscheider*innen im Unternehmen getragen und auf die Belegschaft übertragen werden. Hierbei bedarf es keiner langjährigen ausgetüftelten Transformationskonzepte, die bei Einführung bereits wieder überholt sind. Jetzt ist agiles Handeln gefragt. New Work-Strategien müssen jetzt auf maximal sechs Monate ausgelegt sein und von Beginn an in kleinen Teams und verschiedenen Arbeitsbereichen pilotiert werden. Die Zukunft hat längst begonnen, jetzt ist die Zeit auch hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

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