Business Transformation ist People Transformation

HR muss einfacher, mutiger und schneller werden. Und HR-Funktionen müssen künftig viel mehr in systemischen und ganzheitlichen Zusammenhängen denken. Das fordert Georg Pepping, der als Geschäftsführer Personal die agile Transformation bei T-Systems vorantreibt, im Interview mit Detecon-Partner Marc Wagner. Pepping erläutert, weshalb sich viele Führungskräfte mit den Veränderungsprozessen in ihrem Unternehmen so schwertun, warum das Expertentum gegenüber klassischen Hierarchien an Bedeutung gewinnt und weshalb HR bei allen Change-Prozessen mit gutem Beispiel vorangehen muss. Peppings Fazit: Untrennbar verbunden mit jeder Form von Agilität ist die Fähigkeit, sich auf schnell ändernde Umstände einstellen zu können – und dazu gehört das Lernen!

Detecon: Verfolgt man die Diskussionen über die agile Transformation, gewinnt man den Eindruck, dass sich weniger die Mitarbeiter, sondern vor allem die Führungskräfte mit der Veränderung sehr schwer tun. Warum ist das so und wo liegen aus Ihrer Sicht die Knackpunkte in der persönlichen agilen Transformation von Führungskräften?

Georg Pepping: Ich beobachte durchaus unterschiedliche Dinge. Ein Punkt ist sicherlich das Thema „command and control“. Viele Führungskräfte sind mit der Erwartungshaltung groß geworden, in jedem Detail selbst drin strecken und alles jederzeit unter Kontrolle haben zu müssen. Das führt zu einem bestimmten Führungsstil, zu einer bestimmten Managementstruktur und bestimmten Steuerungsmechanismen. Agil zu arbeiten heißt auch, Verantwortung an Teams abgeben zu können und über Vertrauen zu führen. Das funktioniert anders und bringt uns zu Punkt zwei: Die eigene Rolle verändert sich, der Führungsstil verändert sich, die Schwerpunkte, die ich als Manager setze, verändern sich. Punkt drei betrifft die Ebene Status und Rollenverständnis: Natürlich denkt man darüber nach, ob man an Einfluss verliert. Und so müssen Führungskräfte eben erst lernen, dass sie in agilen Matrixstrukturen, wie wir sie in der T-Systems haben, mit einem geänderten Führungsstil mehr Einfluss ausüben können und ihr Geschäft durchaus erfolgreich sein kann, obwohl sie nicht jedes Detail kontrollieren. Schwierig, aber machbar.

Detecon: Wie fangen Sie diese Angst vor dem Verlust eines Großteils der Aufgaben, von Ansehen und Privilegien, auf?

Georg Pepping: In der T-Systems gibt es seit jeher Executives auch außerhalb von Managementpositionen. Das sind Expertenfunktionen, beispielsweise als Projektmanager von großen TCund IT-Projekten. Ich glaube aber, dass wir uns noch stärker vom hierarchischen Denken lösen müssen, gerade beim Thema Vergütungsmodelle. Mit der Agilität gewinnt das Expertentum weiter stark an Bedeutung – und dem muss auch auf dieser Ebene Rechnung getragen werden. Darüber hinaus muss sich ein anderes Verständnis von Macht durchsetzen. Macht bekommt man nicht über eine Position, sondern indem man als Person etwas bewegt. Der Einfluss, nicht die Position ist maßgeblich. Das hat mit Kompetenz zu tun, mit Sachkompetenz, aber auch mit der Fähigkeit, unterschiedliche Mitarbeitergruppen für mich einzunehmen. Dieses Verständnis muss reifen und in diesem Veränderungsprozess unterstützen wir unsere Führungskräfte mit geeigneten Programmen. Das ist ein Veränderungsprozess, den jeder von uns durchlaufen muss und ja, das braucht mal mehr und mal weniger Zeit. Wir können mit allem umgehen, nur nicht mit der Haltung „Ich lasse mich nicht darauf ein.“ Unsere Erwartung ist dahingehend sehr klar.

Detecon: Für Teams in einer Organisation bedeutet das ein Mehr an Verantwortung. Wie schätzen Sie dafür den Reifegrad innerhalb der Organisation ein und was wird dafür getan, damit Mitarbeiter Verantwortung auch tatsächlich an- und übernehmen können?

Georg Pepping: Es macht keinen Sinn, dass alle wie beim Henne- Ei-Prinzip abwarten, bis irgendein Reifegrad erreicht ist. Das setzt keine Transformation in Gang. Vielmehr propagiere ich eine Kultur des positiven Scheiterns und Lernens, welche wir einfach üben müssen. Mir ist es lieber, wenn ich selbst einmal zu weit gegangen, zu viel gewagt habe und damit gescheitert bin, als dass ich es von vorneherein gar nicht versucht habe. Wichtig ist dann, schnell aus Fehlern lernen und das Gelernte umsetzen zu können – learn & adapt. Die erfolgreiche Gestaltung einer agilen Transformation hat deshalb auch viel mit einer gesunden Fehlerkultur zu tun. Deswegen war und ist auch dieses Element Bestandteil unseres Change-Programms zur Begleitung der Transformation. Elemente wie Retros, Post-Mortem-Analyse, Best Practice Sharing, Austausch und Dialog sind wichtige Bestandteile einer solchen Kultur. Ich glaube daran, dass der Einzelne mit der Gruppe wächst und die Gruppe mit dem Einzelnen.

Detecon: Was bedeutet die agile Organisation für den HR-Bereich?

Georg Pepping: Eine glaubhafte Transformation lebt davon, zuerst die eigenen Schritte zu tun, bevor man sie von anderen verlangt. Insbesondere ein HR-Bereich kann Agilität nicht glaubhaft in einem Unternehmen gestalten und begleiten, wenn er nicht selber den Schritt in eine agile Organisation macht. Deshalb war es für mich – und übrigens auch für meinen Kollegen Christoph Ahrendt, der die Finanzfunktion bei uns verantwortet –, unstreitig, dass wir unsere Bereiche gleich zu Beginn ebenfalls in agile Strukturen bringen. Auch für HR ist das ein Lernprozess. Die Erfahrungen helfen uns aber sehr bei der Beantwortung der Frage, wie wir das Geschäft dabei unterstützen, agil zu werden. Was heißt nun agiles Arbeiten für uns im Personalmanagement? Grundsätzlich gilt für HR-Prozesse, -Produkte und -Services dasselbe wie für die Business-Funktion. Mitarbeiter erwarten zurecht von ihrem Arbeitgeber, das HR Services und Produkte einfach gestaltet und anzuwenden sind. Führungskräfte und Mitarbeiter haben darüber hinaus einen verstärkten Bedarf an Veränderungsbegleitung und damit an die Consulting- und Coaching-Rolle von HR.

Detecon: Muss HR ganz neue Kompetenzen aufbauen?

Georg Pepping: Ja. Der Rollenwechsel, den wir vorleben, bringt das mit sich. Ein Beispiel: Aus Organisationsmanagement muss Organisationsentwicklung werden. Organisationsentwicklung wird viel enger verzahnt werden mit Personalentwicklung. HR-Funktionen müssen viel mehr in systemischen Zusammenhängen denken.

Detecon: Das würde bedeuten, dass Vertreter unterschiedlicher funktionaler Bereiche an einem Produkt oder einem Service zusammenarbeiten?

Georg Pepping: Die Kompetenzen im Konzern waren bislang doch eher tayloritisch aufgestellt: Succession Management neben Talent Management neben Recruiting neben Performance Management. Auch im HR Businesspartnerbereich in der T-Systems waren wir klassisch nach Organisationsbereichen aufgestellt. In der T-Systems haben wir die Businesspartnerfunktion stärker in Richtung einer Projekt- oder Poolorganisation in Form von Chaptern verändert. Im Konzern werden derzeit diese Themen in sogenannten Tribes zusammengefasst. Das meine ich, wenn ich sage, dass wir systemischer und ganzheitlicher denken und agieren müssen. Aus Kundensicht ist die HR-Sprache oftmals sehr fachspezifisch, sehr detailliert. Dagegen steht ein Kunden-, Mitarbeiter- oder Führungskraftbedürfnis, das man in einer einfachen Weise denken und umsetzen will. Die „HR IT“ beziehungsweise „HR Tech“ ist ein weiterer wichtiger Gestaltungsfaktor, um unsere Themen digital erbringen zu können. Ganzheitliches, interdisziplinäres Zusammenarbeiten in agilen Organisationsstrukturen um agile Methoden wie Scrum sind die maßgeblichen Bausteine der Veränderung für HR. Wieso Scrum? Damit wir eine schnelle und iterative Entwicklung von HR Services und Produkten realisieren, sodass wir einfacher, mutiger und schneller werden. Was damals in der Softwareentwicklung angefangen hat, gibt es heute auch mehr und mehr in der Produktentwicklung bei HR.

Detecon: Jeder Bereich spricht doch eine andere Sprache. Wie überwindet man Sprachbarrieren in den cross-funktionalen Produkt-Teams? Wie sorgen Sie dafür, dass Ramp-up-Zeiten nicht endlos werden?

Georg Pepping: An manchen Stellen muss man am Anfang langsam sein, damit man an anderen Stellen schnell ist. Wenn wir aus unterschiedlichen Bereichen Leute zusammenziehen, wie das in den Tribes erfolgt, dann braucht man am Anfang natürlich mehr Zeit, um sich kennenzulernen, eine Beziehung aufzubauen, eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Zielsetzung zu finden. Ein Stück weit hilft uns die Methodologie, die wir dort entwickelt haben, aber den Prozess „Storming, Norming, Performing“ durchlaufen wir auch dort. Die wichtigste Erfahrung, die ich weitergeben kann zur Einführung agiler Strukturen lautet deshalb, niemals zu früh Ergebnisse zu erwarten! Das kann schnell dazu führen, dass man entweder schein-agil arbeitet oder dass man kurzfristig auf bestimmte Teilerfolge guckt, aber nicht den langen Weg geht. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass wir uns reflektieren und aktiv Feedback einholen, aufnehmen und integrieren. Dahinter steht eine Bereitschaft, sich einzulassen und diese Veränderung als etwas zu begreifen, das spannend ist. Diesen Punkt adressieren wir im Rahmen des Change-Projekts und ich muss sagen, dass ich viel Begeisterung erlebe. Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmen, die dieses Thema nachhaltig verfolgen und über Jahre auf der Agenda halten, am Ende auch erfolgreich sein werden.

Detecon: Fehler machen zu dürfen und Feedback zu geben sind Elemente einer Lernkultur, die letztlich dafür sorgt, dass jeder Mitarbeiter in der Lage ist, seine Kompetenzen immer up to date zu halten und Erfahrungen zu sammeln. Wie gelingt es, diese Themen auf die gleiche Ebene zu rücken wie die tägliche Arbeit?

Georg Pepping: Es geht hier um die Art und Weise, wie wir lernen, wie wir Training und Qualifizierung begreifen. Wenn sich die Abläufe schneller verändern, wenn das Wissen schneller veraltet, dann muss ich auch Lernen anders begreifen. Unsere Idee ist es, auf dem Modell des „Growth Mindset“ aufzusetzen. Menschen sind veränderungsfähig. Und die meisten Menschen sind auch veränderungswillig. Über die neuen Technologien stehen uns viele Möglichkeiten offen, schnell und unkompliziert zu lernen – das macht einfach Spaß. Meine Aufgabe ist es unter anderem, Mitarbeitern und Führungskräften auch den Zugang zu diesen Möglichkeiten einzuräumen. Mit „You Learn“, unserer Konzern-Kampagne, die demnächst gelaucht wird, starten wir eine Veränderungsinitiative genau zu diesem Punkt. Ergänzt wird diese Initiative durch einen systematischen Skillmanagement-Prozess. Wenn wir wissen, dass wir in bestimmten Bereichen massive Veränderungen haben werden, versuchen wir frühzeitig, Umqualifizierungs- und Upskilling-Maßnahmen aufzusetzen.

Detecon: Also ein Revival des Total Workforce Management?

Georg Pepping: Das Thema „skillbasiertes Workforcemanagement“ ist nicht neu, aber die Geschwindigkeit ist eine andere. Hinzu kommt der Mangel an Fachkräften für die Digitalisierung. Mehr und mehr Unternehmen werden in bestimmten neuen technologischen Themen gar nicht so schnell Absolventen oder ausgebildetes Personal bekommen. Damit erhält Lernen ein anderes Gewicht. Das treibt aus meiner Sicht die Veränderungen und die Investition stark mit. Nicht umsonst ist Lernen sicherlich auch weltweit einer der größten Märkte. Wenn ich mir anschaue, welche Provider global Trainingsinhalte zur Verfügung stellen, dann ist das schon beeindruckend.

Detecon: Good News für die Belegschaft! Es geht doch darum, sich noch stärker auf den Kompetenz- und Skillaufbau der Mitarbeiter zu konzentrieren, weil de facto Fachkräftemangel dazu führt, dass das externe Recruiting nicht in dem Maße erfolgen kann, wie wir es bislang intern aufgebaut haben.

Georg Pepping: Es war schon immer unsere Politik und unser Anspruch, dort, wo ich umqualifizieren kann, das auch zu tun. Das macht schon allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen Sinn, denn Recruiting ist immer teurer als Qualifizierung. Neu ist sicherlich die Entwicklung, dass mehrere Branchen die gleichen Skills suchen – Beispiel IT: Nicht nur IT-Unternehmen suchen spezifische Kompetenzen, sondern das tun jetzt auch Bosch, Daimler, VW und Vorwerk oder die Bahn, weil die Digitalisierung in allen Unternehmen und Branchen Einzug hält und demzufolge alle vergleichbare Skills benötigen. Das zieht wiederum neue Anforderungen an das Recruiting nach sich und tangiert die Themen Attraktivität als Arbeitgeber, Arbeitgeber-Marketing. Vor allem beeinflusst es aber unseren Anspruch an die Vorbereitung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf künftige Veränderungen. „Vorrats-Qualifizierung“ ist ein Unwort, aber wenn die Marktzeiten und Abläufe immer kürzer werden, muss man im Skilling zwangsläufig besser und proaktiver werden. Hier setzt „You Learn“ an.

Detecon: Ist Lernen das nächste große Thema nach der agilen Welle?

Georg Pepping: Ich glaube, das kann man gar nicht voneinander trennen. Wenn wir unter Agilität die Fähigkeit, sich auf schnell ändernde Umstände einstellen zu können, verstehen, dann gehört zu dieser Fähigkeit das Lernen. Demzufolge ist aus meiner Sicht Lernen eher ein Bestandteil von Agilität. Ich kann mir Agilität nicht vorstellen ohne Lernen.

Detecon: Customer Centricity ist eines der großen Ziele der agilen Transformation. Wie stellt ihr sicher, dass alle Aktivitäten der Mitarbeiter und Führungskräfte einen konkreten Wert für den Kunden erzeugen?

Georg Pepping: Wir haben bereits ein Stück der Wegstrecke hinter uns gebracht und sehen die ersten Erfolge. Unsere Transformation basiert auf dem Glaubenssatz, dass es keine erfolgreiche Business Transformation ohne erfolgreiche People Transformation gibt. Das mentale Modell, mit dem wir arbeiten und das über der gesamten Transformation steht, heißt Outward Mindset: Die Aufmerksamkeit, das Denken und das Handeln eines jeden ist darauf gerichtet, wie er anderen helfen kann, unsere Kunden besser zu bedienen. Ich persönlich glaube, dass die agile Transformation Freiräume für Mitarbeiter schafft. Diese Chance macht zufrieden. Beides zusammen, Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit, bildet eine erfolgreiche T-Systems.

 

Das Gespräch führte Marc Wagner.

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