Daniel Krauss, Flixbus: Die Mobilität der Zukunft muss nachhaltig sein!

Die Mobilitätsbranche ist wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig durch die Corona-Pandemie betroffen. Im Gespräch mit Detecon-Experten Daniel Kraus-Ihlow erklärt FlixMobility-Gründer Daniel Krauss, wie sein Unternehmen mit dieser neuen Realität umgeht und wie es sich auch darüber hinaus für die Zukunft rüstet. Der Kultur im Unternehmen und dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit kommen dabei zentrale Bedeutung zu.

Detecon: Jeder kennt natürlich Flixbus. Aber was macht Flixmobility aus?

Daniel Krauss: Flixmobility bezeichnet unser Bestreben, unser Angebot, über den Bus hinaus, zugunsten anderer Verkehrsmittel zu diversifizieren.

Angefangen hat alles mit FlixBus – unserer bekanntesten Brand. FlixBus ist auch nach wie vor unser Kern, unser Herz und unser größtes Produkt. Seit unserem Start 2013, haben wir festgestellt, dass die Bedarfe unserer Kunden nicht einseitig festgelegt sind. Manche Nutzer wollen beispielsweise nicht einfach nur ein Ticket buchen, um von A nach B zu kommen, sondern für eine größere Gruppe einen ganzen Bus chartern. Aus dieser Idee ist bewusst FlixBus Mieten entstanden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass wir über große Distanzen eine höhere Nachfrage haben und es sinnvoll ist weniger Zwischenpunkte einzuplanen – wodurch Fahrgäste dann schneller unterwegs sind. So ist dann FlixTrain entstanden. In der Zukunft wollen wir mit FlixTrain weiterwachsen, weil wir an das Produkt als strategischen Pfeiler von FlixMobility glauben und die Resonanz in den ersten Jahren überwältigend war. 

Diese Gedankenstränge und Sparten haben uns  zu  mehr Mobilitätsmöglichkeiten gebracht, die es dem Kunden ermöglichen ganz einfach zwischen verschiedenen Verkehrsträgern zu wechseln. Aus diesem Vorgehen ist dann die Firma mit der Holding Flixmobility entstanden.

Die Covid-19-Pandemie hat Reisen so gut wie unmöglich gemacht. Welche Auswirkung hat das auf Euer Geschäft? Wie hat sich Euer Verhältnis zum Kunden geändert? 

Es ist aktuell so, dass Menschen eben weniger reisen. Beim Kunden gibt es dafür natürlich verschiedene Auswirkungen grundsätzlicher Natur. Da ist eine natürliche Abwehrreaktion bis hin zu Angst, die Leute veranlasst, nicht zu reisen. Zusätzlich sehen wir die Bemühungen und Maßnahmen der Politik, um zu verhindern, dass die Pandemie noch größere Schäden verursacht. Die Einschränkung der Mobilität und der Aufruf, auf nicht notwendiges Reisen zu verzichten, ist eine davon. Das hat in erster Linie einen großen Einfluss auf unser Geschäft – und nicht zum Besseren.

Schon nach dem ersten Lockdown haben wir schnell gemerkt, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben und sicheres Reisen gewährleisten müssen. So haben wir ein umfangreiches Hygienekonzept für Bus und Train implementiert und unter anderem direkt nach dem Lockdown eine Maskenpflicht an Bord eingeführt, haben Busse und Fahrzeuge regelmäßig desinfiziert, Hand-Sanitizer bereitgestellt und geschaut, dass eben alles so sicher wie möglich ist. Damit haben wir gezeigt, dass Reisen sicher ist! Sobald wir in Deutschland wieder auf die Straßen zurückkehren, werden diese Maßnahmen natürlich weiterhin in Kraft bleiben.

Arbeitgeberseitig hat sich nicht so viel geändert. Wir haben damals über Nacht alle ins Homeoffice geschickt und dann im Sommer, einen Teil der Mitarbeitenden unter Auflagen zurückkehren lassen. Seit November sind alle angehalten bis auf weiteres komplett von Zuhause zu arbeiten und nur ins Büro zu kommen, wenn es absolut notwendig ist.

Der Übergang lief reibungslos. Wir sind ja ein Kind der Digitalisierung, die nötige Infrastruktur und Anwendungen waren bereits vor Corona vorhanden. Die Leute haben praktisch nur ihre Laptops in den Büros zugeklappt und sind nach Hause gegangen.

Jetzt müssen wir natürlich in die Zukunft blicken und schauen, wie wir den kulturellen Aspekt der Büros als Ort, wo man physisch zusammentrifft, eine neue Rahmung geben. Microsoft Teams funktioniert prima, aber wir sind halt Menschen. Und den Aspekt, müssen wir in die Post-Corona Welt retten. Warum? Weil sonst irgendwann unsere Kultur leidet. Kultur ist ein sehr großes Asset, besonders für junge Unternehmen, das sich nur langsam kultivieren lässt, aber schnell verloren geht. Und das müssen wir im Auge behalten.

Das ist ein Thema, das die Post-Corona-Welt wesentlich bestimmen wird. All das, was wir unter New Work subsumiert haben, wird sich dabei anpassen müssen. Also es wird wahrscheinlich ein New York 2.0 oder New New Work geben, weil tatsächlich die Herausforderungen andere werden. Es wird sich nicht mehr die Frage stellen: Wie geht es, dass du Menschen remote vertrauen kannst? Das haben sie jetzt alle lernen müssen. Sondern es wird vielleicht eher die Herausforderung sein: Wie schaffe ich es, dass wir uns noch als ein Team, als eine Abteilung, als ein Unternehmen fühlen? Auch wenn wir einander noch nie die Hand gegeben haben.

Verstehe ich es richtig, dass Kultur für Dich das Elementare in dieser neuen Arbeitsrealität ist?

Auf jeden Fall. Kultur ist alles für mich, was nicht klar greifbar ist, aber einfach die Identität eines Unternehmens ausmacht.

New Work gab es ja bereits länger als Hype-Thema. Purpose, Aufgabe oder Zielsetzung, war ein anderes. Und ich glaube Kultur und Purpose hängen sehr nah zusammen. Ich glaube, wenn du keine Kultur oder eine schlechte Kultur hast, dann vergisst du deinen Purpose. Und Unternehmen, die keinen Purpose haben, können keine gesunde Kultur entwickeln. Das heißt aber, wenn du nur noch eine Horde remote arbeitender Zombies hast, dann kannst du weder das eine noch das andere. Wenn du an dem Punkt bist, dann kann es dir passieren – nach meiner Hypothese –, dass deine Vision erodiert. Und dann kommst du meiner Meinung nach in ein strategisches Dilemma.

Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Wie könnte Deiner Meinung nach denn ein zukünftiges Szenario aussehen? Was meinst du, wie schauen die Arbeitsräume eines so jungen Unternehmens wie FlixMobility in sieben Jahren aus?

Wenn ich darüber nachdenke, beschäftigt mich vor allem eine zentrale Frage: Was ist eine sinnvolle Working-from-Home-Quote? Die wird nicht bei 100 Prozent liegen. Es wird immer einmal Momente geben, wenn Du im Büro sein solltest, für einen Workshop zum Beispiel. Du hast aber auch Menschen, die vielleicht einfach ein angenehmeres Arbeitsumfeld im Büro haben. Es gilt ganz viele Faktoren zu beachten, das heißt, du wirst nicht von 100 Prozent ausgehen können. Ich glaube 80 Prozent könnte im Schnitt eine gute „Guesstimate“ sein.

Das hat natürlich Auswirkungen auf den Bedarf an Büroflächen und du brauchst vielleicht nur noch ein Viertel bis ein Drittel von dem, was du vorher hattest. Das hat wiederum einen gewissen positiven Kosten-Effekt, den du allerdings nicht komplett vereinnahmen kannst. Du brauchst ihn nämlich, um beispielsweise eine gute Arbeitsplatzgestaltung bei den Mitarbeitenden zuhause gewährleisten zu können. Am Esstisch zu arbeiten, wie ich gerade, ist allenfalls eine Zwischenlösung.

Von den verbleibenden Büroflächen wird nur ein kleiner Teil mit klassischen Schreibtischen ausgestattet sein. Ein weitaus größerer wird für Community-Räume verwendet werden, die potenziell Kultur zwischen Mitarbeitenden stiften. Und wenn ich von Community-Räumen spreche, meine ich nicht solche mit Kicker oder Bildern, sondern kuratierte Räumlichkeiten, die für sinnvolle Workshops und produktive Zusammenarbeit genutzt werden können.

Unabhängig von den Büroräumlichkeiten wird es jedoch eine der größten Herausforderungen werden, den Mitarbeitenden auch zuhause ein Gefühl von Zugehörigkeit zu geben. Du musst auch zuhause am Rechner das Gefühl bekommen, dass du etwas wert bist. Das muss ankommen!

Damit zeichnest du ja ein sehr plastisches Bild der zukünftigen Formen der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens FlixBus. Um den Blick nochmals nach außen zu richten, auf euer Business, wie wird deiner Meinung nach die Mobilität der Zukunft aussehen?

Die Mobilität der Zukunft muss nachhaltig sein! Und sie muss erschwinglich sein. Um das zu gewährleisten, muss es geteilte Mobilität sein. Individuelle Mobilität wird entweder nicht mehr erschwinglich sein oder nicht nachhaltig genug – oder beides.

Wie seht ihr Eure Chancen in dieser Hinsicht?

Gut, schon deshalb, weil es kaum noch Unternehmen gibt, die für ökologische Mobilität stehen. Aber auch unabhängig davon, weil wir einfach sehr nachhaltig aufgestellt sind.

Obwohl viele unserer Busse noch mit Verbrenner unterwegs sind, haben wir eine sehr moderne Flotte. Fast 100 Prozent unserer Fahrzeuge sind Euro-VI-Diesel-Busse. Das heißt, der CO2-Ausstoß pro Passagier ist minimal. Dass der Fernbus, noch vor dem Zug, das nachhaltigste Fernverkehrsmittel ist, bestätigte auch zuletzt das Umweltbundesamt erneut. Die verbleibenden Emissionen können Passagiere ganz einfach bei der Buchung mit unserem Partner Atmosfair kompensieren – dieses Angebot nutzen in Deutschland bereits 10% der Kunden. FlixTrain ist mit Strom von Greenpeace Energy unterwegs. Auch was das Headquarter ausstößt, kompensieren wir und auch rund um unsere Prozesse versuchen wir so CO2-neutral wie möglich zu sein. Darüber hinaus sind wir das einzige oder eines der wenigen Verkehrsunternehmen, die bedarfsgerecht planen. Bei uns fahren keine leeren Busse durch die Gegend.

Alles in allem haben wir bislang schon viel initiiert, um noch nachhaltiger zu sein. Aber wir sind da noch lange nicht am Ziel. Von daher gucken wir, dass wir mit Partnern zusammen neue Dinge ausprobieren, ob es jetzt z.B. Brennstoffzellen-Busse sind oder batteriebetriebene E-Mobilität, wie wir sie in Frankreich, Deutschland und den USA getestet haben. Bis 2030 wollen wir CO2-neutral agieren – und tun alles in unserer Macht mögliche, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.

Dieses Interview führte