Klimaneutralität bis 2030 in der Verwaltung: Konkrete Maßnahmen ableiten und Wirksamkeit überprüfen

Der öffentliche Sektor muss umfangreiche Maßnahmen zur Erreichung einer klimaneutralen Verwaltung umsetzen. Dabei ist die Wirksamkeit dieser Maßnahmen entscheidend: Sie sollten regelmäßig datenbasiert auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Im ersten Artikel haben wir uns mit der Bedeutung von Daten bei der Verwirklichung einer klimaneutralen Verwaltung und den damit verbundenen Herausforderungen befasst. Nachfolgend gehen wir auf die Umsetzung der Maßnahmen und die Wirksamkeitsprüfung dieser ein. (Teil 2/2) Lesen Sie hier Teil 1

Ein Maßnahmenpaket für eine Klimaneutrale Verwaltung

Den größtmöglichen Hebel auf die CO2-Reduktion hat eine Maßnahmenentwicklung, die sich auf die Kernbereiche IT, Beschaffung und Organisation fokussiert. Wie auch schon im Koalitionsvertrag festgehalten, muss Klimapolitik evidenzbasiert und vorausschauend sein. Die im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) angesiedelte Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung (KKB) plant noch dieses Jahr ein umfangreiches Maßnahmenprogramm für die Bundesverwaltung zu veröffentlichen, das konkrete und erforderliche Vorgaben zur Treibhausgasneutralität enthält. Für die Umsetzung der Maßnahmen ist es wichtig, die Mitarbeiter*innen in der Verwaltung partizipativ an der Entwicklung teilhaben zu lassen und, wo möglich, sie selbst zu handelnden Personen zu machen. In diesem Prozess können bereits bestehende Maßnahmen identifiziert und interne Best-Practice Beispiele herausgestellt werden. Der Fortschritt und die Wirksamkeit der Maßnahmen müssen zudem regelmäßig an relevante Stakeholder berichtet werden - so z.B. erstattet eine Bundesoberbehörde an die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde (Ministerium) Bericht.

Notwendige Roadmap zur Erreichung der Ziele

Bundes- und Landesverwaltungen sind dazu angehalten, einen konkreten Fahrplan mit Maßnahmen bis 2030 zu erstellen, basierend auf Daten und einer regelmäßigen Wirksamkeitsüberprüfung. Die Herausforderungen der Verwaltungen hinsichtlich der Erreichung der Klimaschutzziele und zunehmender gesetzlicher Anforderungen werden in den nächsten Jahren weiter steigen. Neu gebaute öffentliche Rechenzentren sollen nach einem Beschluss des IT-Rates ausschließlich nach Kriterien des Blauen Engels gebaut werden. Das kürzlich beschlossene Energieeffizienzgesetz sieht darüber hinaus Energieeffizienzmaßnahmen vor, die zu einer jährlichen Gesamtenergieeinsparung von 2 % für die Bundes- und Landesverwaltungen und andere öffentliche Organisationen führen sollen.

Langfristige Maßnahmen planen und umsetzen (Schritt 2/3)

Die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung von CO₂-Emissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität stellen für die öffentliche Verwaltung eine Herausforderung dar. Die Maßnahmenentwicklung erfordert eine sorgfältige Abwägung von Vor- und Nachteilen, die Einbeziehung von Mitarbeitenden und politischen Entscheidungsträgern sowie die Anpassung an die spezifischen Anforderungen der Verwaltung. Auch finanzielle und personelle Ressourcen spielen eine entscheidende Rolle bei der Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen.

Eine weitere Herausforderung stellt die langfristige Planung und effektive Umsetzung einer Maßnahme dar.

Ein Beispiel:

  • Ein Klimaschutzmanager einer Kommune setzt gemeinsam mit dem Gebäudemanagement energiesparende Leuchtmittel in Gebäuden ein. Mit dem Ziel, jährlich 5 Prozent der aktuell verursachten Treibhausgasemissionen (THG) im Bereich Liegenschaften einzusparen.
  • Die Maßnahme wird nicht offiziell kommuniziert, jedoch erfahren die Mitarbeiter*innen von dem Austausch der Leuchtmittel.
  • Die Mitarbeiter*innen und weitere Personen in den Gebäuden lassen das Licht länger an oder schalten es nach dem Feierabend nicht aus, mit dem Verständnis, dass diese energieeffizienter seien.
  • Dieser Zustand trägt zu mehr THG-Emissionen und höheren Energiekosten bei.

Handlungsempfehlung - Zur Überwindung dieser Herausforderung und der Vermeidung von Rebound-Effekten sind die folgenden Schritte vor der Einführung einer Maßnahme zu empfehlen:

  1. Machbarkeitsanalyse: Je nach Umfang des Vorhabens, kann eine externe Machbarkeitsanalyse sinnvoll sein. Sie berücksichtigt individuelle Rahmenbedingungen und bewertet die Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit des Vorhabens sowie die zu erwartenden Effekte.
  2. Szenarioanalyse: Aufbauend auf der Machbarkeitsanalyse, kann eine Szenarioanalyse detaillierte Einsichten in die möglichen Auswirkungen der Maßnahmen liefern.
  3. Bewertung auf Basis vergangener Maßnahmen und vergleichbarer Daten: Wenn ausreichend Daten vorliegen, können Erfahrungen aus vergangenen Maßnahmen zur Bewertung der Wirksamkeit neuer Maßnahmen herangezogen werden.

Vor der Umsetzung sind mögliche Maßnahmen anhand von Kriterien wie Einsparpotential, Kosten/Nutzen, Effizienz und Kommunikationswirkung zu bewerten. Ökonomische und soziale Aspekte sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

Als ersten Schritt empfehlen wir eine Machbarkeits- und Szenarioanalyse durchzuführen, vergangene Maßnahmen und Daten zur Bewertung neuer Maßnahmen heranzuziehen ebenso wie die notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der CO₂-Emissionen wirksam zu planen und umzusetzen. Darüber hinaus sind die notwendigen Finanzmittel zu sichern, z.B. durch das Akquirieren von staatlichen Fördermitteln, und die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überwachen.

Best Practice – eine Landesbehörde als Pilot für eine Klimaneutrale Verwaltung:

Eine Landesbehörde arbeitet in einer klimaneutralen und nachhaltigen Landesverwaltung. Die Behörde arbeitet seit mehreren Jahren intensiv an der Entwicklung von Maßnahmen, um Klimaneutralität zu erreichen. Damit der Erfolg der Maßnahmen messbar wird, bilanziert die Behörde die CO2-Emissionen der Gebäude und des Fuhrparks an ihren drei Hauptstandorten sowie an den mehr als 15 Außendienststellen. Über eine Kampagne motiviert die Behörde ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem energie- und klimabewussten Verhalten. An einem der Hauptstandorte konnte der Stromverbrauch dadurch dauerhaft um mehr als 10 Prozent gesenkt werden. Bei Neubaumaßnahmen werden ehrgeizige Gebäudestandards berücksichtigt, die zu signifikanten Energieeinsparungen führen. Die Behörde setzt zudem an verschiedenen Standorten in den Bereichen Gebäude, Mobilität, Beschaffungswesen, Personal und Kantinenbetrieb systematisch Klimaschutzmaßnahmen um. Einige davon führen auch zu reduzierten CO2-Emissionen, zum Beispiel der Vorrang von Videokonferenzen vor Dienstreisen oder auch das Nutzen klimafreundlicher Verkehrsmittel. Zwei Standorte wurden auch nach dem europäischen Umweltmanagementsystem „Eco Management and Audit Scheme“ (EMAS) validiert.

 

Wirksamkeit konsequent überprüfen (Schritt 3/3)

Die Wirksamkeitsmessung ist unerlässlich, um die Zielerreichung und den Erfolg der Maßnahmen sowohl intern als auch extern zu kommunizieren und zu legitimieren. Es gibt jedoch Schwierigkeiten bei der Quantifizierung der Wirksamkeit, insbesondere bei sogenannten "weichen" Maßnahmen wie der Steigerung der Mitarbeitermotivation.

Ein Beispiel:

  • Eine Verwaltung setzt Maßnahmen um, die inhaltlich zum Thema Klimaneutralität zugeordnet werden können und zur Senkung von THG beitragen. Sie entstehen teilweise durch ehrenamtliche Initiativen oder durch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden.
  • Diese Maßnahmen sind jedoch Teil einer zentralen Planung oder einer Strategie und somit nicht auf Zielen basierend. Der Erfolg wird nicht gesteuert oder gemonitort.
  • Es entsteht das Risiko, dass die Maßnahmen weiterhin durchgeführt werden, die jedoch langfristig nicht zur Klimaneutralität beitragen und evtl. teuer zu bewirtschaften sind.

Handlungsempfehlung - Um diese Herausforderungen zu bewältigen, empfehlen wir die folgenden Schritte:

  1. Eigene Definition von Wirksamkeit bilden: Definieren Sie, was in Ihrem individuellen Fall als "wirksam" gilt, indem Sie die drei Dimensionen der Ökologie, Ökonomie und Soziales berücksichtigen und bewerten.
  2. Festlegung des Anwendungsbereichs und Formulierung von Zielen: Formulieren Sie klare Ziele für jede Maßnahme oder für bestimmte Bereiche. Die Ziele sollten SMART (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminiert) sein.
  3. Definition von Kennzahlen je Ziel: Legen Sie Kennzahlen fest, anhand derer Sie die Wirksamkeit der Maßnahmen messen können. Für das Handlungsfeld IT können hier z.B. insbesondere Kennzahlen aus dem Blauen Engel für Rechenzentren oder Software genutzt werden. Nutzen Sie dabei auch die Ergebnisse Ihrer CO₂-Bilanz als Grundlage.
  4. Verfügbarkeit von Daten prüfen: Stellen Sie sicher, dass die benötigten Daten zur Bildung der Kennzahlen verfügbar sind und für den erforderlichen Zeitraum gemessen werden können.
  5. Einbindung des Controllings: Nutzen Sie das Verwaltungscontrolling, um wirksame Messkonzepte zu entwickeln und den Fortschritt der Maßnahmen regelmäßig zu überwachen und zu berichten.

Best Practice – effektives Zielcontrolling auf Basis von sektoralen THG-Budgets

Das Treibhausgas-Monitoring einer Landeshauptstadt soll zu einem Instrument des Zielcontrollings weiterentwickelt werden. Mit diesem Vorhaben können für die Erreichung der Klimaneutralität vorhandene Budgets auf einzelne Sektoren und Handlungsbereiche heruntergebrochen und überwacht werden. Dadurch können Zielverfehlungen frühzeitig erkannt werden. Das in der Landeshauptstadt verantwortliche Referat kann bei einer sich abzeichnenden Verfehlung des Minderungspfades, eine Anpassung bestehender oder die Einführung zusätzlicher Maßnahmen einleiten. Weiterhin werden die wesentlichen Klimaschutz-Maßnahmen einem Monitoring der Umsetzung und der Evaluation ihrer Wirkungen unterzogen. Dadurch können laufende Maßnahmen bei Bedarf hinterfragt und korrigiert werden.

Wo fange ich an, um meine Verwaltung klimaneutral zu gestalten?

Behörden und andere Verwaltungen fragen sich bei der Entscheidung für die Implementierung von Klimaschutz- bzw. insgesamt Nachhaltigkeitsmaßnahmen, wo man am besten in der Organisation anfängt. Der Nachhaltigkeitsbeauftragte ist an einer zentralen Schnittstelle, um abteilungsübergreifend erste Handlungsfelder zu identifizieren. Gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen einer Abteilung kann ein Pilotprojekt initiiert werden. Hier können wertvolle Erfahrungen hinsichtlich Datenverfügbarkeit und Maßnahmenentwicklung gemacht werden, die für weitere Abteilungen relevant sind. Der regelmäßige Austausch mit anderen Verwaltungen im Rahmen von Weiterbildungen und Veranstaltungen ist auch hilfreich. In den Handlungsfeldern IT, Beschaffung und Organisation sind Projekte schnell identifizierbar und umsetzbar.

Die Entwicklung einer eigenen datenbasierten Definition von Wirksamkeit, die Festlegung klarer Ziele und Kennzahlen, die Prüfung der Verfügbarkeit von Daten und die Einführung wirksamer Messkonzepte sind wesentliche Erfolgsfaktoren für das Erreichen des Ziels einer klimaneutralen Verwaltung. Maßnahmen wirksam zu überwachen und ihren Fortschritt aktiv an Stakeholder zu kommunizieren, sind weitere wichtige Bausteine für die Zielerreichung.

Der öffentliche Sektor hat noch einen weiten Weg vor sich und steht vor zahlreichen Herausforderungen, um eine Transformation zu einer klimaneutralen Verwaltung zu beschreiten. Für Bundesverwaltungen ist der Fahrplan, Netto-Null Treibhausgase in 7 Jahren zu erreichen. Versäumnisse und fehlende Investitionen in der Vergangenheit müssen über alle Verwaltungen hinweg aufgeholt werden. Jetzt ist die Zeit, Daten zu erheben, Maßnahmen umzusetzen und konsequent ihre Wirksamkeit zu überprüfen.